Entlastungspakete fangen nur einen Teil der höheren Energiekosten auf: Interview

DIW Wochenbericht 17 / 2022, S. 252

Stefan Bach, Erich Wittenberg

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Herr Bach, der Krieg in der Ukraine hat die Energiepreise in ungeahnte Höhen schnellen lassen. Wie stark sind die Preisanstiege? Die Kraftstoffpreise liegen bei rund zwei Euro je Liter an der Tankstelle. Das ist ein Anstieg von ungefähr 30 bis 50 Prozent gegenüber dem, was wir in den vergangenen Jahren gewohnt waren. Bei den Heizstoffen hingegen sehen wir bisher nur einen geringen Anstieg, aber da kann man davon ausgehen, dass sich die Kosten mittelfristig verdoppeln werden, wenn das hohe Energiepreisniveau anhält.

Wie lange werden wir mit diesem erhöhten Preisniveau leben müssen? Voraussichtlich werden die Energiepreise noch die nächsten Monate bis Jahre hoch bleiben. Das hängt von der militärischen und politischen Entwicklung des Ukraine-Konfliktes ab. Aber wir haben ja ohnehin vor, die fossilen Energieimporte aus Russland zu verringern. Das wird in jedem Fall ein erhöhtes Preisniveau mit sich bringen und wenn es zu einem Gas- und Energieembargo gegenüber Russland kommt, dann werden die Preise nochmals deutlich steigen.

Welche Haushalte werden durch die gestiegenen Energiepreise am stärksten belastet? Energie gehört zum Grundbedarf, daher geben Haushalte mit geringem Einkommen relativ viel von ihrem Konsumbudget dafür aus. Das führt dazu, dass gerade Haushalte mit geringeren Einkommen sehr stark von den Energiepreiserhöhungen betroffen sind.

Wie hoch sind die realen Einkommensverluste? Mittelfristig, wenn sich auch die Heizkosten verteuert haben, rechnen wir mit durchschnittlichen Realeinkommensverlusten der privaten Haushalte von 3,4 Prozent. Bei den niedrigen Einkommen macht das aber bis zu sieben Prozent des Einkommens aus, in den Mittelschichten hingegen nur vier Prozent und bei den HochverdienerInnen unter zwei Prozent.

Inwieweit wirken die Entlastungspakete der Ampel-Koalition? Dadurch, dass Sozialleistungen erhöht werden und die Energiepreispauschale eingeführt wird, die mit höherem Einkommen abgeschmolzen wird, haben die Entlastungspakete einen Schwerpunkt auf die unteren und mittleren Einkommensgruppen. Trotzdem gibt es natürlich auch Entlastungen für die hohen Einkommen, sie profitieren beispielsweise von der Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Diese Energiesteuersenkung ist insofern problematisch, als sie die Sparanreize reduziert und auch VielfahrerInnen mit großen Autos und hohen Einkommen entlastet.

Es ist auch ein sogenanntes Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr geplant. Wie beurteilen Sie diese Maßnahme? Die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs ist schon sinnvoll, allerdings ist sie wohl zu weitgehend, weil sie sehr hohe Mitnahmeeffekte bei den BestandskundInnen mit sich bringt. Besser wäre es, wenn man die Betriebskostenerhöhungen für Energie auffangen und ein Anreizprogramm für NeukundInnen auflegen würde.

Wie hoch ist die Gesamtbelastung der Haushalte durch die hohen Energiepreise, wenn man die Wirkung der Entlastungspakete mit berücksichtigt? Die Entlastungspakete fangen mittelfristig nur einen Teil der Kosten auf. Wir rechnen mit einer Nettobelastung aller privaten Haushalte von durchschnittlich gut zwei Prozent, bei den Niedrigverdienenden ist die Belastung mit drei Prozent noch größer. Es gibt also durchaus noch Handlungsbedarf für die Politik, wenn die hohen Energiepreise wie zu erwarten anhalten werden. Künftige Entlastungspakete sollten stärker auf die Geringverdienenden konzentriert werden, insbesondere über höhere Sozialleistungen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Stefan Bach
Entlastungspakete fangen nur einen Teil der höheren Energiekosten auf - Interview mit Stefan Bach

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

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