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Mit Solarenergie und Wärmepumpen Ergasabhängigkeit verringern: Interview

DIW Wochenbericht 22 / 2022, S. 321

Wolf-Peter Schill, Erich Wittenberg

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Herr Schill, inwieweit und in welchen Bereichen ist der Einsatz von Wärmepumpen geeignet, den Erdgasverbrauch und damit auch die Abhängigkeit von russischen Importen zu verringern? Grundsätzlich sind Wärmepumpen hervorragend geeignet, Erdgasheizungen zu ersetzen. Wärmepumpen ermöglichen es, Raumwärme mit erneuerbaren Energien bereitzustellen, also aus erneuerbarer Umweltwärme, aus der Luft oder aus dem Erdreich.

Am DIW Berlin wurde ein Open-Source-Stromsektormodell entwickelt, mit dem Sie verschiedene Szenarien zum Ausbau von Wärmepumpen durchgerechnet haben. Wie hoch ist der Ausbaubedarf, wenn der Erdgasverbrauch nennenswert gesenkt werden soll? Wir haben uns verschiedene Szenarien für das Jahr 2030 angeschaut, und im ambitioniertesten dieser Szenarien werden knapp sechs Millionen zusätzliche Wärmepumpen bis zum Jahr 2030 installiert. Das erfordert dann auch einen zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Wärmepumpen werden mit Strom betrieben. Wie groß ist der zusätzliche Bedarf an Strom, wenn die Zahl der Wärmepumpen stark ansteigt und wie soll die zusätzliche Nachfrage gedeckt werden? Im ambitioniertesten Szenario, dass wir uns angeschaut haben, steigt der Stromverbrauch im Jahr 2030 durch Wärmepumpen um ungefähr neun Prozent. Diese zusätzliche Nachfrage kann auf verschiedene Arten gedeckt werden. Unter Basisannahmen ist das die Solarenergie, weil wir annehmen, dass die bis dahin praktisch unbegrenzt zugebaut werden kann. Die zusätzliche Stromnachfrage könnte sogar noch besser durch die Windenergie gedeckt werden, da sie ein saisonales Profil hat, das sehr gut zur Wärmepumpe passt. Wir gehen aber davon aus, dass die Windenergie bis zum Jahr 2030 nicht beliebig erweitert werden kann.

Aktuell könnte dieser Strombedarf nicht gedeckt werden? Aktuell könnte dieser Strombedarf grundsätzlich auch von dem Kraftwerkspark, den wir haben, gedeckt werden, aber richtig sinnvoll sind Wärmepumpen erst dann, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien kommt. Deswegen brauchen wir einen zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Energien.

Was bedeutet das für die Stromerzeugungskosten? Grundsätzlich steigen die Stromerzeugungskosten. Im Modell betrachten wir die Stromsektorkosten, das sind im Grunde die Kosten der gesamten Stromerzeugung, und die steigen natürlich mit der Stromnachfrage ebenfalls an.

Wie stark? Die steigen relativ moderat. Interessant ist aber eigentlich der Gesamtkosteneffekt. Wenn wir diese zusätzlichen Stromkosten mit den eingesparten Kosten für das Erdgas, das die Erdgasheizungen brauchen, verrechnen, dann ergibt sich unter Basisannahmen nur noch eine ganz leichte Kostensteigerung. Und wenn wir davon ausgehen, dass Erdgas dauerhaft deutlich teurer bleibt als es das historisch war, dann ergeben sich sogar recht deutliche Gesamtkosteneinsparungen.

Wie viel Erdgas könnte eingespart werden? In unserem ambitioniertesten Szenario sind das im Jahr 2030 ungefähr 15 Prozent der heutigen Erdgasimporte aus Russland, die sich durch Wärmepumpen einsparen ließen.

Was müsste die Politik tun, um das Energiesystem unter Nutzung von Wärmepumpen umzugestalten? Der wichtigste Punkt ist sicherlich der zusätzliche Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir dürfen nicht so tun, als würde der Stromsektor so klein bleiben, wie er das bisher war. Wir brauchen in Zukunft mehr erneuerbaren Strom: für Wärmepumpen, aber auch für Elektrofahrzeuge und grünen Wasserstoff, also für alles was unter den Begriff Sektorenkopplung fällt. Das hat die Politik aber schon erkannt und viele aktuelle Szenarien berücksichtigen auch diesen zusätzlichen Stromverbrauch.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Wolf-Peter Schill
Mit Solarenergie und Wärmepumpen Erdgasabhängigkeit verringern - Interview mit Wolf-Peter Schill

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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