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Die Ankündigung der EZB, die Zinsen wahrscheinlich zu erhöhen, war richtig: Interview

DIW Wochenbericht 14 / 2022, S. 226

Alexander Kriwoluzky, Erich Wittenberg

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Herr Kriwoluzky, seit mehreren Monaten steigt die Inflation, und der Krieg in der Ukraine treibt die Energiepreise weiter in die Höhe. Würde eine Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) die Inflation und die Energiepreise senken? Ja. Was wir in unserer Studie betrachten, ist nicht eine Leitzinserhöhung, sondern eine EZB-Politik, die die Zinsen auf einjährige deutsche Staatsanleihen um 0,25 Prozent erhöht. Das ist der normale Zinsschritt, den die EZB in der Regel geht. Wir haben herausgefunden, dass dies die Kraftstoffe um ca. vier Prozent und die Heizkosten um ca. zwei Prozent verbilligen würde. Das ist wesentlich mehr als der gesamte Konsumentenkorb, der sich nur um ca. 0,2 Prozent verbilligen würde.

Wie ist dieser Effekt zu erklären? Oft heißt es, die EZB kann die Tank- und Heizpreise überhaupt nicht beeinflussen. Es wird gesagt, in der Regel dämpft die restriktive Geldpolitik die Nachfrage und dadurch sinken auch die Preise, doch bei Heizenergie und Kraftstoffen ist die Nachfrage inelastisch und verändert sich gar nicht so stark, weil wir im Winter alle heizen müssen und weil wir alle zur Arbeit fahren müssen. Dieses Argument stimmt, aber wir haben jetzt gezeigt, dass die Geldpolitik noch einen anderen Effekt hat: Und zwar führt eine Zinserhöhung zu einer Aufwertung des Euro. Dadurch, dass das Öl weltweit in Dollar gehandelt wird, führt eine Aufwertung des Euro relativ zum Dollar dazu, dass man für die gleiche Summe Euro wesentlich mehr Öl kaufen kann, und diesen Effekt merken die VerbraucherInnen dann auch an der Tanksäule und bei der Heizkostenabrechnung.

Wie lange würde ein solcher Preiseffekt anhalten? Wie bei jeder empirischen Untersuchung wird auch hier die Unsicherheit über die Vorhersagen umso größer, je länger der Zeithorizont ist. Mit aller Vorsicht würde ich sagen, dieser Preiseffekt hält in der Regel ein bis zwei Jahre an. Das ist schon sehr persistent und sehr lange.

Welche Auswirkungen hätte eine Zinserhöhung auf die übrige Wirtschaft und den Arbeitsmarkt? Für die übrige Wirtschaft ist das natürlich nicht gut. Eine Zinserhöhung führt dazu, dass weniger Kredite aufgenommen werden, dass weniger investiert wird und dass weniger langfristige Konsumentenprodukte gekauft werden. Und wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zurückgeht, dann haben wir in der Regel eine schwächere wirtschaftliche Entwicklung und die Arbeitslosigkeit steigt.

Inwieweit steht die EZB damit vor einem Dilemma? Die EZB steht hiermit vor einem sehr großen Dilemma. Der Krieg in der Ukraine führt dazu, dass wir eine hohe Unsicherheit in der Wirtschaft haben und die Nachfrage schwächelt. Auch der Handel mit Russland hat sich stark geschwächt, abgesehen von dem Gas, dass wir noch aus Russland einkaufen. In dieser Situation sollte die Zentralbank eigentlich nicht die Zinsen erhöhen, sondern die Finanzmärkte beruhigen, ausreichend Liquidität zur Verfügung stellen und die Wirtschaft in Schwung bringen. Nun ist die EZB aber gerade mit sehr hohen Inflationsraten konfrontiert, teilweise über vier Prozent im letzten Jahr, mindestens fünf Prozent in diesem Jahr. Das heißt, sie kann eigentlich nur eine falsche Entscheidung treffen, in jede Richtung. Meiner Meinung nach hat die EZB jetzt einen sehr richtigen Schritt getan. Sie hat nämlich im März angekündigt, die Zinsen in diesem Jahr sehr wahrscheinlich zu erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. Das ist richtig, denn das Hauptaugenmerk der EZB muss auf der Bekämpfung der Inflation liegen, das ist ihr primäres Ziel. Alles andere ist auch sehr wichtig, aber die Inflation ist nun einmal das, was die Europäische Zentralbank bekämpfen muss.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Alexander Kriwoluzky
Die Ankündigung der EZB, die Zinsen wahrscheinlich zu erhöhen, war richtig - Interview mit Alexander Kriwoluzky

Alexander Kriwoluzky

Abteilungsleiter in der Abteilung Makroökonomie

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