Direkt zum Inhalt

Materialmangel bleibt auch 2022 Hauptproblem der Bauwirtschaft: Interview

DIW Wochenbericht 1/2 / 2022, S. 14

Laura Pagenhardt, Erich Wittenberg

get_appDownload (PDF  85 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.78 MB)

Frau Pagenhardt, wie stark leidet die deutsche Bauwirtschaft unter der Coronakrise? Einerseits ist die Bauwirtschaft insgesamt ganz gut durch die Pandemie gekommen, denn anders als in anderen Sparten gab es hier keine größeren Probleme wie zum Beispiel Lockdowns oder Corona-Einschränkungen. Andererseits erleben wir jetzt aber seit etwa Mitte des vergangenen Jahres indirekte Auswirkungen der Coronakrise, denn durch den globalen Wirtschaftsaufschwung und die weltweit starke Nachfrage nach Baumaterialien, insbesondere in den USA und in China, wird in Deutschland das Material knapp. In vielen Bereichen der Bauwirtschaft ist die Produktion eingeschränkt, weil unter anderem Holz und Stahl fehlen. Zudem schießen aufgrund der Knappheit die Preise nach oben.

Wie groß sind insgesamt die Einbußen im Vergleich zur Vor-Coronazeit? Die Einbußen fallen insgesamt tatsächlich gering aus. Die Umsätze gehen, zumindest nominal gesehen, immer noch nach oben, das hat aber auch viel mit den Preisen zu tun. Dadurch, dass die Preise in allen Bereichen des Baus so stark steigen, legen die Umsätze zwar nominal zu, real sind wir jedoch im leichten Minusbereich. Aber insgesamt läuft es ganz gut.

Wie ist die Lage beim Wohnungsbau? Beim Wohnungsbau erleben wir eine sehr gute Grunddynamik. Die Nachfrage ist nach wie vor hoch, die Zinsen bleiben durch die sehr expansive Geldpolitik niedrig und die Haushalte haben, auch weil sie weniger konsumieren konnten, in den vergangenen Jahren viel Geld angespart, das jetzt unter anderem für den Wohnungsbau oder das eigene Haus ausgegeben werden kann.

Wie sieht es bei den Sanierungen aus? Vor allem durch die gestiegenen Energiepreise und durch den CO2-Preis, der Anfang des vergangenen Jahres eingeführt wurde, gibt es für die Haushalte wieder vermehrte Anreize für energetische Sanierungen. Allerdings hat das Ausbaugewerbe, das diese Sanierungen hauptsächlich betrifft, im vergangenen Jahr ein bisschen geschwächelt. Das liegt auch daran, dass hier der Materialmangel besonders zur Wirkung gekommen ist und dass viele Haushalte vermutlich durch die Preissteigerungen weniger investieren konnten. Hier denken wir aber, dass in diesem und in den kommenden Jahren wieder mehr gebaut werden wird, auch weil das Zinsumfeld günstig ist.

Wie kann sich der Wirtschaftsbau behaupten? Der Wirtschaftsbau hat am meisten unter der Coronakrise gelitten. Viele Unternehmen waren sehr zurückhaltend, jetzt größere Bauprojekte anzugehen. Hier erwarten wir in den kommenden Jahren eine größere Dynamik. Denn auch wenn wir im Moment durch eine weitere Unsicherheitsphase gehen, ist doch insgesamt damit zu rechnen, dass sich diese Unsicherheit durch den globalen Aufschwung und auch der zu erhoffenden Eindämmung der Pandemie wieder vermindert.

Vor welchen Herausforderungen und Problemen steht die deutsche Bauwirtschaft im Jahr 2022? Das Hauptproblem bleibt der Materialmangel. Zwar hat sich die Lage in den vergangenen Monaten wieder etwas erholt, aber die Lieferketten sind noch immer beeinträchtigt. Darüber hinaus ist vor allen Dingen die öffentliche Hand gefordert, denn hier haben wir im vergangenen Jahr eine schwache Entwicklung gesehen. Das war einerseits bedingt durch die eher schwache Kassenlage der Kommunen, andererseits war hier auch der Bund etwas zögerlich, weil die Bundestagswahl und die neue Regierungsbildung etwas für Zurückhaltung gesorgt haben. Hier kommt es jetzt darauf an, dass die im Koalitionsvertrag angelegten Pläne und Investitionen möglichst schnell umgesetzt werden und in der Bauwirtschaft ankommen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Laura Pagenhardt
Materialmangel bleibt auch 2022 Hauptproblem der Bauwirtschaft - Interview mit Laura Pagenhardt

Laura Pagenhardt

Doktorandin in der Abteilung Makroökonomie

keyboard_arrow_up