Direkt zum Inhalt

Das Grunderbe würde Vermögen zwischen den Generationen umverteilen: Interview

DIW Wochenbericht 50 / 2021, S. 816

Stefan Bach, Erich Wittenberg

get_appDownload (PDF  91 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.77 MB)

Herr Bach, wie sind die Vermögen in Deutschland verteilt? Die privaten Vermögen sind in Deutschland sehr ungleich verteilt und sehr stark konzentriert. Die reichsten zehn Prozent besitzen zwei Drittel des gesamten Vermögens und das reichste eine Prozent ein Drittel.

Was könnte getan werden, um die Vermögensungleichheit in Deutschland zu senken? Der Staat sollte die Vermögensbildung der Mittelschichten, die ergänzende Altersvorsorge und den Erwerb von Wohneigentum stärker fördern und Hemmnisse abbauen. Das ist ja jetzt im Rahmen der Ampelkoalition auch geplant. Darüber hinaus schlagen wir vor, dass der Staat ein Grunderbe einführt.

Wie genau kann man sich die Idee eines Grunderbes vorstellen? Die große Ungleichheit bei den Vermögen setzt sich über Erbschaften und Schenkungen fort. Die Hälfte der Bevölkerung bekommt praktisch nichts vererbt und nur sehr wenige bekommen sehr viel. Vor diesem Hintergrund bedeutet ein Grunderbe, dass alle jungen Menschen beim Eintritt in das Erwachsenenleben einen Geldbetrag in einer Größenordnung von bis zu 20000 Euro vom Staat erhalten.

Was würde ein Grunderbe den Staat kosten und wie ließe es sich finanzieren? Alle jungen Menschen in Deutschland sollen dieses Grunderbe bekommen; das sind bei den heutigen Geburtskohorten etwa 750000 junge Leute pro Jahr. Wenn jeder von denen zum Beispiel 20000 Euro bekommt, dann würde das den Staat im Jahr 15 Milliarden Euro kosten. Diesen Betrag könnte man über die Besteuerung von hohen Vermögen gegenfinanzieren. Das Grunderbe würde dann also von denjenigen, die ohnehin viel haben, finanziert. Damit würde Vermögen zwischen den Generationen umverteilt werden.

Bisher gab es in Deutschland erhebliche Widerstände gegen die Besteuerung von Vermögen. Für wie realistisch halten Sie eine derartige Gegenfinanzierung? Vermögensteuern sind natürlich schwer zu erheben und lösen hohen politischen Widerstand aus. Die Erbschaftsteuer ist relativ unpopulär, obwohl die meisten davon gar nicht betroffen sind. Eine Vermögensteuer hat zwar eine höhere Zustimmung in der Öffentlichkeit, löst aber leicht wirtschaftliche Probleme aus. Das muss man dabei natürlich berücksichtigen. Aber die Verwendung des Aufkommens für ein Grunderbe würde eine Vermögensbesteuerung sicherlich populärer machen und den Steuerwiderstand leichter überwinden können als eine Verwendung für andere Zwecke.

Wie stark würde die Vermögensungleichheit in Deutschland sinken, wenn man ein solches Grunderbe einführen würde? Das Grunderbe führt zu einer deutlichen Dekonzentration des Vermögens, insbesondere wenn man es mit Steuern auf hohe Vermögen finanziert. Unsere Simulationen ergeben für ein Grunderbe, das über höhere Erbschaft- oder Vermögensteuer finanziert wird, einen Rückgang des Gini-Koeffizienten (Standardmaß für die Vermögensungleichheit) von bis zu sieben Prozent und das ist für dieses Maß schon ein relativ starker Effekt.

Die neue Bundesregierung plant ja bereits Maßnahmen zur Verminderung der Ungleichheit und will die Vermögensbildung der Mittelschichten stärker fördern. Warum braucht es da noch ein Grunderbe? Die Maßnahmen gehen natürlich in die richtige Richtung, sie beziehen sich aber vor allem auf Schwellenhaushalte, also auf Personen, die sich Wohneigentum leisten können und die betriebliche oder private Altersvorsorge betreiben. Das bringt aber für die große Ungleichheit in der Vermögensverteilung relativ wenig und wenn überhaupt auch nur langfristig. Ein Grunderbe, das jeder junge Mensch bekommt, würde die Vermögensungleichheit in Deutschland wesentlich schneller und effektiver senken.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Stefan Bach
Das Grunderbe würde Vermögen zwischen den Generationen umverteilen - Interview mit Stefan Bach

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

keyboard_arrow_up