DIW Wochenbericht 13 / 2022, S. 212
Nicole Wägner, Erich Wittenberg
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Frau Wägner, 2008 wurden in Deutschland die ersten Umweltzonen eingeführt, um die Schadstoffbelastung durch den Autoverkehr zu verringern. Ist eine Umweltzone ein geeignetes Mittel, um die Luftqualität zu verbessern? Heute gibt es 56 aktive Umweltzonen in Deutschland, also gebietsbezogene Fahrbeschränkungen für besonders emissionsintensive Fahrzeuge. Unsere empirischen Analysen zeigen, dass Umweltzonen verkehrsbedingte Luftverschmutzung reduzieren. So sind die Konzentrationen von Feinstaub und Stickstoffdioxid innerhalb der Umweltzonen deutlich gesunken. Allerdings beobachten wir auch unbeabsichtigte Effekte: Die Konzentration von bodennahem Ozon erhöht sich nach Einführung der Umweltzonen, sowohl innerhalb ihrer Grenzen als auch in angrenzenden Gebieten. Das ist potenziell problematisch, denn Ozon ist ein gesundheitsschädigendes Reizgas. Doch insgesamt verbessert sich die Luftqualität innerhalb der Umweltzonen, trotz steigender Ozonwerte.
Wie sind die steigenden Ozonwerte zu erklären? Im Gegensatz zu Feinstaub und Stickstoffdioxid ist Ozon ein Sekundärschadstoff. Ozon wird nicht direkt aus Kraftfahrzeugen emittiert, sondern bildet sich erst durch chemische Interaktion. Es kann daher passieren, dass sich der Ozonwert erhöht, wenn die Stickstoffdioxidkonzentration sinkt. Genau das beobachten wir in den Umweltzonen.
Welche Auswirkung hat das auf die Gesundheit der AnwohnerInnen? Es wurde bereits gezeigt, dass innerhalb von Umweltzonen weniger Krankenhauseinweisungen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen auftreten und AnwohnerInnen weniger für Medikamente ausgeben. Wir konnten jetzt feststellen, dass Befragte, die innerhalb einer Umweltzone wohnen, seltener Bluthochdruck bekommen. Das heißt auch, dass ihr Risiko, später eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln, geringer ist. Das stützt die bisherige Evidenz zu den positiven Gesundheitseffekten von Umweltzonen.
Steigt auch die Lebenszufriedenheit der AnwohnerInnen in den Umweltzonen? Die allgemeine Lebenszufriedenheit der Anwohnenden geht mit Einführung der Umweltzonen temporär zurück und bleibt mehrere Jahre lang verringert. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Umweltzonen mit realen Kosten für die AnwohnerInnen einhergehen. Ihre individuelle Mobilität wird eingeschränkt, sofern ihr Kraftfahrzeug von den Fahrbeschränkungen betroffen ist. Dadurch entstehen Anpassungskosten, beispielsweise durch den Kauf eines saubereren Fahrzeugs oder den Wechsel zu anderen Verkehrsmitteln. Wir beobachten, dass die Lebenszufriedenheit von DieselfahrerInnen stärker abnimmt als im Gesamtdurchschnitt. Das ist vermutlich auf die strengeren Standards für Dieselfahrzeuge zurückzuführen. Jüngere Menschen sind stärker in ihrer Lebenszufriedenheit eingeschränkt, höchst wahrscheinlich weil sie ein höheres Mobilitätsbedürfnis haben als die ältere Bevölkerung.
Inwieweit ließe sich das Konzept der Umweltzone noch verbessern? Das Konzept geht in die richtige Richtung, aber es gibt an einigen Stellen noch Verbesserungspotenzial. So könnten einerseits die negativen Auswirkungen auf die Ozonkonzentration minimiert werden, beispielsweise durch eine Vergrößerung des Geltungsbereichs von Umweltzonen oder durch saisonale Fahrbeschränkungen in den Wintermonaten. Andererseits sollten auch die Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit berücksichtigt werden. Informationskampagnen über die gesundheitlichen Vorteile von Umweltzonen könnten die Akzeptanz dieser Maßnahme erhöhen. Auch könnte der Wechsel vom privaten Pkw zu umweltfreundlichen Alternativen attraktiver gestaltet werden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Wohlbefinden, Verteilung, Verkehr, Umweltmärkte, Gesundheit
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-13-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/252294