DIW Wochenbericht 4 / 2022, S. 60
Guido Baldi
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Ein Jahr ist nun schon seit der Amtseinführung von Joe Biden als US-Präsident vergangen. Er konnte in dieser Zeit einige seiner wirtschaftspolitischen Ziele erreichen – etwa die Verabschiedung des großen Hilfs- und Stimulierungspakets für die US-Wirtschaft im März 2021 oder die Zustimmung im Kongress zur Erneuerung der Infrastruktur im November. Aber jüngst musste Joe Biden auch viel an wirtschaftspolitischer Kritik einstecken – einige geben etwa seiner expansiven Fiskalpolitik die Schuld an der höheren Inflation.
Dabei gibt es auch positive Seiten der starken Fiskalimpulse. So hat die US-Wirtschaft im Gegensatz etwa zum Euroraum das Vorkrisenniveau der Wirtschaftsleistung von Ende 2019 bereits im Frühsommer 2021 wieder erreicht. Ein wichtiger Grund dafür liegt wohl in der äußerst expansiven Fiskalpolitik während der Pandemie. Insgesamt wurden 2020 und 2021 unter den Präsidenten Trump und Biden drei Fiskalpakete im Umfang von ungefähr 15 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts verabschiedet. Diese Fiskalpakete haben den privaten Verbrauch stimuliert, der bereits Anfang 2021 das Vorkrisenniveau wieder erreichte. Aber auch die Investitionen haben sich in den USA deutlich besser entwickelt als im Euroraum. Die gedämpfte Investitionsentwicklung im Euroraum dürfte die weitere Erholung bremsen, zumal die Unternehmen im Vergleich zu den Vereinigten Staaten bereits vor der Pandemie zurückhaltender investierten. Immerhin kann man sich berechtigte Hoffnungen machen, dass das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ die Investitionen im Euroraum in den kommenden Jahren anschieben wird.
Auf dem US-Arbeitsmarkt haben sich diese Entwicklungen in deutlichen und raschen Verbesserungen niedergeschlagen. Zwar gibt es immer noch deutlich weniger Jobs als vor der Pandemie, weil sich etwa viele Menschen zu Hause um ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen und noch nicht auf den Arbeitsmarkt zurückgekehrt sind. Aber insgesamt hat sich die Lage dennoch viel schneller verbessert, als dies sogar noch im Frühling 2021 von vielen erwartet worden war. Auch bei den Löhnen gab es kräftigere Zuwächse als in den 2010er Jahren.
Allerdings hat die höhere Inflation die nominalen Lohnzuwächse jüngst wieder aufgefressen. Auch wenn sich die Inflation – im Dezember betrug die jährliche Rate 7,0 Prozent – auch angesichts des Auslaufens der Fiskalimpulse nun schrittweise verringern dürfte, wird sie wohl auch in diesem Jahr hoch bleiben. So werden etwa die preistreibenden Probleme bei internationalen Lieferketten angesichts der Omikron-Welle nicht so schnell verschwinden.
Grundsätzlich muss man vor einer etwas höheren Inflation als in den Jahren vor der Pandemie keine Angst haben. Sie kann ein positives Zeichen einer dynamischen Wirtschaft sein, an der auch Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen über höhere Lohnzuwächse teilhaben. Dennoch besteht das Risiko, dass die Inflation lange und deutlich über dem durchschnittlichen Zwei-Prozent-Ziel der US-Notenbank bleibt und nur mit einer starken geldpolitischen Straffung kontrolliert werden kann.
Die trotz anhaltender Probleme vergleichsweise günstige Entwicklung der US-Wirtschaft ist kein Einzelfall. Schon früher erwies sie sich als widerstandsfähig und legte etwa nach der Finanzkrise bis zum Beginn der Pandemie stärker zu als im Euroraum. In den Vereinigten Staaten ist die Wirtschaft von 2009 bis 2019 real um mehr als ein Viertel gewachsen, im Euroraum waren es nur rund 15 Prozent. Sogar die unberechenbare und auf Konfrontation ausgerichtete Amtsführung von Donald Trump hat nicht zum gelegentlich vorhergesagten wirtschaftlichen Absturz geführt.
Es ist zwar gut möglich, dass die Wirtschaft im Euroraum 2022 stärker zulegen wird als in den USA. Das ist aber vor allem darauf zurückzuführen, dass die US-Wirtschaft dem Euroraum bei der Erholung von der Pandemie mindestens einen Schritt voraus ist. Für die kommenden Jahre haben die Vereinigten Staaten trotz der andauernden innenpolitischen Polarisierung gute Karten, viele Volkswirtschaften im Euroraum hinter sich zu lassen.
Dieser Beitrag ist zuerst am 25. Januar 2022 in der Frankfurter Rundschau erschienen.
Themen: Konjunktur, Geldpolitik
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-4-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/251400