DIW Wochenbericht 25/26 / 2022, S. 359-365
Tomaso Duso, Alexander Schiersch
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„Zwischen der Verfügbarkeit von Breitband und der Produktivität von Unternehmen gibt es einen kausalen Zusammenhang. Der durchschnittliche Zuwachs der Breitbandverfügbarkeit von 38 Prozentpunkten im Zeitraum 2010 bis 2015 führte zu einem Produktivitätswachstum von 0,8 bis 6,8 Prozent, je nach Wirtschaftszweig.“ Alexander Schiersch
In der Diskussion über die staatliche Förderung des Breitbandausbaus wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob und in welchem Umfang Unternehmen von neuen Netzen profitieren. Empirische Analysen auf Grundlage von Unternehmensdaten und Daten zur Breitbandverfügbarkeit in Deutschland zeigen, dass ein Teil der Unternehmen im Untersuchungszeitraum (2010 bis 2015) vom Breitbandausbau profitiert hat. Vor allem Dienstleistungsunternehmen konnten ihre Produktivität erhöhen. Die Stärke der Effekte unterscheidet sich aber deutlich zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen. Wichtig sind außerdem möglichst geringe Entfernungen zwischen den Endpunkten des Glasfasernetzes und den Breitbandnutzern. Nur dann lassen sich positive Effekte sicherstellen. Die Ergebnisse der Untersuchung unterstützen den wirtschaftspolitischen Ansatz, den Ausbau der Breitbandversorgung zu fördern, da er die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit ihre Überlebensfähigkeit verbessert.
Die Digitalisierung hat mittlerweile weite Bereiche der Wirtschaft erfasst. Vor sechs Jahren setzten nur rund 15 Prozent der deutschen Unternehmen auf Cloud-Lösungen. Heute sind es schon weit mehr als 40 Prozent und der Anteil wird schnell auf mehr als zwei Drittel der Unternehmen steigen, so wie bereits jetzt in Finnland oder Schweden.OECD Broadband Portal (online verfügbar, abgerufen am 17.06.2022. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Weitere Beispiele sind die fortschreitende Automatisierung und Vernetzung der Produktion über Unternehmen hinweg (Industrie 4.0) oder der zunehmende Einsatz von Robotern auch bei Dienstleistungen.
Essenziell für den Erfolg der Digitalisierung und damit für die weitere Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sind leistungsfähige und moderne Breitbandnetze. Sie stehen am Anfang aller neuen digitalen Lösungen und Geschäftsmodelle und sind für Volkswirtschaften so unverzichtbar wie eine moderne Verkehrsinfrastruktur oder leistungsfähige Energienetze.
Der Ausbau der Netze und die Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit wird in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern durch den Staat gefördert.Für eine Analyse der Auswirkungen staatlicher Breitbandförderung siehe Tomaso Duso, Mattia Nardotto und Jo Seldeslachts (2018): Ausbau der deutschen Grundbreitbandversorgung: Lehren aus der Vergangenheit mahnen zur Besonnenheit, DIW Wochenbericht Nr. 25, 543–551 (online verfügbar). In den damit einhergehenden Diskussionen wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob und in welchem Umfang Unternehmen von der Einführung neuer Übertragungstechnologien profitieren.
Um dieser Frage nachzugehen, wird ein zurückliegender Technologiesprung, die Erweiterung von Breitbandanschlüssen in den Jahren 2010 bis 2015, mit dem Ziel untersucht, aus den resultierenden Veränderungen Rückschlüsse für den jetzigen Breitbandausbau zu ziehen.Derzeit geht es darum, Glasfaseranschlüsse bis in die Wohnung oder ins Gebäude zu verlegen, das sogenannte fibre to the home beziehungsweise fibre to the basement, da damit Übertragungsgeschwindigkeiten von 1000 Mbit/s erreicht werden.
Die Analyse betrachtet den Ausbau von Breitband mit einer Übertragungsrate bis zu 16 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Da Downloadraten von 16 Mbit/s im betrachteten Zeitraum (2010 bis 2015) in erster Linie durch ADSL2+ erreicht werden konnten,ADSL2+ steht für Extended bandwidth Asymmetric Digital Subscriber Line 2 (ADSL2+) und ist die technische Weiterentwicklung von ADSL2. Es erlaubt technisch eine maximale Datenübertragung von 24 Mbit/s im Download. Allerdings wurden in Deutschland standardmäßig 16 Mbit/s durch die Netzbetreiber angeboten. wird in der Analyse die Verfügbarkeit von 16 Mbit/s Übertragungsgeschwindigkeiten mit der Verwendung von ADSL2+ gleichgesetzt und synonym verwendet.Obschon diese Technologie bereits Mitte der 2000er-Jahre entwickelt wurde, nahm die tatsächliche Verfügbarkeit in Deutschland erst ab etwa 2010 an Fahrt auf (Abbildung 1). Die neue Technologie ersetzte ADSL und ältere Technologien, welche Übertragungsraten von nur einem Mbit/s bis maximal zehn Mbit/s zuließen. Die beobachtete Umstellung ist damit gleichbedeutend mit einer Steigerung der Übertragungsraten um das 1,6- bis 16-Fache. Mit Hilfe empirischer Verfahren wird überprüft, ob die steigende Verfügbarkeit des deutlich leistungsfähigeren ADSL2+ mit einer Erhöhung der Bruttowertschöpfung der Unternehmen einherging.Die Bruttowertschöpfung eines Unternehmens misst den Mehrwert der im Produktionsprozess erzeugten Güter und Dienstleistungen. Sie berechnet sich als Summe aus Umsatz, Bestandsveränderungen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen und selbsterstellten Anlagen abzüglich erworbener Vorleistungen. Im Folgenden werden Bruttowertschöpfung und Wertschöpfung synonym verwendet. Ferner wird untersucht, ob der Ausbau von ADSL2+ zu Produktivitätssteigerungen geführt hat.Als Maß für die Produktivität wird die Totale Faktorproduktivität (TFP) verwendet, die ein Indikator für die Effizienz des Faktoreinsatzes in der Produktion ist. Siehe auch DIW Glossar: Totale Faktorproduktivität (online verfügbar). Die hier dargestellten Ergebnisse basieren auf Tomaso Duso, Mattia Nardotto und Alexander Schiersch (2022): Broadband and Productivity: Structural Estimates for Germany. DIW Discussion Paper Nr. 1988 (online verfügbar). Das Diskussionspapier ist im Rahmen des Projektes Entwicklung und Messung der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland entstanden, welches im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima durchgeführt wird (online verfügbar).
Die Analyse nutzt die Daten des Breitbandatlas zur Verfügbarkeit von 16 Mbit/s im Zeitraum 2010 bis 2015 in mehr als 8000 Gemeinden aus sieben westdeutschen Bundesländern.Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Breitbandatlas (online verfügbar). Bei den Bundesländern handelt es sich um Schleswig-Holstein, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Auch wenn die Untersuchung nicht auf Beobachtungen für ganz Deutschland basiert, deckt der Datensatz den Großteil der wirtschaftlich relevanten Regionen ab, die im Beobachtungszeitraum zusammen etwa 80 Prozent des deutschen BIP erwirtschafteten.
Zu Beginn der Beobachtungsperiode war die durchschnittliche Verfügbarkeit von ADSL2+ vergleichsweise überschaubar. Sie lag im Jahr 2010 im Mittel und über alle Gemeinden hinweg zwischen rund elf Prozent in Schleswig-Holstein und 32 Prozent in Nordrhein-Westfalen (Abbildung 1). Die Verfügbarkeit stieg in den folgenden Jahren deutlich an und erreichte 2015 in Hessen im Durchschnitt 68 Prozent und 32 Prozent in Schleswig-Holstein. Die Untersuchung erfasst damit einen Zeitraum, in dem die neue Technologie relativ schnell ausgerollt wurde.
Obschon der Trend im Allgemeinen positiv ist, gibt es nicht nur deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern, sondern auch eine erhebliche Heterogenität innerhalb der Bundesländer (Tabelle 1).
In Prozent
Bundesland | Jahr | 1. Quartil | Median | 3. Quartil |
---|---|---|---|---|
Schleswig-Holstein | 2010 | 0 | 0 | 17 |
2015 | 2 | 9 | 66 | |
Niedersachsen | 2010 | 0 | 9 | 24 |
2015 | 35 | 64 | 86 | |
Nordrhein-Westfalen | 2010 | 15 | 30 | 44 |
2015 | 41 | 70 | 88 | |
Hessen | 2010 | 7 | 17,5 | 37 |
2015 | 38 | 84 | 97 | |
Rheinland-Pfalz | 2010 | 0 | 0 | 3 |
2015 | 4 | 65 | 93 | |
Baden-Württemberg | 2010 | 0 | 16 | 36 |
2015 | 28 | 59,5 | 90,5 | |
Bayern | 2010 | 0 | 12 | 29 |
2015 | 36 | 67 | 92 |
Anmerkungen: Der Wert für das 1. Quartil gibt an, wie groß die prozentuale Verfügbarkeit von ADSL2+ Anschlüssen im unteren Viertel der Verteilung maximal ist. Der Medianwert ist so zu interpretieren, dass in der Hälfte der Gemeinden eine geringere Verfügbarkeit und in der übrigen Hälfte eine höhere prozentuale Abdeckung mit ADSL2+ gegeben ist. Das dritte Quartil gibt an, dass in einem Viertel der Gemeinden die angegebene oder eine höhere Verfügbarkeit vorhanden ist.
Lesehilfe: Die Verfügbarkeit von Anschlüssen mit ADSL2+ Technologie lag 2015 in einem Viertel der rheinland-pfälzischen Gemeinden bei vier Prozent oder darunter (1. Quartil).
Quelle: Breitbandatlas, eigene Berechnungen.
Die statistischen Kennzahlen verdeutlichen zum einen, dass ADSL2+ zu Beginn der Beobachtungsperiode in den Gemeinden vieler Bundesländer kaum vorhanden war (Tabelle 1). So gab es im Jahr 2010 in der Hälfte (Median) der rheinland-pfälzischen Gemeinden keinerlei Netze mit ADSL2+ Technologie. Da in einem weiteren Viertel der Gemeinden die Verfügbarkeit nur zwischen null und drei Prozent der Anschlüsse lag (Median bis drittes Quartil), ergibt sich, dass in drei Viertel der rheinland-pfälzischen Gemeinden im Jahr 2010 faktisch keine Netze mit ADSL2+ Technologie vorhanden waren. Am weitesten fortgeschritten war die Einführung im gleichen Jahr in Nordrhein-Westfalen, wo die Verfügbarkeit von ADSL2+ bei einem Viertel der Gemeinden zwischen 15 und 30 Prozent lag und in einem weiteren Viertel der Gemeinden sogar bei 44 Prozent und mehr. Dies zeigt, dass die Einführung dieser Technologie in den Bundesländern sehr unterschiedlich vonstattenging.
Auch am Ende der Beobachtungsperiode ist die Heterogenität weiterhin sehr groß. Beispielsweise lag die Verfügbarkeit von ADSL2+ in einem Viertel der rheinland-pfälzischen Gemeinden im Jahr 2015 nur bei vier Prozent oder weniger (erstes Quartil). Zeitgleich waren in genauso vielen Gemeinden 93 Prozent und mehr der Anschlüsse mit der neuen Technologie ausgestattet (drittes Quartil). Eine ähnlich ausgeprägte Heterogenität findet sich in den übrigen Bundesländern.
Zusammenfassend zeigt sich, dass es eine sehr geringe Verbreitung von ADSL2+ zu Beginn des Beobachtungszeitraums gab, welche im Zeitablauf stetig zunahm, ohne jedoch ADSL2+ in allen Gemeinden zur dominierenden Technologie gegenüber älteren Alternativen zu machen. Für die weitere empirische Untersuchung ist dies von Vorteil, da damit eine ausreichende Variation gegeben ist, um mögliche Produktivitätseffekte der ADSL2+ Einführung zu identifizieren.
Für die empirische Analyse werden die Daten zur Breitbandverfügbarkeit mit den Unternehmensdaten der amtlichen Statistik verknüpft und um weitere Informationen, wie etwa zur Bevölkerungsdichte in den Gemeinden, ergänzt (Kasten). Der Umfang der Daten erlaubt es, die Unternehmen verschiedener Wirtschaftszweige nicht nur in übergeordneten Wirtschaftsabschnitten – also zum Beispiel das verarbeitende Gewerbe oder Information und Kommunikation – sondern auch in 46 enger definierten Wirtschaftsabteilungen – zum Beispiel die chemische Industrie oder IT Dienstleister – zu untersuchen.Zur Taxonomie der Wirtschaftszweige, -abschnitte und -abteilungen siehe Statistisches Bundesamt: Glossar Wirtschaftszweige (online verfügbar). Damit kann die Analyse besser als frühere Studien der Tatsache Rechnung tragen, dass Unternehmen und Wirtschaftsabteilungen sehr unterschiedliche Produktionsprozesse haben und deshalb neue Breitbandtechnologien unterschiedlich stark nutzen.
Die empirischen Untersuchungen basieren auf den Daten zur Breitbandverfügbarkeit des Breitbandatlas der Bundesregierung und den Unternehmensdaten der amtlichen Statistik.Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Breitbandatlas (online verfügbar). Letztere umfassen das AFiD-Panel Industrieunternehmen und das AFiD-Panel Dienstleistungsunternehmen.Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2020): Metadatenreport. Allgemeine und methodische Informationen zum AFiD-Panel Dienstleistungen 2008–2018 (EVAS-Nummer: 47415) (online verfügbar); sowie Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2019): Metadatenreport. Teil I: Allgemeine und methodische Informationen zum AFiD-Panel Industrieunternehmen 2001 bis 2016 (EVAS-Nummer: 42221) (online verfügbar). Diese beiden Datensätze enthalten Stichprobenerhebungen für Unternehmen aus den Wirtschaftsabschnitten verarbeitendes Gewerbe (NACE Rev.2 Code C), Verkehr und Lagerei (NACE Rev.2 Code H), Information und Kommunikation (NACE Rev.2 Code J), Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (NACE Rev.2 Code M), Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (NACE Rev.2 Code N) und Erbringung von sonstigen Dienstleistungen (NACE Rev.2 Code S). Der finale Datensatz umfasst mehr als 450000 Unternehmensbeobachtungen und deckt den Zeitraum 2010 bis 2015 ab.
Im Rahmen der empirischen Analyse wird zuerst die Korrelation zwischen der Verfügbarkeit von ADSL2+ und der Wertschöpfung von Unternehmen untersucht. Dafür wird ein Regressionsansatz genutzt, in dem andere wichtige Faktoren wie Arbeitseinsatz und Kapital, die Bevölkerungsdichte sowie zeitinvariante Unterschiede zwischen Wirtschaftsabteilungen, Bundesländern und ökonomieweite zeitspezifische Effekte berücksichtigt werden. Allerdings können damit keine kausalen Zusammenhänge nachgewiesen werden. Basierend auf dieser Schätzung gibt es keine signifikante Korrelation zwischen der Einführung und dem Ausbau von ADSL2+ und der Bruttowertschöpfung für Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes (Tabelle 2). Dagegen ist die Korrelation bei den verschiedenen Dienstleistungen positiv und statistisch signifikant. Der größte Effekt findet sich für den Abschnitt Information und Kommunikation.
Verarb. Gewerbe | Transportgewerbe | Inform. & Kommunik. | Freiberufl. & wissenschaftl. Dienstl. | Sonst. Wirt. Dienstl. | Reperatur Dienstl. | |
---|---|---|---|---|---|---|
Arbeit | 0,724* | 0,593* | 0,754* | 0,758* | 0,569* | 0,818* |
Kapital | 0,347* | 0,395* | 0,238* | 0,237* | 0,291* | 0,226* |
Breitbandt-1 | 0,0001 | 0,0007* | 0,0021* | 0,0007* | 0,001* | 0 |
Konstante | 6,118* | 5,831* | 7,916* | 7,959* | 7,397* | 8,085* |
N | 31269 | 20647 | 17456 | 47631 | 29180 | 1775 |
Anmerkungen: Die Variable Breitbandt-1 bezeichnet die Breitbandverfügbarkeit im Vorjahr. Die Schätzungen werden mit Hilfe eines multivariaten Regressionsmodells durchgeführt. Zusätzlich zu den angegebenen Variablen werden mit Hilfe von Dummy-Variablen zeitinvariante Unterschiede zwischen Wirtschaftsabteilungen und Bundesländern sowie ökonomieweite zeitspezifische Effekte berücksichtigt. Die Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Ein Sternchen zeigt hier an, dass Koeffizienten mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von einem Prozent signifikant von Null verschieden sind.
Lesehilfe: Eine zehnprozentige Erhöhung der Verfügbarkeit von ADSL2+ geht mit einer durchschnittlichen Erhöhung der Wertschöpfung im Abschnitt Information und Kommunikation von 2,1 Prozent einher.
Quelle: AFiD-Panel Industrieunternehmen und AFiD-Panel Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich; doi: 10.21242/42221.2018.00.01.1.1.0, 10.21242/47415.2018.00.01.1.1.0.
Um die geschätzten Koeffizienten interpretieren zu können, kann die durchschnittliche Veränderung der ADSL2+Verfügbarkeit während des Beobachtungszeitraums herangezogen werden. Sie ist um etwa 38 Prozentpunkte gestiegen. Dieser Zuwachs ist mit einem durchschnittlichen Anstieg der Wertschöpfung im Abschnitt Information und Kommunikation von rund acht Prozent über den Beobachtungszeitraum verbunden.Die Koeffizienten der Breitbandverfügbarkeit messen den Zusammenhang zwischen einer abhängigen logarithmierten Variable (Wertschöpfung) und einer unabhängigen nicht-logarithmierten Variable (Breitbandverfügbarkeit). Die prozentuale Veränderung der Wertschöpfung bei einer einprozentigen Veränderung in der Breitbandverfügbarkeit ergibt sich, indem der Koeffizient mit der Zahl 100 multipliziert wird. Eine um einen Prozentpunkt höhere Verfügbarkeit geht beispielsweise bei Information und Kommunikation mit einer 0,21 Prozent höheren Wertschöpfung einher. In anderen Dienstleistungssektoren ist der Zusammenhang jedoch deutlich kleiner, wie die übrigen Koeffizienten zeigen.
Umsatzsteigerungen und damit verbundene Erhöhungen der Wertschöpfung können sich aus unterschiedlichen Quellen speisen. Ein wichtiger Kanal sind Produktivitätsverbesserungen innerhalb der Unternehmen. Leistungsfähige Breitbandnetze ermöglichen unter anderem die Nutzung neuer digitaler Lösungen, von Cloud Computing bis zur direkten Maschinensteuerung über Unternehmen hinweg. Ausfallzeiten können minimiert und die Produktion besser organisiert werden. Damit können Breitbandnetze Unternehmen in die Lage versetzen, die gleichen Produktionsmengen mit einem geringeren Einsatz von Inputfaktoren wie Arbeit, Kapital, Energie und Vorleistungen zu erzeugen und ihre Totale Faktorproduktivität (TFP) zu erhöhen. Das für die Analyse verwendete Modell erlaubt es, diesen Effekt zu identifizieren und zu prüfen, ob die steigende Verfügbarkeit von ADSL2+ kausal zu Produktivitätssteigerungen geführt hat.Um die Kausalität des Zusammenhangs zwischen der Steigerung des TFP und der Breitbandverfügbarkeit sicherzustellen, werden die Schätzungen mit Hilfe von Kontrollfunktionsansätzen durchgeführt. Siehe hierzu Daniel A. Ackerberg, Kevin Caves, und Garth Frazer (2015): Identification properties of recent production function estimators. Econometrica, 83 (6), 2411–2451 (online verfügbar).
Die Schätzungen zeigen, dass eine Erhöhung der Verfügbarkeit in der Mehrzahl der Industriesektoren keinen signifikanten Einfluss auf die Produktivität der Unternehmen hatte (Abbildung 2).
Nur für sieben von 22 im verarbeitenden Gewerbe erfassten Wirtschaftsabteilungen finden sich überhaupt signifikant positive Effekte und auch diese sind gering. Ferner gilt für einen Teil dieser Wirtschaftsabteilungen, wie etwa die Lederindustrie, dass die Signifikanz im Rahmen von weiteren Schätzungen nicht bestätigt werden kann.Es wird ein Ansatz mit Instrumentvariablen geschätzt, in welchem Breitband mit geografischen Charakteristika der Gemeinden instrumentiert wird, da diese die Investitionskosten für Breitband stark beeinflussen. Ferner wird die Breitbandverfügbarkeit in Nachbargemeinden als Instrument genutzt. Weitere Tests nutzen einen alternativen Datensatz.
Bei den Dienstleistungsunternehmen kann hingegen der Großteil der Unternehmen von einer gesteigerten Verfügbarkeit von ADSL2+ in Form einer verbesserten Produktivität profitieren (Abbildung 2). Das gilt gleichermaßen für Unternehmen in den Wirtschaftsabschnitten des Transportgewerbes (NACE-Code H), der Information und Kommunikation (NACE-Code J), wie auch der Unternehmensdienstleistungen (NACE-Code M&N). Legt man nur die signifikanten Ergebnisse zugrunde, hat der durchschnittliche Anstieg der prozentualen ADSL2+ Verfügbarkeit von etwa 38 Prozentpunkten im Beobachtungszeitraum in den betreffenden Wirtschaftsabschnitten zu einer Produktivitätssteigerung von 0,8 Prozent bis 6,8 Prozent geführt. Werden auch die entsprechenden Konfidenzintervalle berücksichtigt, betrug der maximale Produktivitätszuwachs bis zu 13,1 Prozent. Diese Größenordnung liegt im Bereich der in der Literatur nachgewiesen Auswirkungen von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen.Mehmet Ugur et al. (2016): R&D and productivity in OECD firms and industries: A hierarchical meta-regression analysis. Research Policy, 45 (10), 2069–2086 (online verfügbar).
Die große Bandbreite der Ergebnisse macht jedoch auch deutlich, dass Unternehmen aus den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft sehr unterschiedlich von der Einführung und dem Ausbau einer neuen Breitbandtechnologie profitieren. Zudem scheinen vor allem Dienstleistungsunternehmen zu profitieren, während die Effekte für Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes vernachlässigbar sind. Diese Unterschiede in den Effekten verdeutlichen die Bedeutung einer disaggregierten Betrachtung von Infrastrukturmaßnahmen.
Ein weiterer Aspekt der Analyse ist die Frage, ob ein engmaschiges Glasfasernetz von Vorteil ist. Dafür werden die technischen Eigenschaften ADSL2+ genutzt. Die ADSL2+ Technologie und der betrachtete Zeitraum zeichnen sich dadurch aus, dass die Daten in den regionalen Netzen überwiegend mit Kupferkabeln übertragen wurden. Aufgrund der Materialeigenschaften von Kupfer sind die technisch möglichen Übertragungsgeschwindigkeiten und Datenvolumina mit Blick auf die Länge der Übertragungswege begrenzt. In einer weiteren Schätzung wurde diesem Umstand Rechnung getragen und untersucht, ob sich produktivitätssteigernde Wirkungen unabhängig von der mit Kupferkabeln zu überbrückenden Entfernung finden lassen.Dabei handelt es sich um die Entfernung zwischen dem Anschluss eines Unternehmens und dem Hauptverteiler, der als Verbindung zwischen dem regionalen und dem überregionalen, auf Glasfaser basierten Netz dient. Bei geringen Entfernungen ist der produktivitätssteigernde Effekt einer höheren Verfügbarkeit von ADSL2+ weiterhin gegeben. Wird die Entfernung jedoch zu groß, finden sich kaum noch statistisch signifikante Produktivitätssteigerungen.Der technisch bedingte Grenzwert wurde der Literatur folgend bei 4200 Metern angesetzt. Siehe Oliver Falck, Robert Gold und Stephan Heblich (2014): E-lections: Voting Behavior and the Internet. American Economic Review, 104 (7), 2238–2265. Daraus folgt, dass in allen Räumen, ländlich wie städtisch, ein ausreichend enges Glasfasernetz mit auch regional hohen und entfernungsunabhängigen Übertragungsraten vorhanden sein muss, damit produktivitätssteigernde Wirkungen von Breitbandnetzen überhaupt eintreten können.
Auch wenn die Analyse auf den Ausbau von ADSL2+ fokussiert, können aus deren Ergebnissen generelle Schlussfolgerungen hinsichtlich des weiteren Ausbaus der Breitbandnetze gezogen werden. Zum einen ist festzustellen, dass aus wirtschaftspolitischer Sicht eine weitere Unterstützung des Ausbaus richtig ist. Dieser ermöglicht Unternehmen, ihre Produktivität zu verbessern und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit im nationalen wie internationalen Rahmen zu erhalten. Dies wiederum ist die Voraussetzung, um Beschäftigung zu sichern oder gar auszubauen. Zugleich sprechen die Ergebnisse gegen die Erwartungshaltung, dass alle Unternehmen und Wirtschaftszweige in gleichem Maße von einer verbesserten Breitbandinfrastruktur profitieren. Vielmehr gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Sektoren. Zumindest im Fall von ADSL2+ waren es vor allem die Dienstleistungssektoren und hier insbesondere die Unternehmen der Informations- und Kommunikationsdienstleistungen, bei denen der Netzausbau Produktivitätsverbesserungen ermöglicht hat. Allerdings kann sich dies im Zuge einer beschleunigten Verbreitung von Industrie 4.0, B2B-Plattformen, und weiteren Anwendungen, für welche häufig höhere Übertragungsgeschwindigkeiten notwendig sind als die hier untersuchten 16 Mbit/s, noch wandeln. Die Industrie könnte dann deutlich stärker vom Ausbau von schnelleren Glasfasernetzen, der zur Zeit stark gefördert wird, profitieren als in der vorliegenden Untersuchung festgestellt.
Eine weitere Erkenntnis betrifft die Dichte des Glasfasernetzes. Produktivitätssteigernde Effekte können nur erwartet werden, wenn das Netz so konzipiert ist, dass, wenn schon nicht direkte Glasfaseranschlüsse möglich sind, die mit Kupferkabeln zu überbrückenden Distanzen möglichst gering sind. Beispielsweise setzt die Super-Vectoring-Technik, mit welcher Übertragungsraten von 200 Mbit/s erreicht werden können, voraus, dass die mit Kupferkabeln zu überbrückenden Entfernungen nicht länger als 400 Meter sind. Daher ist die zügige Umrüstung bestehender Netzte und der Aufbau neuer Glasfasernetze in nicht angeschlossenen Regionen anzustreben.
Themen: Unternehmen, Produktivität, Digitalisierung
JEL-Classification: D24;D22;J24;O14;O22;O33
Keywords: productivity, broadband
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-25-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/261409