DIW Wochenbericht 21 / 2022, S. 306
Pia Hüttl, Erich Wittenberg
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Frau Hüttl, die EU hat wegen des Angriffs Russlands auf die Ukraine Sanktionen gegen mehr als 40 russische OligarchInnen verhängt. Mit welchen Maßnahmen müssen diese Personen rechnen? Die Personen auf dieser EU-Sanktionsliste müssen damit rechnen, dass ihre Vermögenswerte eingefroren werden. Dazu zählen Jachten, Häuser, Apartments oder Kunstobjekte. Man darf dann mit diesen Personen auch nicht mehr handeln, es können keine Geschäfte mehr getätigt werden und man darf diesen Personen kein Geld mehr für Waren oder Gehälter auszahlen.
Wie wirken sich diese Sanktionen auf die Aktienrenditen der Unternehmen aus, in denen sanktionierte russische OligarchInnen im Vorstand sind? In unserer Studie finden wir heraus, dass die von sanktionierten OligarchInnen geführten Unternehmen im Vergleich zu Unternehmen, die von OligarchInnen geführt werden, die nicht sanktioniert wurden, besonders stark an Wert verlieren. Deshalb kommen wir zu dem Schluss, dass der Aktienmarkt auf die Ankündigung dieser Sanktionen deutlich reagiert hat.
Wie stellt sich die wirtschaftliche Lage der Unternehmen dar, in deren Vorständen nicht sanktionierte OligarchInnen sitzen? Die OligarchInnen, die auf der Sanktionsliste stehen, haben eine Verbindung zum Kreml. Aber es gibt auch OligarchInnen, die weniger mit der Politik verbunden sind und deshalb auch nicht sanktioniert wurden. Das ist unsere Kontrollgruppe, die wir in unserer Analyse verwendet haben. Bei diesen Unternehmen, die von nicht sanktionierten OligarchInnen geführt werden, sieht man nach der Ankündigung von Sanktionen ebenfalls einen Kursverlust, nur fällt dieser geringer aus.
Warum hat es überhaupt einen Effekt auf den Wert eines Unternehmens, wenn eine Person im Vorstand sanktioniert wird? Es gibt eine Studie, die zeigt, dass Vorstandsmitglieder mit politischen Verbindungen für Firmen einen positiven Wert haben. Umgekehrt könnte man auch sagen, dass Sanktionen einen negativen Effekt haben, weil der politische Mehrwert dieser OligarchInnen durch die Sanktionen wegbricht. Ein zweiter Grund wäre der sogenannte Stigmaeffekt. Als Investor hat man rechtliche und wirtschaftliche Unsicherheiten im Umgang mit Unternehmen, in deren Vorstand sanktionierte OligarchInnen sind. Darum könnten InvestorInnen davor zurückschrecken, mit diesen Unternehmen weiterhin Geschäfte zu machen.
Wie langfristig sind die Effekte durch die Sanktionen gegen OligarchInnen? In unserer Studie befassen wir uns mit der unmittelbaren Reaktion der Aktienmärkte nach Ankündigung einer Sanktion. Deshalb können wir jetzt noch nicht viel zu den langfristigen Wirkungen sagen. Langfristig müsste man sich dann Bilanzdaten von diesen Unternehmen anschauen, die uns aber noch nicht zur Verfügung stehen.
Die Umsetzung der Sanktionen gestaltete sich bislang schwierig und je nach EU-Land unterschiedlich schnell. Was müsste getan werden, um Sanktionen noch wirksamer zu machen? Das stimmt, in Deutschland geht es etwas langsamer voran als in Italien zum Beispiel. Prinzipiell könnte man die Liste mit sanktionierten OligarchInnen erweitern, denn wir konnten in unserer Studie ja zeigen, dass die Märkte auf die Sanktionen reagieren. Zudem könnte man versuchen, die einzelnen Sanktionslisten zu vereinheitlichen. Zum Beispiel gibt es in Großbritannien eine andere Sanktionsliste als in der EU und dadurch ergeben sich Schlupflöcher, die derzeit noch genutzt werden können. Es untergräbt die Logik einer Sanktion, wenn man nicht erklären kann, warum eine bestimmte Person auf der einen Liste steht, aber nicht auf der anderen. Deshalb wäre unser Vorschlag, diese Sanktionslisten zu harmonisieren.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Ungleichheit, Europa
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-21-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/259575