DIW Wochenbericht 51/52 / 2021, S. 834
Konstantin A. Kholodilin, Erich Wittenberg
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Herr Kholodilin, inwieweit hat sich die Corona-Pandemie auf die Immobilienmärkte und die Wohnungspreise ausgewirkt? Trotz Pandemie und Wirtschaftskrise steigen die Preise weiter. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Nachfrage weiterhin stark steigt. Die Sparquote ist im Jahr 2020 in Deutschland sprunghaft gestiegen, auch weil die Einkommen durch staatliche Transfers stabilisiert wurden und es weniger Konsummöglichkeiten gab. Weil die Zinssätze weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau sind, stellen Immobilien nach wie vor eine gute Anlagemöglichkeit dar.
Wie haben sich die Preise für Eigentumswohnungen und Eigenheime in Deutschland entwickelt? Die Preise haben sich zwischen 2011 und 2021 deutschlandweit verdoppelt. In manchen Städten war die Steigerung noch stärker, in Berlin beispielsweise haben sich die Preise sogar verdreifacht. Besonders kräftig sind die Preise für Eigentumswohnungen gestiegen. Ähnlich lief es bei den Preisen für Bauland.
Wie sieht es bei den Mietsteigerungen aus? Im Vergleich zu den Kaufpreisen sind die Mietpreise viel moderater gestiegen. Im gleichen Zeitraum haben sie bundesweit lediglich um 50 Prozent zugelegt. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Mietpreise im Gegensatz zu Immobilienpreisen keine spekulative Komponente haben.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden Jahren zu Preiskorrekturen auf dem Immobilienmarkt kommt? Die Zeichen mehren sich, dass die Wohnungspreise in einigen Städten und Marktsegmenten nicht mehr allein durch die Entwicklung der Mieten und die niedrigen Zinsen zu erklären sind. Durch Spekulationen beeinflusste Marktentwicklungen sind zumindest in den großen Städten zu konstatieren. Angesichts dieser Entwicklung kann es in den nächsten Jahren dort zu Preiskorrekturen kommen, also zum Platzen von Immobilienpreisblasen.
Gibt es auch Aspekte, die gegen die Gefahr einer Immobilienpreisblase in Deutschland sprechen? Die Tatsache, dass das Finanzsystem relativ stabil ist, spricht gegen die Gefahr einer Immobilienpreisblase. Das System ist trotz eines steigenden Kreditvolumens weiterhin stabil, auch weil der Anteil der Kredite mit einer Zinsbindung von mehr als fünf Jahren steigt. Das bedeutet, dass die Haushalte in dieser Zeit vor Zinserhöhungen geschützt sind.
Wie hoch sind die Immobilienpreise in Deutschland im internationalen Vergleich und im Verhältnis zu den verfügbaren Einkommen? Die Immobilienpreise in Deutschland sind im Vergleich zu anderen entwickelten Ländern noch relativ niedrig. Aber der Indikator für die Erschwinglichkeit, die mit dem Immobilienpreis-Einkommensverhältnis gemessen wird, hat sich seit 2011 deutlich verschlechtert. Das heißt, man braucht heutzutage für den Kauf ein und derselben Immobilie viel mehr Einkommen als vor zehn Jahren. Man muss aber auch sagen, dass dieser Indikator in den 90er Jahren noch höher lag und dass Deutschland von einer relativ niedrigen Basis aus angefangen hat, denn vor zehn, zwölf Jahren war das Immobilienpreis-Einkommensverhältnis auf seinem historischen Tiefstand.
Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um einer Immobilienpreisblase entgegenzuwirken? Bis jetzt wurden Maßnahmen des finanziellen Ausgleichs und der Stabilisierung der Haushaltseinkommen zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie ergriffen. Dieser Ansatz war ziemlich erfolgreich. Vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens sollte die Politik diese Unterstützungen nicht vorzeitig zurückfahren, auch um Verwerfungen auf den Immobilienmärkten zu vermeiden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Märkte, Konjunktur, Immobilien und Wohnen, Gesundheit
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-51-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/251390