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Für die Verkehrswende brauchen wir mehr als eine Kaufprämie für E-Autos: Interview

DIW Wochenbericht 15/16 / 2022, S. 239

Aleksandar Zaklan, Erich Wittenberg

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Herr Zaklan, wie hat sich die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos in Deutschland in den vergangenen Jahren entwickelt? Vor dem Jahr 2019 hat sich sehr wenig getan. Beispielsweise wurden im Januar 2019 insgesamt 4614 Elektro-Pkw neu zugelassen, das waren nur zwei Prozent aller Neuzulassungen in diesem Monat. Seit 2020 hat sich das erheblich beschleunigt. Im Dezember 2020 waren es beispielsweise schon etwa 44000 Neuzulassungen von Elektroautos.

Also hat die Erhöhung der Kaufprämie im Jahr 2019 für einen Schub gesorgt? Ja. Die Kaufprämie hat die Zahl der neu zugelassenen Elektroautos erhöht und die der neu zugelassenen Verbrenner-Pkw gesenkt.

In welchen Preisklassen haben die Neuzulassungen bei Elektroautos besonders zugenommen? Wir beobachten ein großes Wachstum insbesondere im Marktsegment bis 40000 Euro. Das ist die Preisklasse, in der die Kaufprämie mit bis zu 9000 Euro pro Fahrzeug am höchsten ist. Der Massenmarkt treibt sozusagen diese Entwicklung.

Ist die Zahl der Neuzulassungen auch bei nicht förderfähigen Fahrzeugen mit einem Preis von über 65 000 Euro gestiegen? Ja, auch diese Zahl ist gestiegen. Wir beobachten bei diesen teureren Elektroautos einen Anstieg um etwa 200 Prozent, seit die Kaufprämie im November 2019 erstmals deutlich erhöht wurde. Das ist erheblich. Allerdings gab es bei den förderfähigen Elektroautos einen weitaus stärkeren Anstieg um etwa 680 Prozent.

Wie stark sinkt die Nachfrage bei Pkw mit Verbrennungsmotor? Wir sehen da eine spiegelbildliche Entwicklung. Unsere Studie zeigt, dass die Zahl der neu zugelassenen Verbrenner-Pkw etwa in einer ähnlichen Größenordnung zurückgeht, wie die Zahl der Elektro-Pkw steigt. Die Prämie verschiebt also das Marktgleichgewicht von den Verbrennern hin zu den Elektroautos.

Inwieweit ist die steigende Nachfrage nach Elektroautos auf die Kaufprämie und inwieweit auf ein gestiegenes Umweltbewusstsein zurückzuführen? Das ist eine sehr wichtige Frage. Seit der Erhöhung der Kaufprämie sind die Zulassungszahlen der nicht geförderten Modelle, für die es also kein Geld vom Staat oder vom Hersteller gibt, trotzdem um 200 Prozent gestiegen. Das heißt, die Gesellschaft scheint bereit zu sein, auch ohne die Förderung in die Elektromobilität zu wechseln. Die Kaufprämie hat dann noch einmal einen zusätzlichen Schub in den geförderten Segmenten ausgelöst.

Laut Koalitionsvertrag sollen bis 2030 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Ist dieses Ziel beim derzeitigen Tempo zu erreichen? Nein, davon sind wir bisher weit entfernt. Für dieses Ziel würden wir rein rechnerisch bis 2030 im Durchschnitt 130 000 neu zugelassene Elektroautos pro Monat brauchen. 2021 waren es etwa 30 000 monatlich. Im Verkehrssektor ist also ein deutlich umfangreicheres klimapolitisches Maßnahmenpaket nötig.

Was müsste weiter getan werden, um den Verkehrssektor klimafreundlicher zu gestalten? Wichtig wäre, langfristige Anreize zu setzen. Zudem sollte man die Verteilungswirkung im Blick behalten. Eine Kaufprämie kommt nur denjenigen zugute, die sich einen Neuwagen oder ein junges gebrauchtes Auto leisten können. Das sind eher die Besserverdienenden. Man müsste die unteren Einkommen ebenso unterstützen. Das könnte beispielsweise durch einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs geschehen, aber auch über weitere Maßnahmen. Zudem sollten Mitnahmeeffekte und umweltschädliche Subventionen für Verbrenner-Pkw abgeschafft und nicht nur Elektroautos gefördert werden.

O-Ton von Aleksandar Zaklan
Für die Verkehrswende brauchen wir mehr als eine Kaufprämie für E-Autos - Interview mit Aleksandar Zaklan

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