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Bei der Integration Geflüchteter ist die Förderung der Sprachkompetenz zentral: Interview

DIW Wochenbericht 20 / 2022, S. 295

Alexander S. Kritikos, Erich Wittenberg

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Herr Kritikos, seit 2015 hat ein große Zahl Geflüchteter Deutschland erreicht. Wie viele dieser Menschen haben in Deutschland Arbeit gefunden und wie viele deutsche Unternehmen haben Geflüchtete eingestellt? Seit 2015 sind 2,1 Millionen Menschen als Geflüchtete nach Deutschland gekommen und es gab die Befürchtung, dass viele von ihnen nicht in Lohn und Brot gebracht werden können. Insofern ist es bemerkenswert, dass seitdem rund 40 Prozent der Geflüchteten eine sozialversicherungspflichtig abhängige Beschäftigung gefunden haben. Ungefähr ein Viertel aller Unternehmen in Deutschland hat Geflüchtete eingestellt.

Welche Erfahrungen haben diese Unternehmen mit Geflüchteten gemacht? Nach einer längeren Einarbeitungsphase überwiegen bei vielen Unternehmen die positiven Erfahrungen. Geflüchtete tragen positiv zum Betriebsklima bei, weil sie häufig andere Formen von Arbeits- und Herangehensweisen und damit auch eine gewisse Kreativität mitbringen. Sie schauen anders auf Probleme und das hilft wiederum den Unternehmen. Insgesamt sind die Unternehmen mit den Einstellungen der Geflüchteten zufrieden und berichten auch davon, dass die Produktivität gestiegen ist. Zudem können sie auch als Arbeitgeber signalisieren, dass sie sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind, sich um Geflüchtete gekümmert und sie integriert haben.

Vor welchen Herausforderungen stehen die Unternehmen dabei? Eine Hürde ist das Sprachproblem, vor allem auch das Erlernen der richtigen Fachbegriffe. Das zweite ist die Frage, wie identifiziere ich geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere wie stelle ich sicher, dass sie die Mindestqualifikationen für einen spezifischen Job mitbringen. Die Unternehmen müssen wissen, welche Qualifikationen die Geflüchteten haben, die vielleicht ganz anderen Anforderungen genügen.. Drittens ist es wichtig, eine Brücke zu schlagen zwischen den Qualifikationen, die sie mitbringen und dem Qualifikationsniveau, das das Unternehmen braucht, indem man Weiterqualifizierungen im Unternehmen anbietet.

Wie begegnen die Unternehmen diesen Herausforderungen? Es gibt mehrere Instrumente, mit denen die Unternehmen diesen Herausforderungen begegnen. Von den staatlichen Angeboten werden der sogenannte Arbeitgeberservice und der Eingliederungszuschuss genutzt, sowie verschiedene Vermittlungsinstrumente. Viele Unternehmen haben auch private Angebote weiterentwickelt, die sich etwa um die Sprachkompetenz kümmern. Ein weiteres ganz wichtiges Instrument ist die sogenannte Probearbeit, in der man, wenn es keine Qualifikationsabschlüsse gibt, in einer Art Probephase noch vor Vertragsabschluss prüft, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten die Menschen mitbringen.

Wie vielen Geflüchteten gelingt es, sich selbstständig zu machen? Wir beobachten, dass bis heute nur rund ein Prozent der Geflüchteten sich in Deutschland selbstständig gemacht haben. Das ist verlorenes Potenzial, denn wir wissen, dass es in den Ländern, aus denen diese Menschen kommen, eine sehr viel höhere Selbstständigenquote als in Deutschland gibt. Wir sprechen da von 25 bis 30 Prozent, in Deutschland liegt diese Quote eher bei 10 Prozent.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse in Bezug auf die vielen Menschen, die aktuell aus der Ukraine nach Deutschland flüchten? Wir müssen uns auf diesen aktuellen Flüchtlingsstrom geplanter vorbereiten und die vielfältigen Angebote, die es gibt, um diesen Integrationsprozess zu starten, besser aufeinander abstimmen und stärken. Dabei ist die Förderung von Sprachkompetenz das zentrale Element. Wir müssen uns auch klarmachen, dass das Profil der Geflüchteten dieses Mal ein anderes sein wird als im Jahr 2015.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Alexander S. Kritikos
Bei der Integration Geflüchteter ist die Förderung der Sprachkompetenz zentral - Interview mit Alexander S. Kritikos

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