DIW Wochenbericht 23 / 2022, S. 342
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Mit Einführung des Tankrabatts am 1. Juni war die Spannung groß: Würden die Tankstellen die Steuermäßigungen von 35 Cent pro Liter Benzin und 17 Cent pro Liter Diesel an die VerbraucherInnen weitergeben? Immerhin konnten die Tankstellen diese verbilligten Kraftstoffe erst ab 1. Juni kaufen, da die Steuersenkung zuerst bei den Mineralölkonzernen und den Raffinerien ankommt, wo die Produkte Benzin und Diesel gefertigt werden. Einige Tankstellen müssen zunächst aber den teureren Sprit verkaufen, den sie in den vergangenen Wochen schon erworben haben. Mit einer verzögerten Weitergabe war also zu rechnen.
Die Überraschung war groß, als am Mittwoch doch schon an vielen Tankstellen die Preise spürbar purzelten. Inzwischen ist die Ersparnis für VerbraucherInnen aber auch schon wieder zusammengeschnurrt. Dass durch den Tankrabatt die Spritpreise für die kommenden drei Monate im Umfang der Steuersenkung nachgeben, ist ohnehin eher Wunschdenken. Zum einen, weil die Ölpreise nach dem kürzlich von der EU beschlossenen Ölembargo wieder steigen dürften und damit die Wirkung des Tankrabatts reduzieren oder sogar komplett auffressen werden.
Aber noch wichtiger: Diese Steuersenkung wird ohnehin nur teilweise weitergegeben, da die Raffinerien einen Teil als extra Gewinnmarge einbehalten. Das ist kein böswilliges Verhalten, sondern das Ergebnis der Marktstruktur, wie wir sie in Deutschland haben. Es gibt nur zwölf Raffinerien hierzulande und davon sind die meisten im Besitz oder verflochten mit den Mineralölkonzernen. Diese Konstellation gibt den Raffinerien die Marktmacht, die Preise zu bestimmen, was wiederum zu einer unvollständigen Weitergabe von Kostensenkungen führt.
Es lässt sich sogar sehr gut abschätzen, wie der Tankrabatt anteilig weitergegeben wird. Am Beispiel der im Jahr 2020 wegen der Corona-Krise eingeführten Mehrwertsteuersenkung haben KollegInnen der Ludwig-Maximilian-Universität in München kürzlich analysiert, wie viel von dieser Senkung – die ganz ähnlich zu dem heutigen Tankrabatt aussieht – damals an die VerbraucherInnen an den Tankstellen weitergegeben wurde: im Durchschnitt nur zwei Drittel. Damit mindestens diese Teilweitergabe des Tankrabatts passiert, ist es auch sehr zu begrüßen, dass sich das Bundeskartellamt die Entwicklungen am Markt – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette – genau anschaut. Während der Tankstellenmarkt dank der sogenannten Markttransparenzstelle sehr gut beobachtet werden kann, ist es viel schwieriger, das Preissetzungsverhalten der Mineralölkonzerne und Raffinerien unter die Lupe zu nehmen. Deswegen hat das Bundeskartellamt in den letzten Wochen eine Ad-hoc-Sektoruntersuchung eingeleitet.
Allerdings kann das Bundeskartellamt auch nicht viel mehr tun, als den Ölkonzernen und Raffinerien „unangenehme Fragen zu stellen“. Nur wenn das Amt einen möglichen Missbrauch oder eine Preisabsprache erkennt, könnte es ein Verfahren einleiten. Da aber Kraftstoffanbieter bei der Preissetzung grundsätzlich frei sind und bei den sehr schwankenden Ölpreisen eine Weitergabe schwierig zu messen und zu prüfen ist, ist ein solcher Schritt nicht unbedingt zu erwarten.
Das Fazit des Tankrabatts fällt ernüchternd aus: Er wird die öffentlichen Kassen teuer zu stehen kommen – geschätzt 3,15 Milliarden Euro –, wird aber nicht diejenigen erreichen, die es am meisten brauchen, nämlich die ärmeren Einkommensschichten. Der Tankrabatt entlastet eher wohlhabende Haushalte, die viel mit großen spritfressenden Autos fahren, und weniger die Niedriglohn verdienende Pflegekraft mit ihrem Kleinwagen. Zudem ist der Tankrabatt das absolute falsche Signal während einer Klimakrise. Die Leute sollen weniger Auto fahren statt mehr. Auch wenn die dramatische Situation schnelle politische Maßnahmen erfordert, ist der einfachste und schnelle Weg fast nie der beste – auch in diesem Fall nicht. Andere Instrumente, wie direkte Transferleistungen und zielgerichtete Steuerentlastungen für ärmere und bedürftigere Haushalte, wären günstiger und effektiver gewesen.
Der Kommentar ist in einer etwas längeren Fassung am 1. Juni 2022 bei Tagesspiegel.de erschienen.
Themen: Verteilung, Verkehr, Steuern, Energiewirtschaft
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-23-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/260558