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Mietensteuer könnte 100 000 bezahlbare Wohnungen in Berlin finanzieren: Kommentar

DIW Wochenbericht 50 / 2021, S. 820

Stefan Bach, Claus Michelsen

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Die Neuauflage des rot-rot-grünen Regierungsbündnisses in Berlin stand schon vor dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen stark unter Druck. Der Volkszorn über ständig steigende Mieten hatte sich im Enteignungs-Volksentscheid Luft gemacht. Nach dem Scheitern des Mietendeckels stimmte die Mehrheit der BerlinerInnen dafür, große private Immobiliengesellschaften zu enteignen. Das ist aber nur ein weiterer fragwürdiger Versuch, den Berliner Wohnungsmarkt zu entspannen. Denn damit ist noch keine einzige neue Wohnung gebaut, die das Problem dauerhaft entspannt. Bestenfalls wird der Mangel verwaltet.

Vieles an der Debatte erinnert an die 1920er Jahre, in denen Berlin aus allen Nähten platzte. Schon zu Kaisers Zeiten waren die Wohnverhältnisse für die einfachen Leute ziemlich prekär. Dann klotzten entschlossene Stadtpolitiker zusammen mit der Bau- und Wohnungswirtschaft riesige Wohnungsbauprogramme auf die grüne Wiese. Es entstanden die klassischen Siedlungen des „Neuen Bauens“, etwa die Hufeisensiedlung, die Weiße Stadt oder die die Waldsiedlung Zehlendorf.

Für die Finanzierung sorgte die „Hauszinssteuer“ – eine Sondersteuer auf die Mieterträge, mit der Vermögensgewinne der Immobilieneigentümer abgeschöpft wurden. Denn deren Schulden waren durch die Hyperinflation 1923 so gut wie verschwunden. Im Gegenzug wurde die strikte Mietpreisbremse aus der Kriegszeit sukzessive gelockert. Die Hauszinssteuer erzielte deutschlandweit ein jährliches Aufkommen von bis zu zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das wären heute rund 75 Milliarden Euro im Jahr, mehr als das Doppelte von Grundsteuer, Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer zusammengenommen.

Auch heute wäre das eine probate Alternative zu den Enteignungs- und Regulierungsexperimenten der vergangenen Jahre. Die Berliner Wohnungseigentümer sind während der Immobilienmarkthausse der letzten Jahre kräftig bereichert worden, ohne viel dafür getan zu haben. Wie könnte eine Mietensteuer also aussehen? Am einfachsten wäre eine moderate Belastung aller ImmobilieneigentümerInnen mit einem Steuersatz von zum Beispiel drei Prozent auf die Nettokaltmiete. Allerdings würden dann „faire“ VermieterInnen mit günstigen Mieten und Miethaie gleichbehandelt. Mieten, die unterhalb der ortüblichen Vergleichsmiete liegen, würden wahrscheinlich im Rahmen des rechtlich möglichen angehoben, also auf die MieterInnen überwälzt.

Besser wäre eine progressive Mietensteuer. Diese könnte normale Mieten steuerfrei stellen, etwa bis zu 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete. Übersteigende Mietanteile würden dagegen zunehmend stärker belastet, zum Beispiel oberhalb von 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete mit 10 Prozent, oberhalb von 120 Prozent mit 20 Prozent und oberhalb von 130 Prozent mit 30 Prozent. Die Steuer würde hier auf die hohen Mieten konzentriert. Ferner wäre eine Überwälzung der Steuer auf die MieterInnen kaum möglich, da das Vergleichsmietenrecht in diesen Fällen eine Mieterhöhung in laufenden Verträgen verhindert. Aufwendiger ist allerdings die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Nach unseren Berechnungen mit Haushaltsdaten der amtlichen Statistik aus dem Jahr 2018 würde eine solche progressive Mietensteuer in Berlin immerhin ein jährliches Aufkommen von rund 200 Millionen Euro erzielen, das wären 1,2 Prozent der Berliner Steuereinnahmen. Damit können Wohnungsbauprojekte angeschoben, Belegungsrechte für Sozialwohnungen erworben oder Haushalte in prekärer finanzieller Lage unterstützt werden.

So könnten mit dem Aufkommen die Mieten in 100000 Wohnungen um 2,50 Euro je Quadratmeter und Monat gesenkt werden. Das Aufkommen könnte alternativ als Eigenkapital eingesetzt werden, um rund 7500 Wohnungen jährlich auf kommunalem Grund zu errichten. Dies entspricht immerhin knapp 50 Prozent der aktuellen Bautätigkeit in Berlin oder rund 125 Prozent der Bautätigkeit der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Dies würde den Wohnungsmarkt in Berlin entspannen und dadurch die Mieten für alle BerlinerInnen senken.

Dieser Beitrag ist am 9. November 2021 in einer längeren Fassung im Tagesspiegel erschienen (online verfügbar).

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

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