DIW Wochenbericht 35 / 2022, S. 448
Karsten Neuhoff, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 77 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 3.88 MB - barrierefrei / universal access)
Herr Neuhoff, durch das kürzlich beschlossene Reformpaket, das sogenannte „Osterpaket“, soll das Tempo des Ausbaus von erneuerbaren Energien deutlich gesteigert werden. Was sind die wesentlichen Maßnahmen dieses Pakets? In dem Paket wurden zum ersten Mal die neuen Ausbauziele für erneuerbare Energien verankert, zum Beispiel ein größerer Ausbau des Volumens, damit 80 Prozent erneuerbare Energien erreicht werden. Es wurden zudem Genehmigungsverfahren vereinfacht und alle Bundesländer erhielten die Vorgabe, jeweils rund zwei Prozent ihrer Fläche für Onshore-Windkraftanlagen bereitzustellen.
An der gleitenden Marktprämie als Vergütungsmechanismus wird festgehalten. Was muss man unter dieser gleitenden Marktprämie verstehen? Die gleitende Marktprämie ist ein Instrument, mit denen InvestorInnen in erneuerbaren Energien abgesichert werden. Sollten die Großhandelsstrompreise unter den Referenzpreis der Marktprämie fallen, dann bekommen sie eine staatliche Unterstützung, um ihre Erlöse abzusichern.
Welche Vor- und Nachteile bringt das Festhalten an der gleitenden Marktprämie? Für die StromkundInnen in der Industrie und bei den privaten Haushalten bringt das Festhalten an der gleitenden Marktprämie einige Nachteile. Erstens müssen ProjektentwicklerInnen Erlöse einpreisen, deren Höhe von zukünftigen staatlichen Entscheidungen, zum Beispiel zum Netzausbau oder Strommarktdesign abhängt. Daraus ergeben sich Risiken, durch die sich die Finanzierung und damit die Stromerzeugung verteuert. Zweitens sind bei der gleitenden Marktprämie zwar die StromerzeugInnen gegen geringe Strompreise abgesichert, aber die EndkundInnen nicht gegen hohe Strompreise. Drittens ist der Ausbau der Erneuerbaren bei der gleitenden Marktprämie gefährdet, denn wir sehen zurzeit die Projekte, die in der Erwartung höherer Strompreise an den Auktionen eingebracht werden. Wenn in den nächsten ein bis zwei Jahren die Strompreise fallen, könnte es sein, dass einige dieser Projekte nicht umgesetzt werden.
Sogenannte Differenzverträge werden hingegen weitestgehend nicht als Förderinstrument aufgenommen. Was kann man sich unter einem Differenzvertrag vorstellen?Für einen Differenzvertrag werden Ausschreibungen durchgeführt, um festzustellen, zu welchen Preisen erneuerbare Anlagen Strom erzeugen können. Fällt der Strompreis unter diesen Preis, dann wird den ErzeugerInnen von erneuerbaren Energien die Differenz von den EndkundInnen vergütet. Wenn hingegen Strompreise über dem Referenzpreis anfallen, müssen die ErzeugerInnen die zusätzlichen Erlöse an die EndkundInnen abgeben.
Wie beurteilen Sie die Differenzverträge im Vergleich zur gleitenden Marktprämie? Wir sehen überwiegend Vorteile bei den Differenzverträgen. Erstens sind die InvestorInnen in erneuerbare Projekte gegen regulatorische Unsicherheiten abgesichert. Sie können günstiger finanzieren und die Stromentstehungskosten fallen um bis zu 30 Prozent. Diese Vorteile kommen direkt den StromkundInnen zugute. Zweitens sichern Differenzverträge StromkundInnen gegen hohe Strompreise ab. Wir sehen dieses Jahr, wie die extrem hohen Strompreise zu windfall profits für Projekte in erneuerbare Energien führen. Der bisherige Ausbau erneuerbarer Energien bringt für die EndkundInnen aktuell kaum Vorteile, da sie für ihre gesamte Nachfrage die hohen Preise, die durch fossile Energieträger entstehen, bezahlen müssen. Bei Differenzverträgen werden zusätzliche Erlöse über den Vertragspreis wieder an die StromkundInnen zurückgegeben. Das sichert die VerbraucherInnen gegen Kostenrisiken ab. Drittens wird mit Differenzverträgen der Ausbau stabilisiert. Bei der Ausschreibung der Anlagen besteht nicht das Risiko, dass Strompreise zwischen dem Zeitpunkt der Ausschreibung und der endgültigen Realisierung des Projekts geringer werden. Das kann sonst dazu führen, dass Projekte wieder abgesagt werden.
Themen: Ressourcenmärkte, Energiewirtschaft
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-35-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/264916