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Konsumkredite: Viele Menschen kennen ihre Zinsen nicht – Kostendarstellung beeinflusst Kreditaufnahme

DIW Wochenbericht 37 / 2022, S. 472-481

Antonia Gipp, Jana Hamdan, Lukas Menkhoff

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  • Aktuelle Befragung zeigt, dass knapp 20 Prozent der Erwachsenen in Deutschland Konsumkredite nutzen, aber 44 Prozent von diesen ihren Zinssatz nicht kennen
  • Wer gute Finanzbildung hat, kennt auch häufiger seine Zinsen, aber ein Drittel verfügt nicht über grundlegendes Finanzwissen
  • Frauen haben deutlich geringeres Zinswissen und weniger Finanzbildung als Männer
  • Kreditaufnahmebereitschaft steigt, wenn zusätzlich zu Prozenten Kosten in absoluten Beträgen angegeben werden, vor allem bei kleinen Monatsbeträgen
  • Bessere finanzielle Bildung und transparente Kosteninformationen insbesondere bei Dispokrediten wünschenswert

„Kleine Kostenbeträge verleiten Menschen offensichtlich eher dazu, sich zu verschulden. Dies birgt die Gefahr, die Gesamtbelastung der Kosten eines Kredits zu unterschätzen und in die Schuldenfalle zu geraten. Der Verbraucherschutz sollte dies berücksichtigen.“ Jana Hamdan

In Deutschland addieren sich die Konsumschulden der Haushalte auf ein Volumen in dreistelliger Milliardenhöhe und zeichnen sich durch sehr unterschiedliche Zinskosten aus. Viele Menschen kennen jedoch die Konditionen ihrer eigenen Kredite für Konsumzwecke nicht. Der vorliegende Bericht analysiert neue Umfragedaten zu Kenntnissen über typische Konsumschulden wie Dispo- und Konsumentenkredite. Frauen haben tendenziell seltener Kenntnisse über die Zinsen, die sie bezahlen, und verfügen über eine geringere finanzielle Bildung. Finanzbildung korreliert mit Zinswissen, ist jedoch unabhängig von einer Konsumverschuldung im Allgemeinen. Ein Experiment zeigt eine grundlegende Preissensibilität, aber auch, dass die Darstellung der Zinskosten die Kreditaufnahme beeinflusst. So führt die Angabe von monatlichen Euro-Beträgen zu einer deutlich höheren Bereitschaft, einen Konsumkredit aufzunehmen, im Vergleich zur Darstellung von jährlichen Kreditkosten. Der Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen sollte diese Effekte prüfen, gegebenenfalls evidenzbasiert berücksichtigen und dann die Informationspflichten anpassen, insbesondere beim Dispokredit. Die Forschungsergebnisse motivieren außerdem zu mehr Initiativen zur Finanzbildung, insbesondere bei Frauen.

Kredite für Konsumzwecke sind in Deutschland weit verbreitet. Vier von zehn Bankkund*innen nehmen wenigstens manchmal die Überziehungsmöglichkeit ihres Girokontos, den sogenannten Dispositionskredit (kurz Dispokredit oder Dispo), in Anspruch.infoVgl. Ipsos Marktforschung im Auftrag der ING-DiBa (2016): Umfrage zu Bankgebühren und Dispo-Zinsen. Anmerkung: Befragt wurden 1.008 finanzielle Entscheider*innen ab 18 Jahren im Oktober und November 2015 (online verfügbar, abgerufen am 22.08.2022. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders angegeben). Viele haben schon einmal einen Konsumentenkredit zum Kauf von Gütern oder Dienstleistungen aufgenommen. Demnach haben die meisten Menschen in Deutschland schon einmal einen Konsumkredit (Konsumentenkredit und/oder Dispokredit) genutzt.

Eine schlechte Informationsbasis bei Konsumkrediten ist problematisch, da diese eine längerfristige finanzielle Verpflichtung darstellen können, inklusive erheblicher anfallender Zinskosten. Aus Sicht des Verbraucherschutzes und aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive sind eine Preissensibilität und Informiertheit in diesem Markt wichtig, ansonsten entsteht eine finanzielle Mehrbelastung bis zur Überschuldung bei den Haushalten. Zudem kann dieses Manko den Wettbewerb und die Innovationsbereitschaft der Finanzdienstleistungsbranche reduzieren.

Dieser Bericht geht drei Fragen nach: Erstens sollte jeder Kauf einer Ware voraussetzen, dass man deren Preis kennt. Welche Rolle spielt also möglicherweise die fehlende Kenntnis über die Zinshöhe beim Konsumkredit? Zweitens die Frage, ob Menschen unterschiedlich entscheiden, je nachdem welche finanzielle Bildung sie bereits haben? Und drittens, wie beeinflusst die Darstellung der Kreditkosten (und deren Höhe) die Entscheidung über eine Kreditaufnahme?

Fast 20 Prozent haben einen Konsumkredit

Um diese Fragen beantworten zu können, hat ein Team von Forscher*innen im Sommer 2022 eine Online-Befragung von 1 011 Erwachsenen in Deutschland über eine Internetplattform durchgeführt (Kasten 1). Die Teilnehmenden haben eine ähnliche Häufigkeit von Konsumkrediten wie die gesamte Bevölkerung (Tabelle 1). Eine von fünf Befragten war entweder aktuell oder in letzter Zeit „im Dispo“ oder hat momentan einen oder mehrere Konsumentenkredite. Dies ist ähnlich wie in der bundesweit repräsentativen Innovations-Stichprobe des Sozio-oekonomischen Panels,infoDavid Richter und Jürgen Schupp (2015): The SOEP Innovation Sample (SOEP-IS). Schmollers Jahrbuch: Journal of Applied Social Science Studies/Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 135 (3), 389–400. gemäß der 18 Prozent entweder selbst oder ein anderes Haushaltsmitglied Konsumschulden haben.

Tabelle 1: Eigenschaften der Stichprobenteilnehmer*innen

Stichprobe 2022 im Vergleich zum SOEP 2020

Stichprobe 2022 Vergleichswerte aus dem SOEP 2020
Mittelwert Beobachtungen Mittelwert Beobachtungen
Frauenanteil 51 Prozent 1011 51 Prozent 10539
Alter 29,3 Jahre 1011 51,5 Jahre 10543
Abitur 84 Prozent 1011 66 Prozent 9713
Hochschulabschluss 50 Prozent 1 011 32 Prozent 10544
Haushaltsnettoeinkommen (monatlich) 2000 bis 2999 Euro 948 3428 Euro 9542
Konsumkredite 19 Prozent 1011 18 Prozent 3779

Anmerkungen: In der aktuellen Stichprobe sind Konsumkredite gegeben, wenn die Befragten angeben, selbst aktuell oder in letzter Zeit Dispo- und/oder Konsumentenkredite zu nutzen.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der vorliegenden Datenerhebung und des Sozio-oekonomischen Panels (SOEPv37 und SOEP-IS 2020).

Die vorliegende Studie beruht auf einer Online-Umfrage unter 1019 Menschen, die im Zeitraum vom 18. Juli 2022 bis 9. August 2022 stattfand. Vorangegangen ist eine Pilotbefragung mit 30 Teilnehmenden.

Es handelt sich um eine nach Geschlechtern ausgeglichene Stichprobe von Menschen, die fließend Deutsch können, in Deutschland wohnhaft sind und auf der Befragungsplattform ProlificinfoDie Prolific Academic Ltd. ist eine speziell für Wissenschaftler*innen international ausgerichtete Umfrageplattform. Darauf können Teilnehmende aus aller Welt an Studien teilnehmen, Fragen beantworten und damit Geld verdienen. registriert sind. In der Erhebung haben die Befragten sozio-demographische und -ökonomische Angaben gemacht sowie an einem Experiment teilgenommen, in dem die Darstellungsweise von Kreditangeboten variiert wurde. Des Weiteren werden im Fragebogen die Teilnehmenden gebeten, sich in ihrer Risikotoleranz, Selbstkontrolle und ihrer Neigung zu Statuskonsum anhand von üblichen Skalen selbst einzuschätzen. Schließlich beinhaltet der Fragebogen drei Standardfragen zu den Themen Zinsen, Inflation und Risikodiversifikation, die sogenannten Big Three, die von den Forscherinnen Annamaria Lusardi und Olivia Mitchell entwickelt wurden und heute international verwendet werden (Kasten 2).

Im Fragebogen wurde ein „Attention Check“ integriert, um zu überprüfen, ob die Fragen gründlich bearbeitet und nicht einfach „durchgeklickt“ wurden. Nur acht Teilnehmer*innen bestanden diesen Test nicht und wurden aus dem Sample ausgeschlossen, so dass das verbleibende Sample für die vorliegenden Analysen aus 1 011 Personen besteht. Die im Median achtminütige Teilnahme an der Umfrage wurde mit etwa elf Euro pro Stunde vergütet.

Die Teilnehmer*innen der aktuellen Befragung sind zu 51 Prozent weiblich, zu 47 Prozent männlich und zu zwei Prozent divers. Bei anderen Eigenschaften zeigen sich allerdings einige Unterschiede im Vergleich zur repräsentativen Stichprobe des Sozio-oekonomischen Panels.infoDas SOEP ist eine repräsentative Haushaltsstichprobe in Deutschland, in der seit 1984 jährlich Haushalte sowie deren Mitglieder wiederholt befragt werden. Vgl. Jan Goebel et al. (2019): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 239 (2), 345–360 (online verfügbar). Die vorliegende Stichprobe ist im Durchschnitt viel jünger als die deutsche Bevölkerung, rund 30 statt gut 50 Jahre alt, und verfügt über höhere Bildungsabschlüsse. Die Haushaltsnettoeinkommen liegen hingegen unter dem Bundesdurchschnitt. Die Daten umfassen also vor allem Angaben von jüngeren, besser gebildeten, aber nicht besserverdienenden Internetnutzer*innen in Deutschland. In Bezug auf die hier relevante Verschuldungshäufigkeit entspricht sie jedoch dem deutschen Durchschnitt.

Fast zwei Drittel der Befragten haben ein Girokonto mit Überziehungsmöglichkeit, die zehn Prozent aller Befragten aktuell oder in letzter Zeit nutzen beziehungsweise genutzt haben (Abbildung 1).infoDies passt zu anderen Angaben, beispielweise ist dieser Anteil vergleichbar mit Ergebnissen einer repräsentativen Befragung des Kreditportals Smava vom Januar 2022. Deren Hochrechnung schätzt, dass 9,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland aktuell einen Dispokredit hat. Vgl. Smava (2022): 6,6 Millionen Deutsche sind nach Weihnachten im Dispo – 17 Prozent mehr als im Januar 2021 (online verfügbar). Zwölf Prozent geben an, nicht zu wissen, ob eine Überziehungsmöglichkeit besteht. Zusammengefasst haben die meisten Befragten Zugriff auf einen Dispokredit und etwa jede*r Zehnte nutzt ihn derzeit. Es berichten außerdem insgesamt drei Prozent, also etwa 30 Prozent der aktuellen Dispo-Nutzer*innen, dass sie immer oder fast immer „im Minus“ sind.

Einen Konsumentenkredit, der üblicherweise größere Kreditsummen umfasst, haben aktuell 13 Prozent der Befragten. Dies ist ähnlich wie bei einer für deutschsprachige Internetnutzer*innen ab 18 Jahren repräsentativen Stichprobe von 2017.infoVerbraucherzentrale Sachsen e.V. (2018): Konsumentenkredite. Befragung über Krediteinstellungen und Krediterfahrungen (online verfügbar).

Die Befragten hier zahlen im Durchschnitt 9,23 Prozent Sollzins bei Dispokrediten und 3,34 Prozent Effektivzins bei Konsumentenkrediten, jeweils pro Jahr; dies ist sehr nah an den Werten, die andere Untersuchungen berichten.infoStiftung Warentest (2022): Alle Banken im Test – Durchschnittszins bei 9,43 Prozent (online verfügbar). Für die meisten beträgt der Dispozins sechs Prozent, ist also eher unterdurchschnittlich. Allerdings ist die Spannbreite in den berichteten Zinssätzen gerade nach oben sehr groß. Jede*r fünfte Disponutzer*in bezahlt auf den Überziehungskredit elf Prozent oder mehr, jede*r Zehnte bezahlt sogar mehr als 13 Prozent (Abbildung 2). Bei Konsumentenkrediten sind sogar Null-Prozent-Finanzierungen am häufigsten, aber 20 Prozent der abgeschlossenen Konsumentenkredite haben einen Zinssatz von sechs Prozent oder mehr (Abbildung 2).

Zinssätze oft nicht bekannt

Die Kreditzinsen können offensichtlich, insbesondere in Relation zu Einlagenzinsen von minimal über null Prozent, doch recht hoch sein. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass längst nicht alle Verbraucher*innen diese Kosten kennen. 72 Prozent derjenigen, die ein Girokonto mit Überziehungsmöglichkeit haben, kennen ihren Dispozins nicht (Abbildung 3). Sofern der Überziehungskredit genutzt wird, sinkt der Anteil der Unwissenden auf immer noch 53 Prozent. Bei Konsumentenkrediten scheint die Informationslage etwas besser: Doch immer noch jede dritte Person mit Konsumentenkredit kennt den eigenen Zins nicht. In der Summe kennen 44 Prozent der Nutzer*innen eines Konsumkredits ihren Zinssatz nicht. Da in der Befragung lediglich nach dem Zins gefragt wurde, aber nicht nachgeprüft wurde, ob diese Angabe korrekt ist, könnte es sich hier noch um eine optimistische Schätzung halten. Der Anteil derjenigen, die ihren Zinssatz nicht kennen, könnte also noch höher sein.

In anderen Untersuchungen wurde ebenfalls beobachtet, dass es ein Defizit beim Wissen um Kreditkonditionen gibt. Laut der Studie „Finanzwissen in Deutschland“ weiß knapp die Hälfte der befragten Personen nicht genau, wann bei der Überziehung des Kontos Kosten anfallen.infoFinanztip Stiftung (2021): Finanzwissen in Deutschland (online verfügbar). 25 Prozent gehen fälschlicherweise davon aus, dass die Bank nur dann Zinsen berechnet, wenn das Konto am Ende des Monats immer noch im Minus ist. Neun Prozent gehen fälschlicherweise davon aus, dass es keine Dispozinsen gibt.

Die Frage ist nun, ob sich das Problem des mangelnden Zinswissens auf bestimmte sozio-demographische Gruppen konzentriert. Eine Regressionsanalyse zeigt, dass die Merkmale Alter, Hochschulabschluss, Haushaltseinkommen, Finanzbildung, Selbstkontrolle als Persönlichkeitseigenschaft und die Präferenz für Statuskonsum keine (statistisch signifikante) Rolle für diese Frage spielen (Abbildung 4).infoSelbstkontrolle und Statuskonsum werden über etablierte Skalen gemessen. Selbstkontrolle spielt eine Rolle für die Erklärung von (zu) starker Verschuldung, vgl. Jana Hamdan (2021): Fehlende Selbstkontrolle und geringe finanzielle Bildung als Ursachen von Konsumschulden. DIW Wochenbericht Nr. 25, 431–436 (online verfügbar). Allerdings zeigen sich Unterschiede beim Geschlecht: Frauen haben eine um etwa 20 Prozentpunkte niedrigere Wahrscheinlichkeit als andere Geschlechter, den Zins für ihren Dispo- oder Konsumentenkredit zu kennen. Oder anders ausgedrückt: 55 Prozent der befragten Frauen mit Konsumkredit kennen ihren Zins nicht gegenüber 34 Prozent der Männer.

Der Effekt der Finanzbildung ist nicht statistisch signifikant in dieser multivariaten Regressionsanalyse, unter anderem weil Männer eine bessere Finanzbildung als Frauen aufweisen.

Finanzielle Bildung hilft, besser mit Geld umzugehen

Studien haben gezeigt, dass finanzielle Bildung generell hilft, das Finanzverhalten zu verbessern, vor allem beim Budgetieren und Sparen. Allerdings ist dieser Zusammenhang beim Verschuldungsverhalten oft nur schwach ausgeprägt.infoVgl. Tim Kaiser und Lukas Menkhoff (2021): Maßnahmen zur finanziellen Bildung wirken – Deutschland sollte nationale Strategie für finanzielle Bildung entwickeln. DIW Wochenbericht Nr. 38, 643–650 (online verfügbar). Wie steht es in der vorliegenden Online-Befragung um die finanzielle Bildung und die Zusammenhänge mit der Konsumverschuldung sowie dem Zinswissen?

Dazu werden den Befragten drei Standardfragen zur Finanzbildung gestellt, die die Konzepte Zins, Inflation und Diversifikation abfragen (Kasten 2). 67 Prozent beantworten alle drei gestellten Fragen richtig, 25 Prozent zwei von drei Fragen, sieben Prozent eine Frage und zwei Prozent keine. Das bedeutet, dass etwa ein Drittel der Befragten bereits Defizite bei grundlegenden Finanzthemen hat. Dies ist etwas weniger im Vergleich zu repräsentativen Stichproben wie der des SOEP-IS 2020. Hier beantworten von 682 Befragten 44 Prozent nicht alle drei Fragen richtig.

In der vorliegenden Befragung auf Deutsch lauten die drei Standardfragen wie folgt:

Angenommen, Sie haben 100 Euro Guthaben auf Ihrem Sparkonto. Dieses Guthaben wird mit zwei Prozent pro Jahr verzinst, und Sie lassen es fünf Jahre auf Ihrem Konto. Was meinen Sie: Wie hoch ist Ihr Guthaben nach fünf Jahren?

  • Mehr als 102 Euro
  • Genau 102 Euro
  • Weniger als 102 Euro
  • Weiß nicht
  • Keine Angabe

Angenommen, die Verzinsung Ihres Sparkontos beträgt ein Prozent pro Jahr und die Inflationsrate beträgt zwei Prozent pro Jahr. Was meinen Sie: Werden Sie nach einem Jahr mit dem Guthaben des Sparkontos genauso viel, mehr oder weniger als heute kaufen können?

  • Mehr
  • Genauso viel
  • Weniger
  • Weiß nicht
  • Keine Angabe

Ist die folgende Aussage richtig oder falsch: Die Anlage in Aktien eines einzelnen Unternehmens ist weniger riskant als die Anlage in einem Aktienfonds.

  • Richtig
  • Falsch
  • Weiß nicht
  • Keine Angabe

Richtige Antworten zur Finanzbildung geben häufiger Männer, ältere Menschen, Personen mit besserer Bildung und höherem Einkommen (Abbildung 5). Diese Zusammenhänge sind bekannt, unterstreichen aber, dass der Gender Gap beim Finanzwissen auch in der hiesigen jungen Stichprobe groß ist.

Tendenziell nehmen Personen mit besserer finanzieller Bildung genauso oft Konsumkredite auf, kennen aber ihre Zinsen häufiger. Bei denjenigen, die alle drei Finanzfragen statt keiner richtig beantworten, verdoppelt sich das Wissen um die eigenen Zinsen von 33 Prozent auf 61 Prozent.infoDie Anzahl der Beobachtungen ist hier begrenzt auf diejenigen mit Konsumkredit.

Literatur zeigt suboptimales Kreditverständnis

Der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, Kreditkosten zu bewerten, und dass sie dabei von oberflächlichen Merkmalen eines Kreditangebots beeinflusst werden.infoPete Lunn, Féidhlim McGowan und Noel Howard (2018): Do Some Financial Product Features Negatively Affect Consumer Decisions? A Review of Evidence. ESRI Research Series 78 (online verfügbar). Bei der Vertragswahl für eine Kreditkarte zum Beispiel treffen manche Konsument*innen keine optimalen Entscheidungen,infoSumit Agarwal et al. (2015): Do Consumers Choose the Right Credit Contracts? The Review of Corporate Finance Studies 4 (2), 239–257 (online verfügbar). und einige verteilen ihre Schulden ineffizient auf Kreditkarten mit hohen Zinssätzen.infoAlejandro Ponce, Enrique Seira und Guillermo Zamarripa (2017): Borrowing on the Wrong Credit Card? Evidence from Mexico. American Economic Review 107 (4), 1335–1361 (online verfügbar).

Insbesondere zeigen verschiedene Studien, dass unterschiedliche Preisdarstellungen, wie die Angabe von Zinskosten in Prozent oder als absoluter Betrag, Einfluss auf Kreditentscheidungen haben können (was auch über Kredite hinaus zutrifft).infoAntonia Gipp (2022): The Impact of Price Display on Financial Decisions. DIW Roundup 140 (online verfügbar). Beispielsweise nehmen Konsument*innen seltener teure Kleinkredite, sogenannte Payday Loans, auf, wenn die Kosten nicht nur in Prozent, sondern auch in absoluten Geldbeträgen angegeben werden.infoMarianne Bertrand und Adair Morse (2011): Information Disclosure, Cognitive Biases, and Payday Borrowing. The Journal of Finance 66 (6), 1865–1893 (online verfügbar). Darüber hinaus entscheiden sich Menschen häufiger für kürzere Kredite mit höheren monatlichen Rückzahlungsbeträgen und niedrigeren Gesamtkosten, wenn Informationen über die Gesamtzahlungen auch als absoluter Betrag bereitgestellt werden.infoPete Lunn, Marek Bohacek und Alicia Rybicki (2016): An Experimental Investigation of Personal Loan Choices. ESRI Research Series (online verfügbar). Passend dazu reduziert sich der Einfluss von Angaben zum effektiven Jahreszins auf Kreditentscheidungen, wenn zusätzliche Informationen über die Gesamtkosten des Kredites bereitgestellt werden.infoRob Ranyard et al. (2006): The Role of Mental Accounting in Consumer Credit Decision Processes. Journal of Economic Psychology 27 (4), 571–588 (online verfügbar). Insgesamt scheinen absolute Kostenangaben tendenziell entscheidender oder aussagekräftiger als Prozentangaben.

Experiment zu Kreditoptionen

Vor dem Hintergrund des oben dokumentierten begrenzten Finanzwissens und des Literaturstands geht der Bericht nun der Frage nach, inwiefern die Darstellung von Kreditkosten bedeutsam für die mögliche Entscheidung für eine Verschuldung ist. Dazu wird ein Experiment im Rahmen der Online-Befragung durchgeführt, das solche ursächlichen Analysen ermöglicht.

Alle 1 011 Teilnehmenden in der vorliegenden Studie werden sechs Mal nacheinander gefragt, ob sie einen Konsumkredit aufnehmen würden. Dabei wird der Gegenstand des hypothetischen Kaufes nicht näher beschrieben, sondern allein erklärt, dass es sich um einen gewünschten Kauf handelt, der nur mit einem Kredit finanzierbar wäre. Bei jeder Frage werden drei Parameter zufällig variiert: die Kredithöhe, der Zinssatz und die Darstellung der Kosten.infoEs wurden keine weiteren Angaben zur Tilgung und Kreditlaufzeit gemacht. Es zeigt sich im Folgenden eindeutig, dass die jeweilige Häufigkeit, mit der die verschiedenen Alternativen akzeptiert werden, unterschiedlich je nach Parameter ist.

Um die drei Dimensionen deskriptiv darstellen zu können, wird hier zunächst von einem marktüblichen Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr ausgegangen (Abbildung 6). Als Beispiel zeigt sich, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 57,4 Prozent ein solcher Kredit über 100 Euro über alle Darstellungsformen hinweg angenommen wird.

Wie zu erwarten, werden höhere Kreditbeträge seltener angenommen. Bei einem Betrag von 5000 Euro beträgt die Akzeptanz nur noch 34,6 Prozent. Über alle Szenarien hinweg wird rund die Hälfte der Kredite angenommen. Bei der Darstellung der Kosten werden drei Formen unterschieden: Erstens wird nur der Zinssatz und sonst nichts genannt, dann beträgt die Akzeptanz des Kredits bei den drei kleineren Beträgen jeweils gut 40 Prozent, fällt bei 5000 Euro aber auf 27,5 Prozent. Werden zweitens zusätzlich zum Zins noch die absoluten monatlichen Zinskosten in Euro genannt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit der Annahme deutlich. Werden jedoch die absoluten Zinskosten pro Jahr statt pro Monat aufgeführt, dann liegt die Akzeptanz meist zwischen den beiden anderen Darstellungsformen.

Als Alternativen werden auch niedrigere (drei Prozent) und höhere (elf Prozent) Zinssätze vorgegeben. Es zeigt sich, dass sich die Teilnehmenden konsistent preissensitiv verhalten: Durchgängig und statistisch signifikant werden Kredite deutlich stärker abgelehnt, je teurer sie sind (Tabelle 2, Spalte 1). Über alle Kredit- und Zinshöhen hinweg steigert die Variante mit zusätzlicher monatlicher Kostendarstellung hingegen die Wahrscheinlichkeit der Annahme eines Kredits im Durchschnitt um erhebliche 19 Prozentpunkte im Vergleich zur reinen Prozentangabe. Bei jährlicher Darstellung absoluter Zinskosten beträgt der Effekt nur sechs Prozentpunkte. Außerdem bestätigt sich die bereits beobachtete Zurückhaltung bei größeren Kreditsummen in der Regressionsanalyse über alle Zinshöhen hinweg.

Tabelle 2: Zusammenhang zwischen Akzeptanz eines Kredits und Zinsdarstellung

Abweichung von der Referenzgruppe in Prozentpunkten

Alle Zinshöhen 6 Prozent versus 11 Prozent Zins
Zinsdarstellung nur in Prozent Referenzgruppe Referenzgruppe
Zinsdarstellung in Prozent und Euro/Monat 19 *** 25 ***
Zinsdarstellung in Prozent und Euro/Jahr 6 *** 7 ***
Kredithöhe 100 Euro Referenzgruppe Referenzgruppe
Kredithöhe 500 Euro −3 ** −6 ***
Kredithöhe 1500 Euro −9 *** −12 ***
Kredithöhe 5000 Euro −19 *** −23 ***
Zins p. a. 3 Prozent Referenzgruppe
Zins p. a. 6 Prozent −23 *** Referenzgruppe
Zins p. a. 11 Prozent −47 *** −24 ***
Interaktion von Zinsdarstellung in Prozent und Euro/Monat und 11 Prozent Zins p. a. 3
Interaktion von Zinsdarstellung in Prozent und Euro/Jahr und 11 Prozent Zins p. a. −0
Individuen 1011 1009
Beobachtungen 6066 3990

Anmerkungen: Es handelt sich um marginale Wahrscheinlichkeitseffekte in einem binären Probitmodell. Alle Befragten haben sechs Szenarien berücksichtigt und entweder Ja, Nein oder Weiß nicht gewählt. Daher ergeben sich 6066 Entscheidungen, die hier in der Analyse enthalten sind. Die Sternchen an den Werten bezeichnen das Signifikanzniveau. Je mehr Sternchen, desto genauer: ***, ** und * geben das Signifikanzniveau auf dem Ein-, Fünf- oder Zehn-Prozent-Niveau an.

Lesebeispiel: Wenn ein Szenario einen Konsumkredit mit einem Zins in Höhe von elf Prozent pro Jahr beinhaltet, sinkt die Wahrscheinlicheit, dass das Szenario von einer Person akzeptiert wird, um 47 Prozentpunkte im Vergleich zu einem Szenario für drei Prozent pro Jahr.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der vorliegenden Datenerhebung.

Der Effekt der Darstellungsweise ist nicht eindeutig von der gezeigten Zinshöhe abhängig: Interaktionen aus Darstellungsweisen und hohem Zinssatz im Vergleich zu marktüblichem Zinssatz sind nicht statistisch signifikant (Tabelle 2, Spalte 2).

Darstellung der Kosten entscheidend

In jedem Fall wird in diesem Experiment deutlich, dass die Darstellungsform eine große Rolle spielen kann: Die Entscheidungen für einen identischen Konsumkredit fallen sehr unterschiedlich aus, je nachdem wie die gewählten Kosten dargestellt werden.

Doch welche Darstellungsform führt zu der Entscheidung, die im besten Sinne der Verbraucher*innen ist? Im hiesigen Fall steigert die Darstellung über monatliche Zinskosten die Annahme des Kredits enorm, so dass der Eindruck entsteht, die tatsächlichen Kosten würden hierbei unterschätzt. Bei der Kostenangabe pro Jahr, was die tatsächlichen Kosten bei einer einjährigen Laufzeit umfänglich wiedergibt, sinkt die Annahmebereitschaft. Jedoch nur die Zinsen anzugeben, was in den meisten Fällen die geringste Annahmebereitschaft hervorruft, mag manche Teilnehmenden abschrecken, weil sie die anfallenden Kosten nicht so gut einschätzen können. Letztlich spricht manches dafür, dass die Darstellung der Kosten mittels Zinses plus der absoluten Zinskosten pro Jahr am ehesten zur aus Verbrauchersicht optimalen Entscheidung führt.

Dies wird bestätigt, wenn man die Entscheidungen je nach Bildungsabschluss betrachtet. Teilnehmende mit Hochschulstudium lehnen teurere Kredite häufiger ab, verglichen mit Teilnehmenden ohne Abitur (Tabelle 3). Tatsächlich nehmen Hochschulabsolvent*innen einen Kredit auch häufiger an, wenn die Darstellung die jährlichen Zinskosten beinhaltet. Ähnliches gilt, wenn man Gruppen nach Finanzbildung differenziert.

Tabelle 3: Akzeptanz eines hypothetischen Kredits je nach Bildungsstand

Abweichung von der jeweiligen Referenzgruppe in Prozentpunkten (Schätzung einer Regressionsfunktion)

Niedrige Finanzbildung Hohe Finanzbildung Kein Abitur Hochschulabschluss
Zinskosten in Prozent Referenzgruppe Referenzgruppe Referenzgruppe Referenzgruppe
Zinskosten in Prozent und Euro/Monat 21 *** 19 *** 16 *** 20 ***
Zinskosten in Prozent und Euro/Jahr 4 6 *** 3 8 ***
Kredithöhe 100 Euro Referenzgruppe Referenzgruppe Referenzgruppe Referenzgruppe
Kredithöhe 500 Euro −1 −3 −6 −1
Kredithöhe 1500 Euro −9 −10 *** −14 *** −6 **
Kredithöhe 5000 Euro −23 *** −18 *** −22 *** −18 ***
Zins p. a. 3 Prozent Referenzgruppe Referenzgruppe Referenzgruppe Referenzgruppe
Zins p. a. 6 Prozent −11 ** −26 *** −19 *** −25 ***
Zins p. a. 11 Prozent −42 *** −49 *** −44 *** −48 ***
Individuen 88 673 163 510
Beobachtungen 528 4038 978 3060

Anmerkungen: Es handelt sich um marginale Wahrscheinlichkeitseffekte in einem binären Probitmodell. Alle Befragten haben sechs Szenarien berücksichtigt und entweder Ja, Nein, oder Weiß nicht gewählt. Hohe Finanzbildung bedeutet alle drei Finanzfragen korrekt zu beantworten. Niedrige Finanzbildung bedeutet keine oder nur eine Frage der drei Finanzfragen richtig zu beantworten (dies trifft auf neun Prozent der Stichprobe zu). Die Sternchen an den Werten bezeichnen das Signifikanzniveau. Je mehr Sternchen, desto genauer: ***, ** und * geben das Signifikanzniveau auf dem Ein-, Fünf- oder Zehn-Prozent-Niveau an.

Lesebeispiel: Werden die Zinskosten zusätzlich in absoluten monatlichen Werten dargestellt, steigt die Akzeptanz des Kredits bei Menschen mit geringer Finanzbildung um 21 Prozentpunkte, bei Menschen mit hoher Finanzbildung um 19 Prozentpunkte.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der vorliegenden Datenerhebung.

Dennoch bleibt es etwas überraschend, dass im hiesigen Experiment anders als in verwandten StudieninfoDiese unterscheiden sich jedoch nicht nur im Kontext, sondern auch erheblich in den Parametern: Es werden andere Kreditarten, Zinshöhen und Zusatzinformationen betrachtet und variiert. über den prozentualen Zinssatz hinausgehende Angaben zu höherer Annahmebereitschaft des Kreditangebots führen.

Vorgaben des Verbraucherschutzes nicht konsistent bei Dispo- und Konsumentenkredit

Das Ziel des Verbraucherschutzes mit Blick auf Konsumkredite ist es, Menschen davor zu bewahren, übereilt Kredite aufzunehmen, die sie sich entweder nicht leisten können oder die sie in ihren Konsequenzen, vor allem hinsichtlich der Kosten, nicht überblicken. Deshalb hat der Verbraucherschutz auch darauf hingewirkt, dass die Darstellung von Kreditkonditionen leicht verständlich ist. So wurde bereits vor Jahrzehnten festgelegt, wie der Zinssatz zu berechnen ist, so dass Angaben verschiedener Anbieter vergleichbar werden.

Zuletzt wurden recht umfangreiche Angaben zu Konsumentenkrediten vorgeschrieben, die insbesondere die absoluten Kosten von Zinszahlungen (und weiteren Kosten) beinhalten (Kasten 3). Bezogen auf die drei oben getesteten Darstellungsformen ist die ausschließliche Prozentangabe nur noch für Dispokredite, den beliebtesten Konsumkrediten der Deutschen, zulässig. Bei Konsumentenkrediten hingegen gehen die Vorgaben über das hinaus, was im hiesigen Experiment als Information angeboten wird. Insbesondere muss der Gesamtbetrag des Kredits genannt werden, während hier nur die Zinszahlungen in absoluten Beträgen angegeben werden, und weiterhin müssen Zins und Gesamtbetrag an einem repräsentativen Beispiel erläutert werden, was hier nicht geschieht.

Der Verbraucherschutz am Finanzmarkt in Deutschland wird durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) umgesetzt. Gesetzliche Informationspflichten für Kreditinstitute regeln, dass, wenn das Kreditinstitut den Konsument*innen das Recht einräumt, ihr Konto in bestimmter Höhe zu überziehen, dann ebenso verpflichtet ist, die Verbraucher*innen in regelmäßigen Zeitabständen über die anfallenden Kosten zu informieren.info§ 504 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) In diesem Fall umfassen diese Angaben nur den angewendeten Sollzinssatz sowie den Höchstbetrag, der als Dispokredit zur Verfügung steht.infoArt. 247 § 16 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB)

Vor Abschluss eines Konsumentenkreditvertrages sind die Finanzinstitute verpflichtet, die erforderlichen Erläuterungen zu geben.info§ 491a Abs. 3 Satz 1 BGB Bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen beinhalten diese Angaben den effektiven Jahreszins, den Sollzinssatz, den Betrag, die Zahl und die Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen sowie den Gesamtbetrag des Kredites (Darlehensbetrag plus Gesamtkosten).infoArt. 247 § 3 Abs. 2 EGBGB Zusätzlich müssen der effektive Jahreszins und der Gesamtbetrag anhand eines repräsentativen Beispiels erläutert werden.infoArt. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB Der effektive Jahreszins gibt die Gesamtkosten eines Kredites ausgedrückt als jährlicher Prozentsatz des Nettodarlehensbetrags an. Die Gesamtkosten umfassen die zu zahlenden Zinsen sowie alle sonstigen im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag anfallenden Kosten.info§ 16 PAngV Darüber hinaus sind Kreditinstitute verpflichtet, die Kosten, die nicht im effektiven Jahreszins einberechnet sind, und den Verzugszinssatz anzugeben.infoArt. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB Diese Informationspflichten gelten unter anderem nicht für Verträge mit einem Nettodarlehensbetrag unter 200 Euro sowie für Verträge mit einer Laufzeit von bis zu drei Monaten und nur geringen Kosten.info§ 491 Abs. 2 Satz 2 BGB

Aus Sicht der Finanzinstitute ist es naheliegend, die Kosten gering aussehen zu lassen. So werden häufig, ähnlich wie im hier beschriebenen Experiment, die geringen Rückzahlungsbeträge pro Monat betont statt der gesamten Zinskosten in Euro.

Fazit: Mehr Finanzbildung und transparentere Informationen auch beim Dispokredit wünschenswert

Die Analyse der Befragung zeigt klare Defizite der Verbraucher*innen im Umgang mit Konsumkrediten auf. Rund 40 Prozent derjenigen, die einen Kredit haben, kennen ihren Zins nicht, also nutzen ein Produkt, ohne den Preis zu kennen.

Ein weiteres Problemfeld ist die Wahrnehmung von Kreditkosten, je nach Darstellung. Ein Konsumkredit über 1000 Euro und zehn Prozent Zins, der nach einem Jahr zurückgezahlt wird, kostet pro Jahr 100 Euro Zinsen oder gut acht Euro Zinsen im Monat. Die Kosteninformation ist in diesen drei Fällen immer dieselbe, aber die Entscheidungen der Verbraucher*innen unterscheiden sich stark. Verglichen mit der reinen Prozentangabe führt die zusätzliche Nennung von absoluten Zinskosten zu höherer Annahmebereitschaft eines Kreditangebots. Der Effekt ist besonders stark, wenn der absolute monatliche Zinsbetrag genannt wird.

Als Konsequenz dieser Ergebnisse sind zwei Maßnahmen naheliegend: Erstens hilft finanzielle Bildung vermutlich, weil die Betreffenden wenigstens besser über ihre Zinsen informiert sind. Auch im Experiment ist bessere Finanzbildung mit höherer Preissensitivität korreliert. Allerdings nehmen auch besser informierte Personen Kredite häufiger an, wenn deren Zinskosten mit monatlichen Absolutbeträgen statt mit jährlichen Beträgen oder Prozentangaben dargestellt werden.

Zweitens sollte geprüft werden, ob Kreditinformationen um weitere Vorgaben bei der Darstellung von Zinskosten ergänzt werden sollten. Insbesondere die nur scheinbare „Verringerung“ von Kosten, hier getestet über die Angabe monatlicher Absolutbeträge, ist kritisch zu betrachten. Gerade bei Dispokrediten sollte geprüft werden, inwiefern transparentere Kosteninformationen eine kürzere Nutzungsdauer der oft teuren Schulden herbeiführen können. Dies ist im Einklang mit den Forderungen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die kürzlich eine weitere Regulierung dieser Kredite gefordert haben. So sollen Bankkund*innen benachrichtigt und beraten werden, sobald der Dispo regelmäßig oder mehr als einen Monat am Stück genutzt wird.infoVgl. Europäisches Parlament (2022): Verbraucherkredite: Warum aktualisierte EU-Vorschriften notwendig sind (online verfügbar). Siehe insbesondere Artikel 25 im aktuellen Entwurf der Resolution hier. Dies verspricht, bei einer Umsetzung zumindest das Zinswissen derjenigen, denen eine Überschuldung droht, zu verbessern.

Lukas Menkhoff

Senior Research Associate in der Abteilung Makroökonomie



JEL-Classification: D18;G51;G53
Keywords: Household finance, consumer debt, financial literacy
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-37-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/265852

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