Blogbeitrag vom 24. August 2022
Von Wolf-Peter Schill und Alexander Roth
Diese Seite gibt einen kurzen Überblick über den aktuellen Stand aller im Ampel-Monitor Energiewende enthaltenen Indikatoren. Nähere methodische Erläuterungen sowie Datenquellen finden sich auf der Homepage des Ampel-Monitors sowie im einführenden DIW-Wochenbericht 27/2022. Alle zugrunde liegenden Daten sind zudem unter einer CC-BY-4.0-Lizenz im Open Energy Tracker verfügbar und werden dort auch regelmäßig aktualisiert.
Gegenüber dem Wochenbericht 27/2022 sind im Folgenden einige Erweiterungen enthalten:
Somit ist die Anzahl der im Ampel-Monitor enthaltenen Indikatoren von ursprünglich 15 auf jetzt 19 gestiegen.
Bei praktisch allen wichtigen Indikatoren besteht eine große Lücke zwischen dem aktuellen Stand und den Regierungszielen für das Jahr 2030. Die Lücke ist bei grünem Wasserstoff und im Bereich der Pkw-Elektromobilität am größten, gefolgt vom Ausbau der Windkraft auf See und der Photovoltaik sowie der Wärmepumpen.
Für solche Indikatoren, bei denen Monatsdaten vorliegen, kann das Ausbautempo im Trend der letzten zwölf verfügbaren Monate mit der Geschwindigkeit verglichen werden, die zum Erreichen der 2030-Ziele erforderlich ist. Das aktuelle Ausbautempo der Windkraft an Land beträgt nur ein Viertel dessen was nötig wäre, und bei der Windkraft auf See gab es zuletzt gar keinen Zubau. Die Photovoltaik muss ihr Ausbautempo verdreifachen. Bei batterieelektrischen Pkw und den Ladpunkten beträgt das Tempo derzeit nur ca. ein Fünftel bzw. ein Siebtel dessen, was nötig wäre.
© DIW Berlin
Dies gilt jeweils unter der Annahme eines linearen Ausbaupfads. Würde stattdessen ein logistisches Wachstum unterstellt mit höheren Zuwächsen in späteren Jahren, was v.a. bei Elektro-Pkw plausibel erscheint, ergäbe sich ein positiveres Bild. Für Elektrofahrzeuge und die Ladeinfrastruktur haben wir nun erstmals solche logistischen Wachstumspfade hinterlegt, vgl. die entsprechenden Darstellungen bei den beiden Indikatoren weiter unten auf dieser Seite.
Im Juni 2022 war eine Photovoltaik-Leistung von 62,3 GW installiert. Das Ziel im Jahr 2030 sind 215 GW. Im Trend der vergangenen zwölf Monate kamen 0,50 GW/Monat dazu, zur Zielerreichung müssen es ab sofort im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 1,50 GW/Monat sein.
Im Juni 2022 war bei der Windkraft an Land eine Leistung von 57,0 GW installiert. Das Ziel im Jahr 2030 sind 115 GW. Im Trend der vergangenen zwölf Monate kamen nur 0,14 GW/Monat dazu, zur Zielerreichung müssen es ab sofort im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 0,57 GW/Monat sein.
Für die Nutzung der Windenergie an Land waren im Jahr 2021 0,8 Prozent der Landesfläche ausgewiesen. Ziel der Ampelkoalition ist ein Anteil von 1,4 Prozent bis Ende des Jahres 2026 und ein Anteil von 2,0 Prozent bis Ende 2032.
Im Juni 2022 war bei der Windkraft auf See eine Leistung von 7,8 GW installiert. Das Ziel im Jahr 2030 sind 30 GW. Im Trend der vergangenen zwölf Monate kamen 0 GW/Monat dazu, zur Zielerreichung müssen es ab sofort im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 0,22 GW/Monat sein.
Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch (BSV) betrug im Jahr 2021 41,9 Prozent, bis zum Jahr 2030 soll er auf 80 Prozent steigen. Im Trend der Jahre 2017-2021 ist der Anteil um 2,0 Prozentpunkte/Jahr gestiegen, zur Erreichung des 2030-Ziels muss er um durchschnittlich 4,2 Prozentpunkte/Jahr wachsen.
Für den Anteil erneuerbarer Energien an der Nettostromerzeugung (NSE) stehen regelmäßig aktuellere Daten zur Verfügung, er kann also als eine Art Frühindikator betrachtet für den Anteil am BSV verwendet werden. Derzeit liegt der Anteil erneuerbarer Energien an der NSE bei 50,8 Prozent und damit etwas über dem Wert des Jahres 2020.
Im Jahr 2021 waren rund 1,4 Millionen Wärmepumpen installiert. Das Ziel im Jahr 2030 sind rund 5 Millionen. Im Trend der Jahre 2017-2021 kamen gut 0,1 Millionen/Jahr dazu, zur Zielerreichung müssen es ab sofort im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 0,4 Millionen/Jahr sein.
Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte betrug im Jahr 2021 16,5 Prozent, bis zum Jahr 2030 soll er auf 50 Prozent steigen (bzw. die Ampelkoalition spricht von "klimaneutraler" Wärme, was hier mit erneuerbarer Wärme gleichgesetzt wird). Im Trend der Jahre 2017-2021 ist der Anteil nur um 0,5 Prozentpunkte/Jahr gestiegen, zur Erreichung des 2030-Ziels muss er um durchschnittlich um knapp 3,7 Prozentpunkte/Jahr wachsen.
Im Juli 2022 waren 0,79 Millionen batterieelektrische Pkw vorhanden. Das Ziel im Jahr 2030 sind 15 Millionen. Im Trend der vergangenen zwölf Monate kamen nur knapp 0,03 Millionen Pkw/Monat dazu. Unter der Annahme eines linearen Wachstums müssten zur Zielerreichung ab sofort im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 0,14 Millionen Pkw/Monat hinzukommen, also fünf mal so viele. Nimmt man dagegen einen logistischen Wachstumspfad an, abgeleitet aus eine Studie des Fraunhofer ISI, liegt die aktuelle Bestandsentwicklung dagegen nur leicht unter dem Zielpfad. Allerdings vergrößert sich auch hier die Lücke zwischen dem Zielpfad und der tatsächlichen Entwicklung Monat für Monat.
Die Abbildung zeigt die Anteile von rein batterieelektrischen Pkw (sowie ergänzend auch von Plug-in-Hybriden) an den monatlichen Neuzulassungen. Hierfür hat die Ampelkoalition zwar kein spezifischen Ziel formuliert; dieser Indikator verdeutlicht die Dynamik des Geschehens jedoch besser als der oben gezeigte Bestandsindikator. Zuletzt stagnierte der Anteil batterieelektrischer Pkw bei rund 14 Prozent (14,0 Prozent im Juli 2022). Diese Stagnation dürfte zu einem großen Teil auf Probleme in den Lieferketten zurückzuführen sein, die zu teilweise sehr langen Lieferfristen für Elektro-Pkw geführt haben.
Im Juni 2022 waren knapp 64.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Betrieb (davon rund 10.000 Schnellladepunkte und knapp 54.000 Normalladepunkte). Ihre Zahl soll bis zum Jahr 2030 auf 1 Million wachsen. Im Trend der vergangenen zwölf Monate kamen nur knapp 1.300 Ladepunkte/Monat dazu, zur Zielerreichung müssen es ab sofort im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 9.200 Ladepunkte/Monat sein. Dies gilt wiederum unter der Annahme eines linearen Wachstumspfads. Wird ein logistisches Wachstum wie bei der E-Pkw-Flotte unterstellt (siehe oben), liegt der Ausbau derzeit ungefähr auf bzw. sogar knapp über dem Zielpfad (sichtbar durch hineinzoomen in die Abbildung). Allerdings erscheint ein stark logistisches Wachstum hier tendenziell weniger plausibel als bei der E-Pkw-Flotte.
Dieser Indikator zeigt das Verhältnis von batterieelektrischen Pkw und öffentlich zugänglichen Ladepunkten. Hierfür hat die Ampelkoalition kein explizites Ziel formuliert. Aus den Bestands- und Ladeinfrastrukturzielen für 2030 ergibt sich ein Wert von 15 batterieelektrischen Pkw pro Ladepunkt, wobei die Aufteilung auf Schnell- und Normalladepunkte unklar ist. Derzeit teilen sich knapp zwölf Elektro-Pkw einen öffentlichen Ladepunkt. Betrachtet man nur die Schnellladepunkte, liegt das Verhältnis derzeit bei ungefähr 76 Elektro-Pkw pro Schnelllader.
Im Jahr 2021 waren 61,7 Prozent des bundeseigenen Schienennetzes elektrifiziert. Das Ziel im Jahr 2030 sind 75 Prozent. Im Trend der Jahre 2017-2021 kamen knapp 0,3 Prozentpunkte/Jahr dazu, zur Zielerreichung müssen es im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 knapp 1,5 Prozentpunkte/Jahr sein.
Im Oktober 2021 waren lediglich 61 MW Elektrolyseleistung in Betrieb. Das Ziel im Jahr 2030 sind 10 GW (d.h. 10.000 MW). Zur Zielerreichung müssen im Durchschnitt bis zum Jahr 2030 etwa 90 MW/Monat zugebaut werden.
Im Koalitionsvertrag wird an mehreren Stellen das Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 genannt; zudem soll die Energieinfrastruktur über das Jahr 2045 hinaus nur noch mit nicht-fossilen Brennstoffen betrieben werden dürfen. Daraus lässt sich ableiten, dass die Ampelkoalition eine vollständige Beendigung der Nutzung fossiler Primärenergieträger bis zum Jahr 2045 avisiert. Ein genauer Zeitpfad ist hierfür nicht spezifiziert. Der Verbrauch von Mineralöl, Braunkohle und Steinkohle war jedoch im Trend der letzten Jahre deutlich rückläufig. Dagegen hat sich der Verbrauch von Erdgas kaum verringert, wobei es deutliche jährliche Schwankungen gab. Im Jahr 2021 betrug der Verbrauch fossiler Primärenergie insgesamt noch knapp 2600 TWh. Unter der Annahme eines linearen Reduktionspfads müsste er bis zum Jahr 2030 um knapp 40 Prozent auf gut 1600 TWh sinken.
Der Blick auf quartalsweise aktualisierte Daten zum Primärenergieverbrauch zeigt, dass im ersten Halbjahr 2022 der fossile Primärenergieverbrauch mit knapp 1300 TWh fast so hoch lag wie im ersten Halbjahr 2021, er hat sich also kaum weiter verringert. Dabei ging jedoch der Verbrauch von Erdgas um 15 Prozent zurück. Dies dürfte nicht nur an einem milderen Winter und dadurch geringeren Heizenergiebedarf im Jahr 2022 liegen, sondern auch an einer Nachfragereduktion in Folge der durch den Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich gestiegenen Preise. Der Verbrauch anderer fossiler Primärenergieträger stieg dagegen an, bei der Stein- bzw. Braunkohle um neun bzw. elf Prozent.
Im Unterabschnitt zu Gas und Wasserstoff enthält der Koalitionsvertrag die Aussage: "Wir wollen die Energieversorgung für Deutschland und Europa diversifizieren." Ein quantitatives Ziel wird dabei nicht genannt. Spätestens nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 ist aber klar, dass insbesondere die Abhängigkeit von russischen Erdgasimporten schnell reduziert werden soll. Diese ist in den letzten Jahren allerdings deutlich gewachsen. Direkte (via Nord Stream 1) und indirekte (via Polen) Gasimporte aus Russland lagen seit 2018 meist in der gleichen Größenordnung wie die gesamten Netto-Erdgasimporte. Zu beachten ist dabei, dass Deutschland auch ein ein Gas-Transitland ist. Insbesondere floss seit 2014 regelmäßig Gas nach Tschechien. Seit Ende 2021 haben die russischen Netto-Importe aber deutlich abgenommen. Im Juni 2022 waren sie so niedrig wie zuletzt im März 2015. Gleichzeitig haben die Netto-Importe insgesamt zugenommen.
In den letzten drei Monaten, in denen Daten verfügbar sind (April bis Juni 2022), lagen die Netto-Importe von Erdgas deutlich über den entsprechenden drei Monaten des Vorjahres. Dabei haben vor allem die Importe aus Norwegen deutlich zugenommen, zudem haben wurden beim Handel mit "Anderen" Ländern (hier ist insbesondere Belgien relevant) Nettoexporte zu Nettoimporten. Die Nettoimporte aus Russland gingen währenddessen zurück, da über Polen kein Erdgas mehr ankam.
Die Ampelkoalition hat sich mehrfach zum Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 bekannt, aber kurz- und mittelfristig keine neuen Ziele für die Minderung von Treibhausgasen gesetzt. Die sektoralen Emissionsminderungsziele sind bis zum Jahr 2030 bereits durch das zuletzt am 18. August 2021 geänderte Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegeben. Danach legt das Gesetz bis zum Jahr 2040 die jährlichen Ziele für Treibhausgasemissionen ohne sektorale Auflösung fest; bis 2045 soll dann Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden. Die Abbildung zeigt die sektoralen Emissionen seit 1990 und die mittel- und längerfristigen Ziele. Im Jahr 2020 lagen die Treibhausgasemissionen mehr als 40 Prozent unter denen des Referenzjahres 1990, womit ein längerfristiges klimapolitisches Ziel erreicht wurde. Hierzu trug allerdings die deutliche pandemiebedingte Verminderung der wirtschaftlichen Aktivitäten im Jahr 2020 erheblich bei. Die starken Emissionsminderungen des Jahres 2020 prägen auch den in der Abbildung ausgewiesenen Trend der Jahre 2017-2021. Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung stiegen die Emissionen im Jahr 2021 wieder an.
Für die CO2-Emissionen der Stromerzeugung gibt es kein explizites Ziel der Ampel-Loalition. Im Entwurf des EEG 2023 war von einer "nahezu vollständigen Treibhausgasneutralität" der Stromerzeugung bis zum Jahr 2035 die Rede; diese Formulierung ist im finalen Bundestagsbeschluss allerdings nicht enthalten. Zuvor wurde aber auf dem G7-Gipfel in Elmau bereits beschlossen, den Stromsektor bis 2035 "vollständig oder überwiegend zu dekarbonisieren". In der Abbildung ist daher ein indikativer Zielwert von Null CO2-Emissionen im Jahr 2035 dargestellt. Die absoluten CO2-Emissionen im Jahr 2020 betrugen nur noch rund 52 Prozent der Emissionen des Jahres 1990. Die CO2-Emissionsintensität (in g/kWh) sank auf rund 49 Prozent (ohne Vorketten-Emissionen). Allerdings waren die Werte des Jahres 2020 pandemiebedingt besonders niedrig, und die Emissionen stiegen im Jahr 2021 wieder an (auf rund 60 Prozent der Emissionen des Jahres 1990, bzw. 55 Prozent der Emissionsintensität).
Themen: Energiewirtschaft , Klimapolitik , Ressourcenmärkte