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Energiekrise: Warum will der Staat partout Preisdeckel einführen? Kommentar

DIW Wochenbericht 38 / 2022, S. 494

Alexander S. Kritikos, Alexander Kriwoluzky

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Nach den unzureichenden und wenig zielgenauen Entlastungspaketen 1 und 2 der Bundesregierung waren die Erwartungen an das „wuchtige“ dritte Entlastungspaket niedrig. Insofern überrascht manch sinnvoller Vorschlag des neuen Pakets. Dennoch wird es weder die Not der von den massiven Energiepreissteigerungen am stärksten betroffenen Haushalte ausreichend lindern, noch setzt es die nötigen Einsparsignale.

Ein Gedankenexperiment: was würde passieren, wenn der Staat nicht in die Preisbildung für Energie eingriffe? Preise haben eine Lenkungsfunktion, auch wenn es zu abrupten Verknappungen kommt. Würde die Bundesregierung die Energiepreise den Marktkräften überlassen, auch den Gasversorgern die Weitergabe der Kosten gestatten, ginge von den extrem steigenden Marktpreisen ein erheblicher Anreiz zum Energiesparen aus. Ersten Schätzungen des DIW zufolge gäbe es für Gas ein Einsparpotential von 25 Prozent. Das entspricht ziemlich genau der Menge, um über den Winter zu kommen. Natürlich hätte das auch andere Konsequenzen: Für Geringverdienende und die untere Mittelschicht, die nicht genug Einkommen oder Erspartes haben, um die hohen Preise abzufedern, kann dies die Zahlungsunfähigkeit und die Abkoppelung von der Energiezufuhr bedeuten. Eine Vielzahl von Privatinsolvenzen stünde ins Haus.

Solche sozialen Verwerfungen rechtfertigen in einer sozialen Marktwirtschaft die gezielte Unterstützung dieser Haushalte durch den Staat, aber eben nur dieser. Die Gewährung von Pauschalzahlungen an alle Haushalte, deren Einkommen unterhalb des Medians liegen, ermöglicht eine solche zielgenaue Unterstützung. Ganz wichtig dabei: Der Anreiz zum Energiesparen bliebe gleichzeitig erhalten. Leider zielen die Maßnahmen des dritten Pakets meist nur auf die untersten Einkommen und vernachlässigen die untere Mittelschicht.

Stattdessen hat die Bundesregierung verschiedene Preisdeckel angekündigt. Eine Kommission soll über einen Gaspreisdeckel nachdenken, ebenso sollen die Strompreise für den Grundbedarf gedeckelt werden. Das Ganze soll dann auch noch durch die Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ finanziert werden. Durch solche Deckel wird die marktorientierte Preissetzung ausgesetzt, die aktuelle Knappheiten widerspiegelt. Dieser Vorschlag hat nur einen Vorteil gegenüber Pauschalzahlungen. Geringverdienende Haushalte, die in schlecht isolierten Wohnungen leben und für die eine unterstützende Pauschalzahlung daher zu gering ausfiele, würden besser unterstützt. Das gilt aber auch nur, sofern sie den Energieträger nutzen, dessen Preis gedeckelt wird.

Preisdeckel haben gegenüber einer Pauschalzahlung an bestimmte Zielgruppen viele Nachteile. Erstens senkt ein Preisdeckel die Kosten für alle Haushalte. Würde der Preisdeckel bei einer relativ hohen Menge angesetzt werden, resultierte aus dieser Subvention ähnlich dem Tankrabatt eine Umverteilung von unten nach oben. Zweitens ginge über einen solchen Preisdeckel der Anreiz zum Energiesparen verloren. Drittens führt ein auf bestimmte Energieträger beschränkter Preisdeckel zu weiteren Verzerrungen. Dadurch würden die Preise für Energieträger ohne Preisdeckel relativ teuer. Und geringverdienende Haushalte, die auf andere Energieträger angewiesen sind, wären weiterhin auf anderweitige finanzielle Unterstützung angewiesen.

Aber es ist noch nicht zu spät, von der Deckelei der Preise abzulassen und gezielte Hilfen über Pauschalen an diejenigen auszureichen, die staatliche Unterstützung wirklich benötigen. Dafür wäre es sinnvoll, wenn der Bund die notwendige Infrastruktur entwickelte, um solche Auszahlungen als „negative Einkommenssteuer“ über die Steuerbehörden zu realisieren. Gleichzeitig könnte der Staat Energieunternehmen höher besteuern, die von den hohen Energiepreisen profitieren, aber solche Unternehmen von der steuerlichen Belastung ausnehmen, die ihre Gewinne in zusätzliche Kapazitäten für erneuerbare Energien investieren. Denn es sind diese Energieträger, die Deutschland unabhängig von anderen Lieferanten machen.

Der Beitrag ist in einer längeren Fassung am 16. September 2022 auf Welt online erschienen.

Alexander Kriwoluzky

Abteilungsleiter in der Abteilung Makroökonomie

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