DIW Wochenbericht 19 / 2022, S. 281
Katharina Wrohlich, Erich Wittenberg
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Frau Wrohlich, der Gender Pay Gap ist ein bekanntes Maß, das die unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern darstellt. Es gibt aber noch viele weitere Bereiche, in denen Frauen nicht den gleichen Zugang zu finanziellen Ressourcen haben wie Männer. Welche sind das? Der Gender Pay Gap ist das bekannteste Beispiel für die Ungleichheit beim Zugang zu finanziellen Ressourcen und hat auch große Auswirkungen auf das gesamte Lebenseinkommen und auch auf das Alterseinkommen, Stichwort Gender Pension Gap. Wir sehen geschlechtsspezifische Unterschiede aber auch in anderen Bereichen, beispielsweise bei finanziellen Zuwendungen von Eltern an ihre Kinder, etwa in Form von Schenkungen oder Erbschaften. Typischerweise erben Frauen weniger als Männer.
In den vergangenen Jahren wurde immer wieder darüber berichtet, dass Mädchen weniger Taschengeld bekommen als Jungen. Auf welche Quellen beziehen sich diese Berichte? Ja, da gab es immer mal wieder Medienberichte, die sich hauptsächlich auf Umfragen bezogen, die im Auftrag von Banken vorgenommen wurden.
Können Sie den Gender Gap beim Taschengeld anhand Ihrer Daten bestätigen? Nein, wir können das nicht bestätigen. Wir haben für unsere Analyse bevölkerungsrepräsentative Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet und aufgrund dieser Auswertung kommen wir zu dem Ergebnis, dass es im Durchschnitt keinen Gender Gap beim Taschengeld in Deutschland gibt.
Wieviel Taschengeld geben denn Eltern ihren Kindern überhaupt und wie hat sich diese Summe in den letzten Jahren entwickelt? Die Höhe des monatlichen Taschengeldes hängt vom Alter ab. Wir sehen, dass sieben bis zehn Jahre alte Kinder rund 13 Euro Taschengeld im Monat bekommen, bei den Elf- bis 15-Jährigen waren es ungefähr 25 Euro pro Monat und bei den 16- bis 19-Jährigen gut 53 Euro pro Monat. Aber für keines der vergangenen 20 Jahre konnten wir einen Gender Gap beim Taschengeld feststellen. Interessant ist, wie das durchschnittliche Taschengeld generell gestiegen ist. Da lief die Entwicklung nahezu parallel zu den Reallöhnen. Von 2000 bis 2012 hat sich die durchschnittliche Höhe des Taschengeldes im Prinzip nicht verändert – ab 2012 sehen wir dann einen deutlichen Anstieg.
Gibt es abgesehen vom Durchschnitt bestimmte Gruppen, in denen ein Gender Gap beim Taschengeld feststellbar ist? Im Grunde nicht. Wir haben uns verschiedene Altersgruppen von Kindern und Jugendlichen angeschaut, wir haben uns angeschaut, ob es Unterschiede nach der Höhe des Einkommens der Eltern gibt, und wir haben uns als drittes Merkmal noch angeschaut, ob es möglicherweise einen Unterschied macht, ob in der Familie der Mann oder die Frau das letzte Wort in finanziellen Angelegenheiten hat. Doch ein Gender Gap beim Taschengeld ergibt sich dabei nicht.
Obwohl Frauen in vielen Bereichen finanziell schlechter gestellt werden als Männer, scheint das in der Erziehung der Kinder nicht der Fall zu sein. Wie beurteilen und erklären Sie diesen Gegensatz? Wir stellen fest, dass Eltern in Deutschland offenbar der Ansicht sind, dass ihren Söhnen genau das gleiche Taschengeld zusteht wie ihren Töchtern. Das ist auf jeden Fall eine gute Nachricht und durchaus bemerkenswert, weil wir aus vielen verhaltensökonomischen Studien wissen, dass es im Erwachsenenalter sehr wohl geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Viele Leute sind der Ansicht, dass Frauen sich mit weniger ökonomischen Ressourcen zufriedengeben sollen als Männer, und vor diesem Hintergrund ist es eine besonders erfreuliche Nachricht, dass das aber offenbar auf Kinder nicht zutrifft.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verteilung, Gender, Familie, Bildung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-19-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/259569