DIW Wochenbericht 9 / 2022, S. 139-147
Kai-Uwe Müller, Claire Samtleben
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„Wenn die Erwerbstätigkeit von Frauen gefördert werden soll, egal ob um den Fachkräftemangel oder um Ungleichheiten in der finanziellen Lage von Männern und Frauen abzubauen, muss auch der Hebel der Sorgearbeit genutzt werden – entweder über eine generelle, von öffentlicher Hand organisierte Entlastung oder durch eine egalitärere innerpartnerschaftliche Aufteilung.“ Claire Samtleben
In Deutschland ist es noch ein weiter Weg zu einer partnerschaftlichen Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen: Bei den Beschäftigungsquoten und im Erwerbsumfang liegen Frauen deutlich hinter Männern, bei der Kinderbetreuung und Hausarbeit ist es umgekehrt. Diese ungleichen Zeitverwendungen stehen in unmittelbarem Zusammenhang zueinander: Ökonometrische Analysen in diesem Bericht zeigen, dass sich sowohl die insgesamt in einem Haushalt anfallende Sorgearbeit als auch deren Aufteilung innerhalb von Paaren auf die Wahrscheinlichkeit und den Umfang der Beschäftigung beider Partner auswirken. Erhöht der Mann seinen Anteil an der Sorgearbeit, steigt die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Frau ebenso wie ihr Erwerbsumfang. Reduziert sich die Belastung der Sorgearbeit insgesamt, erhöht sich die Erwerbsbeteiligung beider Partner. Die Subventionierung von haushaltsnahen Dienstleistungen, der weitere Ausbau der Ganztagsbetreuung von Kindern und erschwingliche Betreuungsangebote für ältere Angehörige sind verschiedene Wege, unbezahlte Sorgearbeit zu reduzieren. Angesichts der größeren Einschränkungen von Erwerbstätigkeit durch Hausarbeit im Vergleich zu Betreuungsaufgaben sind Überlegungen zur Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen im Koalitionsvertrag zu begrüßen.
Nach wie vor leisten Frauen in Deutschland deutlich mehr unbezahlte SorgearbeitUnter Sorgearbeit fällt unbezahlte Hausarbeit, Betreuungs- und Pflegearbeit. als Männer. Gleichzeitig bleiben ihre Erwerbsquoten und Arbeitsstunden hinter denen der Männer zurück. Obwohl von einer Mehrheit der Väter eine partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben in Beruf und Familie gewünscht wird,Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021): Väterreport. Update 2021 (online verfügbar, abgerufen am 24. Februar 2022. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht). verändern sich die jährlich berichteten Zahlen nur wenig. Auch in der Corona-Pandemie, in der viele Familien unter enormem Druck standen, Beruf und Familie zu vereinbaren,Kai-Uwe Müller et al. (2020): Corona-Krise erschwert Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für Mütter – Erwerbstätige Eltern sollten entlastet werden. DIW Wochenbericht Nr. 19, 331–340 (online verfügbar). zeigte sich keine nachhaltige Veränderung dieser Muster.Jonas Jessen, Katharina C. Spieß und Katharina Wrohlich (2021): Sorgearbeit während der Corona-Pandemie: Mütter übernehmen größeren Anteil – vor allem bei schon zuvor ungleicher Aufteilung. DIW Wochenbericht Nr. 9, 131–139 (online verfügbar). Es steht zu befürchten, dass auch weiterhin zusätzliche Sorgearbeitsverantwortung primär von Frauen getragen wird.Der Spiegel (2022): Deutschland ist keine moderne Gesellschaft, was die Gleichstellung betrifft. Jutta Allmendinger im Interview vom 25. Februar (online verfügbar). Um eine egalitärere Verteilung der Sorge- und Erwerbsarbeit zu erreichen, muss ihr genauer Zusammenhang verstanden werden. Nur so können Politikmaßnahmen gestaltet werden, die sich positiv sowohl auf die Aufteilung unbezahlter Sorgearbeit als auch die Arbeitsmarktbeteiligung auswirken.
In diesem Bericht wird untersucht, welche Rolle der Umfang der innerhalb eines Haushalts geleisteten unbezahlten Sorgearbeit und deren Aufteilung innerhalb von Paaren für die Erwerbsbeteiligung beider Partner spielen.Die Ergebnisse dieses Berichts basieren auf einem Projekt, dessen detaillierte Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Artikel veröffentlicht wurden: Claire Samtleben und Kai-Uwe Müller (2021): Care and careers: Gender (in)equality in unpaid care, housework and employment. Research in Social Stratification and Mobility (online verfügbar). Basierend auf Paneldaten und ökonometrischen Modellen (Kasten) wird identifiziert, welchen Einfluss unbezahlte Haus- und Betreuungsarbeit auf die Arbeitsmarktpartizipation und den Stundenumfang von Männern und Frauen hat.
Die Berechnungen dieses Berichts basieren auf dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer für Deutschland repräsentativen Wiederholungsbefragung.Jan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 239 (2), 345–360. Seit 1984 werden auf Haushalts- und Individualebene Informationen für verschiedene Lebensbereiche erfasst. Hierzu gehören unter anderem Aussagen über Zeitaufwand für Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege älterer Angehöriger. Verknüpft werden für diesen Bericht die Wellen 2001 bis 2017 (SOEPlong, v34) des SOEP mit Regionaldaten des Statistischen Bundesamts, des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) sowie des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Auf der Ebene der Landkreise erfasst sind zum Beispiel die zur Verfügung stehenden Kinderbetreuungsplätze, Plätze in Seniorenheimen und wirtschaftliche Indikatoren wie die regionale Arbeitslosenquote und das Bruttoinlandsprodukt. Die Untersuchungsstichprobe umfasst verschiedengeschlechtliche Paare im Alter von 18 bis 60 Jahren, die gemeinsam in einem Haushalt leben.
Die Analysen dieses Berichts basieren auf sogenannten Instrument-Variablen-Regressionen in ersten DifferenzenEine ausführlichere Beschreibung der Methode findet sich in Claire Samtleben und Kai-Uwe Müller (2021): Care and careers: Gender (in)equality in unpaid care, housework and employment. Research in Social Stratification and Mobility (online verfügbar)., die das Paneldesign des SOEP, das heißt die wiederholte Befragung derselben Haushalte, bestmöglich ausnutzen.
Die Verwendung dieser sogenannten ersten Differenzen in der Schätzung, also der Veränderung von einer Befragung zur nächsten, kontrolliert statistisch für systematische Unterschiede zwischen Paaren, die über die Zeit konstant und nicht direkt beobachtbar sind. Beispielsweise wird so vermieden, dass geschätzte Regressionskoeffizienten davon beeinflusst werden, dass bestimmte Paare grundsätzlich egalitärer eingestellt sind und deshalb die Sorgearbeit gleichmäßig aufteilen und der Frau eine höhere Erwerbsbeteiligung ermöglichen. Unterschiede zwischen Paaren mit unterschiedlichen Einstellungen und Werten werden für die Schätzung nicht berücksichtigt. Der Einfluss der Sorge- auf die Erwerbsarbeit wird ausschließlich auf Basis von Veränderungen innerhalb derselben Paare im Zeitverlauf identifiziert.
Bei den externen Instrument-Variablen (Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung für Krippen- und Kitakinder, Ausbau der institutionellen Erwachsenenpflege jeweils im Landkreis, Pflegebedürftigkeit einer Person im Haushalt) wird dementsprechend auch nur die Variation innerhalb derselben Paare zur Identifikation verwendet. Daneben wird die Panelstruktur des SOEP ausgenutzt, um weitere interne Instrument-Variablen zu generieren. Das Niveau des Vorjahres bei den Gesamtstunden und beim Männeranteil an der Sorgearbeit innerhalb eines Paares dienen jeweils als Instrumente für die Änderungen dieser Variablen in der laufenden Periode. Bei der Differenzierung der Effekte nach Haus- und Betreuungsarbeit stehen somit zusätzlich interne Instrument-Variablen für die jeweilige Kategorie zur Verfügung. Damit werden die Effekte des Umfangs und der Aufteilung unbezahlter Sorgearbeit auf die Erwerbswahrscheinlichkeit und den Erwerbsumfang von Frauen und Männern identifiziert. Unter der Annahme, dass die genannten Instrumente die Erwerbsbeteiligung ausschließlich über die Sorgearbeit beeinflussen, können die geschätzten Koeffizienten kausal interpretiert werden.
Die Betreuung von Kindern und älteren Angehörigen sowie Hausarbeit werden vorwiegend von Frauen geleistet.Claire Samtleben (2019): Auch an erwerbsfreien Tagen erledigen Frauen einen Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung. DIW Wochenbericht Nr. 10, 139–144 (online verfügbar). Um einschätzen zu können, wie viele Personen in Deutschland dieser Gender Care Gap und daraus resultierende Ungleichheiten betreffen, ist ein bundesweiter Durchschnitt jedoch nicht aussagekräftig. So wäre es denkbar, dass relativ wenige Haushalte mit sehr ungleicher Aufteilung von Sorgearbeit diesen Wert stark prägen, während die Mehrheit eigentlich ein relativ egalitäres Familienmodell lebt. Tatsächlich ist die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit in deutschen Paarhaushalten jedoch keine Randerscheinung, sondern weit verbreitet. In knapp drei Vierteln der Paarhaushalte übernimmt der Mann weniger als die Hälfte der im Haushalt anfallenden Sorgearbeit (Abbildung 1). Zwar leben immerhin gut 15 Prozent der Paare ein verhältnismäßig egalitäres ModellDarunter fallen Paare, in denen 45 bis 55 Prozent der Sorgearbeit vom Mann geleistet wird., jeder zweite Mann übernimmt jedoch maximal ein Drittel der Hausarbeit.
Die Beschäftigungsquote von Frauen ist in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland deutlich gestiegen. Dennoch lag diese in Paarhaushalten zwischen 2001 (73 Prozent) und 2017 (83,1 Prozent) immer klar hinter der Quote der Männer (2001: 92,3 Prozent; 2017: 94 Prozent) (Abbildung 2). Mit der Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen hat Deutschland sein EU2020-Beschäftigungsziel erreicht und liegt sogar zehn Prozentpunkte oberhalb des OECD-Durchschnitts.European Institute for Gender Equality (2021): Gender Equality Index: Work in Germany for the 2019 Edition (online verfügbar); OECD (2017): The Pursuit of Gender Equality: An Uphill Battle: How does Germany compare? (online verfügbar). Ein genauerer Blick auf diese positive Entwicklung zeigt einen Trend zu einer höheren Beschäftigungsquote bei Frauen, jedoch mit geringerem Stundenumfang.Claudia Weinkopf (2014): Women’s Employment in Germany. Revue de l’OFCE, 133, 189 (online verfügbar). Nach den hier zugrundeliegenden Untersuchungen auf SOEP-Basis gingen erwerbstätige Frauen in Paarbeziehungen im Jahr 2001 durchschnittlich 31,3 Stunden pro Woche einer Erwerbstätigkeit nach, 2017 waren es nur noch knapp 30 Stunden. Auch bei Männern hat sich der durchschnittliche Stundenumfang reduziert. Er ging von knapp 44,8 Stunden im Jahr 2001 auf 43,2 Stunden im Jahr 2017 zurück (Abbildung 2).
In Paarhaushalten hängt der unterschiedliche Umfang der Erwerbstätigkeit beider Partner unmittelbar mit Umfang und Aufteilung von Sorgearbeit zusammen. Männer sind im Mittel mit einem größeren Stundenumfang erwerbstätig. Umso geringer ihr Anteil an der im Haushalt anfallenden Sorgearbeit ist, desto höher ist ihr Arbeitsstundenumfang. In den meisten Fällen arbeiten Männer mindestens vollzeitnah. Nur in Haushalten, in denen das Sorgearbeitsvolumen verhältnismäßig hoch ist und ihr Anteil daran ebenfalls, arbeiten sie in Teilzeit. Dies betrifft jedoch eher eine Minderheit (Abbildung 3).
Frauen sind durchschnittlich mit einem geringeren Stundenumfang erwerbstätig. Vor allem in den Paarkonstellationen mit vergleichsweise hohem Sorgearbeitsumfang, in denen der Mann nur einen geringen Anteil übernimmt, sind Frauen nur wenige Stunden, meist in Form von Minijobs, erwerbstätig. Auch diese Paare stellen allerdings eher eine Minderheit dar. Der Farbverlauf von hellem Grün im oberen linken Bereich hin zu dunklerem Blau rechts unten in Abbildung 3 zeigt, dass, je höher der Anteil des Partners an der Hausarbeit ist, desto höher der Arbeitsstundenumfang der Frauen ausfällt. Beteiligen sich die Männer um die 35 bis 40 Prozent an Sorgearbeit und ist das Sorgearbeitsvolumen im Haushalt eher durchschnittlich hoch, sind Frauen in der Regel vollzeitnah erwerbstätig.
Welche Konsequenzen hat eine solche Ungleichverteilung der Sorge- und Erwerbsarbeit in Paarhaushalten? Was bedeutet es, dass diese ungleiche Verteilung so weit verbreitet ist in Deutschland?
Die geringere Erwerbsbeteiligung von Frauen insgesamt, der teilweise lebensphasenbedingte geringere Stundenumfang in Verbindung mit dem Gender Pay GapAnnekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Gender Pay Gap steigt ab dem Alter von 30 Jahren stark an. DIW Wochenbericht Nr. 10, 137–145 (online verfügbar). kumulieren zu einem deutlich geringeren Lebenserwerbseinkommen im Vergleich zu den Männern.Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2020): Wer gewinnt? Wer verliert? Die Entwicklung und Prognose von Lebenserwerbseinkommen in Deutschland (online verfügbar). Nicht nur besetzen sie, teils begründet mit ihrer häufigeren Teilzeittätigkeit, weniger einflussreicheAnja Kirsch, Virginia Sondergeld und Katharina Wrohlich (2022): Deutlich mehr Vorständinnen in großen Unternehmen – Beteiligungsgebot scheint bereits zu wirken. DIW Wochenbericht Nr. 3, 22–33 (online verfügbar). und angesehene Positionen und haben in der Phase ihrer Berufstätigkeit dadurch ein deutlich geringeres Einkommen als Männer. Diese Ungleichheiten führen sich auch am Lebensabend fort: Die Armutsquote von Frauen über 80 Jahren liegt neun Prozentpunkte über jener der Männer.Jonas Fey und Michael Wagner (2021): Das Einkommen der Hochaltrigen in Deutschland. D80+ Kurzberichte. Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres) (online verfügbar). Durch weit verbreitete Teilzeitbeschäftigung unter Frauen wird das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland nicht voll ausgeschöpft – trotz Fachkräftemangel und demografischem Wandel.
Die mit der ungleichen Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit einhergehenden (sozioökonomischen) Konsequenzen sind erheblich. Häufig wird die geringere Erwerbstätigkeit der Frauen als Grund für ihre größere Sorgearbeitsverantwortung angeführt, umgekehrt ist die Sorgearbeitslast aber auch verantwortlich für die geringere Erwerbstätigkeit – der Zusammenhang ist also beidseitig.Der Einfluss der Sorgearbeit auf die Erwerbsarbeit lässt sich nur mit geeigneten statistischen Methoden identifizieren (vgl. Kasten). Eine Reduktion von Sorgearbeitsverantwortung kann auf verschiedene Weisen erfolgen, zum Beispiel durch eine generelle Reduktion der Arbeitslast für beide Partner oder für Frauen durch eine egalitäre Aufteilung innerhalb des Paarhaushalts.
Wer innerhalb eines Paarhaushalts erwerbstätig ist und in welchem Umfang, hängt unter anderem von individuellen Lebensumständen, Präferenzen und verschiedenen externen Faktoren ab. Die Erwerbsarbeitsaufteilung wird beispielsweise unmittelbar durch die Aufteilung der Kinderbetreuung, Pflege älterer Angehöriger und die Hausarbeit zwischen den Partnern beeinflusst. Analysen der Veränderungen der Kinderbetreuungs-, Altenpflege- und Hausarbeitsaufteilung in Paarhaushalten der Jahre 2001 bis 2017 (SOEP) zeigen, dass, wenn sich der Anteil des Mannes an diesen Tätigkeiten um einen Prozentpunkt erhöht (er entlastet damit die Frau um im Schnitt 25,6 Minuten pro Woche), die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Frau (die bei durchschnittlich 78,2 Prozent liegt) um knapp 0,2 Prozentpunkte steigt. Gleichzeitig sinkt die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Männer ebenfalls um 0,2 Prozentpunkte. Ein ähnliches Muster zeigt sich bei erwerbstätigen PaarenAlle Analysen zum Erwerbsumfang beziehen sich auf Paare, bei denen beide erwerbstätig sind. bezüglich ihres Erwerbsumfangs. Erhöht der Mann sein Engagement in Haushalt und Kinderbetreuung um einen Prozentpunkt bei gleichbleibender Gesamtbelastung des Haushalts, steigern Frauen ihren Stundenumfang um 0,04 Stunden pro Woche, die Männer reduzieren ihre Erwerbstätigkeit aber gleichzeitig um 0,01 Stunden (Abbildung 4).
Die Veränderungen mögen auf den ersten Blick gering erscheinen, jedoch handelt es sich um den reinen Effekt der (geringen) Sorgearbeitsumverteilung für bereits berufstätige Paare. Die Umverteilung der Sorgearbeitslast von der Frau zum Mann, die mit einer Erhöhung der Erwerbstätigkeit der Frau und einer Verringerung beim Mann einhergeht, kann man also als Austauschbeziehung bezeichnen. Mitnichten handelt es sich jedoch um ein Nullsummenspiel, bei der die erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen allein „auf Kosten“ der Männer geht. Die Ausweitung der Erwerbstätigkeit der Frau ist viermal so hoch wie die Reduktion der Erwerbsstunden des Mannes. Darüber hinaus wünschen sich Männer im Schnitt einen etwas geringeren ErwerbsarbeitsumfangChristoph Wunder und Guido Heineck (2013): Working time preferences, hours mismatch and well-being of couples: Are there spillovers? Labour Economics 24, 244–252 (doi:10.1016/j.labeco.2013.09.002). und möchten aktivere Väter mit einer partnerschaftlicheren Sorgearbeitsverteilung sein. Eine solche Veränderung der Sorgearbeitsverteilung innerhalb von Paaren kann beispielsweise durch die Elternzeitnahme von Vätern gefördert werden.Mareike Bünning (2015): What Happens after the ‘Daddy Months’? Fathers’ Involvement in Paid Work, Childcare, and Housework after Taking Parental Leave in Germany. European Sociological Review 31 (6), 738–748.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern kann nicht nur durch eine Umverteilung der Sorgearbeitslast innerhalb des Paares gesteigert werden. Werden sie als Haushalt insgesamt von Hausarbeit befreitLiat Raz-Yurovich und Ive Marx (2019): Outsourcing Housework and Highly Skilled Women’s Labour Force Participation – Analysis of a Policy Intervention. European Sociological Review 35 (2), 205–224. und bei der Versorgung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen unterstützt, reduziert sich die von ihnen insgesamt zu tragende Sorgearbeitslast. Eine solche Verringerung des Sorgearbeitsumfangs erhöht die Beschäftigungswahrscheinlichkeit und den Arbeitsstundenumfang beider Partner. Reduziert sich der Umfang der Hausarbeit und Kinderbetreuung innerhalb eines Haushalts bei gleichbleibender Aufteilung zwischen den Partnern um eine Stunde, erhöht sich die Beschäftigungswahrscheinlichkeit der Frau um mehr als 0,2 Prozentpunkte und des Mannes um knapp 0,1 Prozentpunkte (Tabelle 1).In den Berechnungen der Gesamtstunden wurde standardmäßig eine allgemeine Erhöhung der gesamten Sorgearbeit im Haushalt um eine Stunde angenommen. Die Ergebnisse gelten uneingeschränkt spiegelbildlich für eine Reduktion der gesamten Sorgearbeit im Haushalt (beispielsweise durch externe Hilfe) um eine Stunde. Bei erwerbstätigen Paaren erhöht eine solche externe Entlastung des Haushalts den Erwerbsumfang um 0,05 Stunden bei der Frau und 0,01 Stunden beim Mann.
Änderung der Beschäftigungswahrscheinlichkeit in Prozentpunkten | Effekt auf … | Signifikanz | ||
---|---|---|---|---|
bei Erhöhung | Anteil der Männer an Sorgearbeit um einen Prozentpunkt | Frauen | 0,17 | *** |
Männer | −0,21 | *** | ||
Gesamtstunden Sorgearbeit um eine Stunde | Frauen | −0,24 | *** | |
Männer | −0,09 | *** | ||
Änderung der wöchentlichen Arbeitsstunden in Stunden | Effekt auf … | Signifikanz | ||
bei Erhöhung | Anteil der Männer an Sorgearbeit um einen Prozentpunkt | Frauen | 0,04 | *** |
Männer | −0,01 | * | ||
Gesamtstunden Sorgearbeit um eine Stunde | Frauen | −0,05 | *** | |
Männer | −0,01 | * |
1 In den Berechnungen der Gesamtstunden Sorgearbeit wurde standardmäßig eine allgemeine Erhöhung der gesamten Sorgearbeit um eine Stunde angenommen. Die Ergebnisse lassen sich aber eins zu eins auf eine Reduktion der Sorgearbeit spiegeln.
Anmerkungen: Durchschnittliche Beschäftigungswahrscheinlichkeit Frauen 78,2 Prozent, Männer 94 Prozent, Zahl der Beobachtungen: Beschäftigungswahrscheinlichkeit N = 40499; Arbeitsstunden N = 30914. Die Signifikanz gibt die statistische Genauigkeit der Schätzung an. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem 0,1-, Ein- und Fünf-Prozent-Niveau an.
Lesehilfe: Eine zusätzliche Stunde Sorgearbeit im Haushalt verringert die Arbeitsstunden der Frauen im Schnitt um 0,05 Stunden pro Woche, die der Männer lediglich um 0,01 Stunde pro Woche. Eine Entlastung um eine Stunde erhöht die Arbeitsstunden um diese Beträge.
Quellen: SOEPlong, v34; eigene Berechnungen.
Auch eine Entlastung des Haushalts insgesamt wirkt sich bei Frauen stärker aus als bei Männern, sowohl bei der Beschäftigungswahrscheinlichkeit als auch im Stundenumfang. Dies liegt vor allem an der sehr ungleichen Ausgangssituation in der Sorgearbeitsverteilung – leistet die Frau mehr Sorgearbeit innerhalb des Haushalts, profitiert sie auch bei der Erwerbstätigkeit im Vergleich zu ihrem Partner überdurchschnittlich von einer Entlastung des Haushalts insgesamt.
Doch nicht alle Tätigkeiten, die unter die Sorgearbeit fallen, schränken die Berufstätigkeit gleichermaßen ein. Naturgemäß ist die Vollzeitbetreuung eines oder mehrerer junger Kinder nicht vereinbar mit einer Erwerbstätigkeit außer Haus, weshalb externe Kinderbetreuungsangebote geschaffen und ausgebaut wurden, unter anderem um die Erwerbstätigkeit (von Frauen) zu ermöglichen. Ebenso verhält es sich mit der Versorgung von pflegebedürftigen Angehörigen.
Politisch weniger Aufmerksamkeit erhalten andere Tätigkeiten im Haushalt, wie das Putzen und Kochen, die als Privatsache gesehen werden. Aktuell fällt die Unterstützung bei der Hausarbeit im Gegensatz zu öffentlicher Kinderbetreuung nicht unbedingt unter die Daseinsvorsorge. Bemerkenswert ist es dennoch, dass Hausarbeit die Erwerbswahrscheinlichkeit von Männern und Frauen stärker einschränkt als Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen (Abbildung 5). Wird die Gesamtlast des Haushalts an Hausarbeit um eine Stunde pro Woche reduziert, erhöht sich die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Männern (gut 0,1 Prozentpunkte) und Frauen (0,3 Prozentpunkte) stärker als bei einer einstündigen Reduktion der Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen (Männer: 0,04 und Frauen: 0,2 Prozentpunkte).
Ebenso verhält es sich bei den Auswirkungen auf den Erwerbsumfang: Eine Entlastung des Haushalts um eine Stunde Hausarbeit pro Woche erhöht die Arbeitszeit bereits beschäftigter Frauen um 0,05 Stunden und bei Männern um 0,02 Stunden pro Woche. Wird hingegen die Kinderbetreuung verringert, steigert dies die Arbeitszeit um 0,04 Stunden bei Frauen und um 0,01 Stunden bei Männern (Abbildung 5).
Auch bei einer Veränderung der Aufteilung innerhalb von Paaren zeigt sich, dass Hausarbeit stärkere Effekte hat als Betreuungsaufgaben (Tabelle 2). Dies ist womöglich auch darauf zurückzuführen, dass Betreuungsaufgaben häufig parallel zu anderen Aufgaben ausgeführt werden,Jay Stewart und Mary Dorinda Allard (2016): Secondary child care in the ATUS: What does it measure? In: Charlene M. Kalenkoski und Gigi Foster (Hrsg.): The economics of multitasking. Palgrave Macmillan US, 145–171. während Haushaltstätigkeiten meist die ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern oder bekommen.
Änderung der Beschäftigungswahrscheinlichkeit in Prozentpunkten | Effekt auf … | Signifikanz | ||
---|---|---|---|---|
bei Erhöhung | Anteil der Männer an Betreuungsaufgaben | Frauen | 0,05 | *** |
Anteil der Männer an der Hausarbeit | Frauen | 0,15 | *** | |
Anteil der Männer an Betreuungsaufgaben | Männer | −0,07 | *** | |
Anteil der Männer an der Hausarbeit | Männer | −0,15 | *** | |
bei Erhöhung | Gesamtstunden Betreuungsaufgaben | Frauen | −0,20 | *** |
Gesamtstunden Hausarbeit | Frauen | −0,30 | *** | |
Gesamtstunden Betreuungsaufgaben | Männer | −0,04 | ** | |
Gesamtstunden Hausarbeit | Männer | −0,14 | *** | |
Änderung der wöchentlichen Arbeitsstunden in Stunden | Effekt auf … | Signifikanz | ||
bei Erhöhung | Anteil der Männer an Betreuungsaufgaben | Frauen | 0,01 | *** |
Anteil der Männer an Hausarbeit | Frauen | 0,03 | *** | |
Anteil der Männer an Betreuungsaufgaben | Männer | −0,01 | * | |
Anteil der Männer an Hausarbeit | Männer | −0,01 | ** | |
bei Erhöhung | Gesamtstunden Betreuungsaufgaben | Frauen | −0,04 | *** |
Gesamtstunden Hausarbeit | Frauen | −0,05 | *** | |
Gesamtstunden Betreuungsaufgaben | Männer | −0,01 | ||
Gesamtstunden Hausarbeit | Männer | −0,02 | * |
1 In den Berechnungen der Gesamtstunden wurde standardmäßig eine allgemeine Erhöhung der gesamten Sorgearbeit um eine Stunde angenommen. Die Ergebnisse lassen sich aber eins zu eins auf eine Reduktion der Sorgearbeit spiegeln.
Anmerkungen: Durchschnittliche Beschäftigungswahrscheinlichkeit Frauen 78,2 Prozent, Männer 94 Prozent, Zahl der Beobachtungen: Beschäftigungswahrscheinlichkeit N = 40499; Arbeitsstunden N = 30914. Die Signifikanz gibt die statistische Genauigkeit der Schätzung an. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem 0,1-, Ein- und Fünf-Prozent-Niveau an.
Lesehilfe: Eine zusätzliche Stunde Hausarbeit verringert die Arbeitsstunden der Frauen im Schnitt um 0,05 Stunden pro Woche, bei der Betreuung von beispielsweise Kindern reduziert sie sich um 0,04 Stunden. Eine Entlastung um eine Stunde erhöht die Arbeitsstunden um diese Beträge.
Quellen: SOEPlong, v34; eigene Berechnungen.
Die ungleich verteilte Sorgearbeit und die damit einhergehenden Konsequenzen für die Erwerbsbeteiligung betreffen die Mehrheit der Paarhaushalte in Deutschland. Die Erwerbsbeteiligung und der Umfang der geleisteten Sorgearbeit stehen in direkter Abhängigkeit zueinander: So bestimmt zum Beispiel die geleistete Sorgearbeit den Umfang der Erwerbstätigkeit mit. Die individuelle Sorgearbeitslast hängt dabei sowohl von der innerpartnerschaftlichen Aufteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung als auch von öffentlichen Unterstützungsangeboten ab.
Übernimmt der Mann Betreuungsaufgaben oder Hausarbeit von der Frau, wirkt sich dies unmittelbar auf die Erwerbsbeteiligung beider aus – und damit langfristig auf ihre gesamte Erwerbsbiografie. Väter, die in Elternzeit gehen, beteiligen sich häufig auch mittelfristig mehr an der Kinderbetreuung. Vor diesem Hintergrund ist die im Koalitionsvertrag geplante Ausweitung der Partnermonate des Elterngeldes ein Schritt in die richtige Richtung. Noch zu selten genutzt, aber grundsätzlich ein sinnvolles Instrument, um eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zu fördern, ist der Partnerbonus des Elterngeldes. Es bleibt abzuwarten, ob die beschlossene Ausweitung des erlaubten Erwerbsumfangs in der Elternzeit auf 24 bis 32 Stunden je Woche das Interesse an diesem Instrument steigern wird.Vgl. die Informationen zur Elterngeldregelung auf der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (online verfügbar).
Eine egalitärere Aufteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung fördert vor allem die Erwerbsbeteiligung von Frauen und bringt Männer näher an ihre gewünschten niedrigeren Arbeitsstunden. Gleichzeitig hat die insgesamt auf Paaren lastende Sorgearbeit einen unmittelbaren Einfluss auf den Umfang der Berufstätigkeit beider Partner und somit das Ausschöpfen des Erwerbspersonenpotentials. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie eine Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen müsste vor diesem Hintergrund also auch mit einer gesamtgesellschaftlichen Umverteilung der Sorgearbeitslast einhergehen. Dabei geht es allerdings nicht zwangsläufig darum, die Pflege von Angehörigen und die Kinderbetreuung so auszulagern, dass möglichst beide Partner Vollzeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Der Ganztagsbetreuung von Kindern und den Pflegeangeboten für ältere Angehörige kommt eine große Bedeutung bei der Entlastung des privaten Pflege- und Betreuungsaufwands zu. Ebenso wichtig sollte die Unterstützung bei der Hausarbeit sein, die bis jetzt bei Politikmaßnahmen wenig berücksichtigt wurde. Die im Koalitionsvertrag verankerte Subventionierung von haushaltsnahen Dienstleistungen ist hier ein interessanter Ansatz. Bereits jetzt lagern einige Haushalte, die es sich leisten können, diese Hausarbeit teilweise aus. Häufig jedoch wird diese Arbeit in unversicherten Arbeitsverhältnissen von marginalisierten Gruppen übernommen.Teresa Bücker (2020): Ist es radikal, alle Care-Arbeit selbst zu erledigen? Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 15. Januar (online verfügbar). Die Förderung der haushaltsnahen Dienstleistungen beispielsweise über ein Gutscheinsystem kann, richtig ausgestaltet, Vorteile auf verschiedenen Ebenen haben. So würde der Personenkreis, der sich die Unterstützung im Haushalt leisten kann, vergrößert. Gleichzeitig bestünde die Chance, dass die bereits bisher häufig unversichert und prekär ausgelagerte Sorgearbeit in offizielle Arbeitsverhältnisse überführt würde. Viele Beschäftigte wünschen sich statt einer Auslagerung ihrer Sorgearbeit mehr Raum und Zeit, diese selbst zu erbringen. Die Familienarbeitszeit böte gerade Familien in der „Rushhour des Lebens“ diese Möglichkeit.Kai-Uwe Müller, Michael Neumann und Katharina Wrohlich (2015): Familienarbeitszeit: mehr Arbeitszeit für Mütter, mehr Familienzeit für Väter. DIW Wochenbericht Nr. 46, 1095–1103 (online verfügbar).
Die Ergebnisse dieses Berichts belegen einmal mehr, dass die Vorstellung, Sorgearbeit und Vollzeittätigkeit beider Partner würden zusammen funktionieren, schwer zu realisieren ist. Vollzeittätigkeiten sind (bisher) so konzipiert, dass Arbeitnehmende entweder wenig Sorgearbeitsverantwortung tragen dürfen oder diese auf Lebenspartner oder das (öffentliche) Umfeld übertragen. Wenn die Erwerbstätigkeit von Frauen gefördert werden soll, egal ob um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken oder um Ungleichheiten in der finanziellen Lage von Männern und Frauen abzubauen, muss (auch) der Hebel der Sorgearbeit genutzt werden – entweder über eine generelle, von öffentlicher Hand organisierte Entlastung der Haushalte oder durch eine egalitärere innerpartnerschaftliche Aufteilung.
Themen: Gender, Familie, Bildung, Arbeit und Beschäftigung
JEL-Classification: D13;J22
Keywords: Unpaid domestic labor; gainful employment; time use; gender care gap
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-9-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/251416