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Die Versicherungspflicht gegen Elementarschäden kommt endlich voran: Kommentar

DIW Wochenbericht 25/26 / 2022, S. 368

Gert G. Wagner

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Im vergangenen Sommer kamen bei Überflutungen in Westdeutschland nicht nur hunderte Menschen ums Leben, sondern es wurden auch Tausende um ihre gesamte Habe gebracht. Sie sind auf staatliche Hilfen angewiesen, um sich zumindest wieder ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. Wären alle diese Haus- und WohnungseigentümerInnen versichert, wäre ihre Lage einfacher. Und der Anreiz zur technisch-organisatorischen Vorsorge, der von den Versicherungsprämien ausgehen würde, hätte auch helfen können, Schäden zu vermeiden. Deswegen hat die Ministerpräsidentenkonferenz auf Empfehlung der JustizministerInnen die Bundesregierung aufgefordert, bis Ende dieses Jahres die Einführung einer Versicherungspflicht „anhand eines konkreten Regelungsvorschlags zu prüfen“.

Seit 20 Jahren beschäftigt sich das DIW Berlin mit dem Thema Elementarschadenversicherung und empfiehlt eine Versicherungspflicht für Naturkatastrophen (erstmals im Wochenbericht Nr. 12 des Jahres 2003). Eine solche Versicherungspflicht wurde zwar immer wieder hochrangig diskutiert (meist unmittelbar nach Eintreten einer Naturkatastrophe), letztlich aber wiederholt von der Justizministerkonferenz als nicht verfassungsgemäß verworfen. Sie meinte, eine vernünftige Versicherungsdichte sei auch ohne eine Pflicht zu erreichen. Nachdem aber nach wie vor etwa die Hälfte der privaten Wohngebäude nicht für den Schadensfall nach schweren Naturereignissen versichert ist, Elementarschadens-Ereignisse aber zunehmen, hält nun auch die Justizministerkonferenz die Zeit für eine ergebnisoffene Prüfung der Versicherungspflicht gekommen.

Es müssen jetzt viele Details diskutiert werden. Irritierend ist deswegen, dass die Justizministerkonferenz – ihrer Tradition folgend – den Bericht einer Arbeitsgruppe, der zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz geführt hat, nicht veröffentlicht, sondern dieser Bericht nur „den beteiligten Verbänden und Institutionen zur Verfügung gestellt werden“ soll.

Von der Versicherungspflicht, genauer der nicht vorhandenen Pflicht, sind aber nicht nur die Versicherungen sowie die ImmobilienbesitzerInnen und ihre Verbände betroffen, sondern auch alle MieterInnen und SteuerzahlerInnen: Die Prämien für eine Elementarschadenversicherung für Bestandsbauten in Hochrisiko-Lagen sind oft so hoch, dass sie im Falle einer Versicherungspflicht voraussichtlich durch staatliche Hilfsmaßnahmen abmildert werden müssen. Diese Last durch einen zielgerichteten steuerfinanzierten Transfer (analog zum Wohngeld) zu mildern wäre eine naheliegende Möglichkeit (wie sie auch der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen ins Spiel gebracht hat).

Der schwierigste Punkt in der Diskussion wird vermutlich sein, wie der Gesetzgeber eine Versicherungspflicht tatsächlich durchsetzen kann, wenn sich eine Haus- oder WohnungseigentümerIn strikt weigert, eine Versicherung abzuschließen. Schließlich lässt sich ein unversichertes Wohnhaus – anders als ein unversichertes Auto – nicht einfach „stilllegen“. Eine pragmatische Lösung wäre beispielsweise ein Vorschlag, der vom Bund der Versicherten kam: HauseigentümerInnen werden zunächst mit einer höheren Grundsteuer belastet (und daraus wird eine staatlich organisierte Mindestversicherung finanziert). Die höhere Grundsteuer entfällt dann wieder, sobald sie eine private Versicherung, die sie individuell ausgestalten können, nachweisen.

Eine Pflicht zum Abschluss einer Elementarschadenversicherung bedeutet im Übrigen nicht, dass dadurch technisch-organisatorische Maßnahmen zur Anpassung und zur Abbremsung des Klimawandels überflüssig werden. Im Gegenteil: Mehr Hochwasserschutz, weniger Bodenversiegelung sowie weniger Kanalisierung von Flüssen oder etwa die Installation von Rückschlagklappen beim Abwasserabfluss, die oft bereits ausreichen, um schwere Schäden im Keller durch Starkregen zu vermeiden, werden unvermeidlich sein, um solche Katastrophen wie im letzten Sommer künftig zu verhindern. Nicht zuletzt geht von risikogerecht ausgestalteten Versicherungsprämien ein Anreiz zu derartiger Vorsorge aus.

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