DIW Wochenbericht 45 / 2022, S. 579-589
Heike Belitz
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„Wir haben eine starke Industrieforschung in Deutschland, aber der weltweit wichtigste Industrieforschungsstandort ist inzwischen China, gefolgt von den USA und Japan, Deutschland dann an vierter Stelle. Deutschland hat seine Position bei der Industrieforschung auch in den letzten Jahren ganz gut halten können, sie wird aber angegriffen von Ländern wie China und den USA.“ Heike Belitz
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) sind in Deutschland im Corona-Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um insgesamt 5,3 Prozent gesunken. Während die OECD-Länder erstmals in einem Krisenjahr ihre FuE-Aufwendungen im Durchschnitt sogar leicht erhöhten, ging es am Forschungsstandort Deutschland stärker bergab als in der Finanzkrise im Jahr 2009 – insbesondere in der Industrie und hierbei im Kraftfahrzeugbau. Geringer war der Rückgang des FuE-Personals. Im internationalen Vergleich war die Entwicklung der deutschen Industrieforschung schon vor 2020 wenig dynamisch. Die FuE-Intensität, also die FuE-Aufwendungen in Relation zur Wirtschaftsleistung, stieg zwar über die Jahre, liegt aber unter derjenigen in den USA und Japan. Erste Daten für 2021 zeigen, dass forschungsstarke deutsche Unternehmen wieder mehr für FuE ausgaben als 2020, das Wachstum allerdings weiterhin unter dem Durchschnitt ihrer internationalen Wettbewerber blieb. Weltweit wächst die FuE vor allem in Branchen, auf die deutsche Großunternehmen nicht spezialisiert sind, etwa Software und Computerdienste, Hardwareproduktion sowie Pharma und Biotechnologie. Um die technologische Breite der Forschung für die doppelte Transformation zu einer digitalisierten und klimaneutralen Wirtschaft zu sichern, sind die Industrieunternehmen verstärkt auf den Zugang zu weltweitem Wissen angewiesen – etwa über eigene Forschungseinheiten im Ausland und internationale Forschungskooperationen.
Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) sind eine wesentliche Voraussetzung für Innovationen. Mit Blick auf die notwendige Transformation zu einer digitalisierten und klimaneutralen Wirtschaft gewinnen sie zusätzlich an Bedeutung. Gemessen an den gesamten FuE-Aufwendungen in der Wirtschaft und im öffentlichen Bereich ist Deutschland weltweit der fünftgrößte Forschungsstandort und der wichtigste in Europa. An erster Stelle stehen die USA, gefolgt von China, Japan und Südkorea.
Nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 ging das Wachstum der realen FuE-Aufwendungen in den Mitgliedsländern der OECD und der Europäischen Union (EU-27, ohne Vereinigtes Königreich) zunächst zurück und stieg danach wieder (Tabelle 1). In China und Südkorea blieb das durchschnittliche jährliche Wachstum jedoch hoch. Es sank erst im Zeitraum von 2012 bis 2016, war in diesen Jahren jedoch immer noch höher als in der OECD und den EU-27-Ländern. Von 2016 bis 2020 war das durchschnittliche jährliche Wachstum der FuE-Aufwendungen in der OECD mit 4,1 Prozent wieder fast so hoch wie vor der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die USA verzeichneten in dieser Periode mit 5,9 Prozent sogar ein höheres durchschnittliches Wachstum als vor der Krise. Getrieben wurde der positive weltweite Trend von der Wirtschaft, die etwas höhere Zuwächse erreichte als der öffentliche Sektor mit seinen Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
In Prozent
OECD | USA | Japan | Südkorea | China | EU-27 | Deutschland | Frankreich | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
FuE-Aufwendungen 2020 in Milliarden Dollar (kaufkraftbereinigt) | 1648,2 | 720,9 | 174,1 | 112,9 | 582,8 | 442,0 | 143,4 | 74,6 |
Insgesamt | ||||||||
2004–2008 | 4,5 | 4,6 | 3,4 | 10,0 | 17,0 | 4,2 | 3,9 | 1,3 |
2008–2012 | 1,2 | 0,2 | −1,0 | 10,2 | 17,3 | 2,2 | 3,1 | 2,3 |
2012–2016 | 2,8 | 3,8 | 0,6 | 3,9 | 9,8 | 1,8 | 2,1 | 0,9 |
2016–2020 | 4,1 | 5,9 | 0,7 | 6,8 | 9,0 | 2,8 | 1,7 | 0,9 |
2009 | −1,2 | −0,8 | −8,5 | 6,1 | 26,0 | 0,0 | −1,1 | 4,2 |
2020 | 1,8 | 5,0 | −2,7 | 3,2 | 9,4 | −1,8 | −5,3 | −1,0 |
Wirtschaft | ||||||||
2004–2008 | 5,3 | 5,8 | 4,5 | 9,5 | 19,7 | 4,2 | 3,8 | 1,1 |
2008–2012 | 0,8 | −0,5 | −1,6 | 11,1 | 18,4 | 2,3 | 2,7 | 3,1 |
2012–2016 | 3,7 | 5,1 | 1,3 | 3,9 | 10,3 | 2,8 | 2,2 | 1,1 |
2016–2020 | 4,6 | 6,7 | 0,6 | 7,2 | 8,7 | 2,9 | 1,3 | 1,3 |
2009 | −4,1 | −3,5 | −11,6 | 4,6 | 25,9 | −2,3 | −3,5 | 2,5 |
2020 | 1,5 | 5,5 | −3,3 | 1,6 | 9,6 | −3,0 | −7,8 | −0,6 |
Öffentlicher Sektor | ||||||||
2004–2008 | 2,9 | 1,8 | −0,2 | 11,6 | 10,8 | 4,1 | 4,3 | 1,5 |
2008–2012 | 2,2 | 1,7 | 1,0 | 7,1 | 14,0 | 2,1 | 4,1 | 1,0 |
2012–2016 | 0,6 | 0,6 | −1,8 | 4,2 | 8,3 | 0,1 | 2,0 | 0,5 |
2016–2020 | 2,8 | 3,7 | 0,8 | 5,1 | 10,1 | 2,6 | 2,6 | 0,1 |
2009 | 5,0 | 5,7 | 3,0 | 10,9 | 26,1 | 3,9 | 4,3 | 7,1 |
2020 | 2,6 | 3,3 | −0,4 | 9,6 | 8,8 | 0,4 | 0,3 | −1,7 |
Quellen: OECD (MSTI); eigene Berechnungen.
In Deutschland war es anders: Das durchschnittliche jährliche FuE-Wachstum sank im Zeitraum nach der Krise 2009 (Abbildung 1). Von 2016 bis 2020 lag es mit jahresdurchschnittlich 1,7 Prozent nicht nur unter dem der OECD, sondern auch der EU-27 (2,8 Prozent). Auch die FuE-Aufwendungen der Unternehmen stiegen in Deutschland in diesen Jahren mit durchschnittlich 1,3 Prozent langsamer. Während die OECD und die EU-27 ihr Wachstum gegenüber dem vorherigen Zeitraum von 2012 bis 2016 erhöhen konnten, ging es in Deutschland damit nochmals zurück.
Selbst im Corona-Krisenjahr 2020 wuchsen die realen FuE-Aufwendungen OECD-weit gegenüber dem Vorjahr leicht (1,8 Prozent, Tabelle 1). Damit machte sich diese Krise in Forschung und Entwicklung deutlich milder bemerkbar als die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise 2009, in der die realen FuE-Aufwendungen um 1,2 Prozent gesunken waren. In Deutschland schrumpften sie jedoch im Jahr 2020 stark (minus 5,3 Prozent). Die deutschen Unternehmen haben ihre FuE-Aufwendungen im ersten Pandemiejahr sogar um 7,8 Prozent reduziert und damit mehr als die Unternehmen in anderen großen Forschungsnationen, aber auch mehr als im Durchschnitt der EU-27-Länder (minus drei Prozent). In China und den USA wuchsen die FuE-Aufwendungen der Wirtschaft dagegen sogar im Krisenjahr 2020.
Der öffentliche Sektor hat in Deutschland seine FuE-Aufwendungen im Jahr 2020 zwar nicht verringert, die Wachstumsrate lag aber unter dem Durchschnitt der OECD und auch der EU-27. Im Zeitraum von 2016 bis 2020 entsprach sie dem Durchschnitt der EU-27, war aber niedriger als in der OECD und deutlich geringer als in China, Südkorea und den USA. Somit verzeichnete Deutschland im Vergleich mit anderen führenden Forschungsnationen in den letzten Jahren eine schwache und bis zuletzt abnehmende Dynamik bei der Entwicklung der gesamten FuE-Aufwendungen. Im Jahr 2020 ging deshalb auch der Anteil von FuE am Bruttoinlandsprodukt, also die FuE-Intensität, in Deutschland leicht auf 3,14 Prozent zurück. Die FuE-Aufwendungen sanken also etwas stärker als die Produktion, und das Ziel der Bundesregierung, im Jahr 2025 eine Intensität von 3,5 Prozent zu erreichen, rückte wieder in weitere Ferne. Unter den sieben führenden Forschungsnationen hatte Deutschland noch bis 2018 nach Südkorea und Japan die dritthöchste FuE-Intensität, wurde jedoch bereits 2019 von den USA überholt (Abbildung 2).
In den Unternehmen in Deutschland war der Rückgang der internen FuE-Aufwendungen und des FuE-Personals (gemessen in Vollzeitäquivalenten) während der Corona-Krise stärker als während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 (Tabelle 2). Im verarbeitenden Gewerbe war es allerdings beim FuE-Personal umgekehrt. Der Rückgang war hier 2020 mit 2,5 Prozent nur halb so hoch wie 2009. Dabei wirkte aber 2009 auch ein Struktureffekt: Parallel zum Abbau im verarbeitenden Gewerbe wurde das FuE-Personal in den Bereichen Information und Kommunikation sowie Freiberufliche und wissenschaftlich-technische Dienstleistungen aufgebaut, so dass der Personalrückgang insgesamt sehr gering war. Hierbei dürfte auch das Outsourcing von FuE und der damit verbundene Branchenwechsel von Forschungseinheiten aus den Industrieunternehmen eine Rolle gespielt haben.
2009 | 2020 | 2009 | 2020 | |
---|---|---|---|---|
Interne FuE-Aufwendungen | ||||
In Millionen Euro | In Prozent | |||
Insgesamt | −798 | −4798 | −1,7 | −6,3 |
Verarbeitendes Gewerbe | −2066 | −5047 | −5,1 | −7,8 |
Kraftfahrzeugbau | −1463 | −3836 | −9,6 | −13,6 |
Computer, Elektronik, Optik | −660 | −64 | −10,2 | −0,7 |
Maschinenbau | −172 | −516 | −3,7 | −6,9 |
Pharmaindustrie | 482 | −145 | 14,1 | −3,4 |
Information und Kommunikation | 648 | 224 | 33,8 | 5,2 |
Freiberufler, wissenschaftlich-technische Dienste | 510 | −58 | 21,2 | −1,0 |
FuE-Personal | ||||
In Vollzeitäquivalenten | In Prozent | |||
Insgesamt | −418 | −8232 | −0,1 | −1,7 |
Verarbeitendes Gewerbe | −14596 | −9229 | −5,0 | −2,5 |
Kraftfahrzeugbau | −2789 | −5106 | −3,1 | −3,7 |
Computer, Elektronik, Optik | −4740 | 985 | −8,7 | 1,6 |
Maschinenbau | −2770 | −1418 | −6,8 | −2,7 |
Pharmaindustrie | 192 | −643 | 1,0 | −2,9 |
Information und Kommunikation | 6619 | 1573 | 42,8 | 5,0 |
Freiberufler, wissenschaftlich-technische Dienste | 6605 | −941 | 31,6 | −1,7 |
Quellen: Stifterverband Wissenschaftsstatistik; eigene Berechnungen.
Im Jahr 2020 wurde das FuE-Personal der Unternehmen insgesamt um 1,7 Prozent und damit deutlich weniger zurückgefahren als die internen FuE-Aufwendungen mit 6,3 Prozent. Dies spricht dafür, dass die Unternehmen trotz sinkender FuE-Aufwendungen in der letzten Krise bestrebt waren, ihr Personal in diesem Bereich weitgehend zu halten. Dazu dürfte das Instrument der Kurzarbeit wesentlich beigetragen haben, das 2020 von den Unternehmen nochmal deutlich stärker genutzt wurde als 2009.Während im April 2020 knapp jede*r fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus konjunkturellen Gründen in Kurzarbeit war (18 Prozent), war es im Mai 2009 nur jede*r zwanzigste Arbeitnehmer*in (fünf Prozent). Auch im verarbeitenden Gewerbe, wo sich die FuE-Aufwendungen konzentrieren, wurden die bereits hohen Kurzarbeitsquoten der Wirtschafts- und Finanzkrise nochmals deutlich übertroffen. Vgl. Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021): Grundlagen: Methodenbericht – Einführung einer Kurzarbeiterquote. Oktober 2020 (Zweite Fassung 2021).
Der Rückgang der internen FuE im Jahr 2020 konzentrierte sich auf das verarbeitende Gewerbe, das in Deutschland immer noch gut 83 Prozent der internen FuE-Aufwendungen aller Unternehmen auf sich vereint.Im Jahr 2007 waren es noch 88 Prozent gewesen. Gegenläufig dazu hat die Branche Information und Kommunikation auch im Krisenjahr 2020 ihre FuE-Aufwendungen erhöht. Ihr Anteil an den gesamten privaten internen FuE-Aufwendungen liegt jedoch bislang nur bei 6,4 Prozent.
Mit 80 Prozent entfiel der größte Beitrag zum Rückgang der internen FuE-Aufwendungen der Unternehmen in Deutschland auf den Kraftfahrzeugbau, der 34 Prozent der privaten FuE-Aufwendungen trägt. Er war also in der Krise überproportional am Rückgang der FuE beteiligt. Im Zeitraum von 2010 bis 2020 lag der Anteil des Kraftfahrzeugbaus am gesamten Zuwachs der FuE-Aufwendungen aber leicht über seinem Anteil im Ausgangsjahr. Der Maschinenbau trug 2020 rund zehn Prozent zum Rückgang bei, was seinem Anteil an den gesamten FuE-Aufwendungen entsprach. Auch die Chemie- und die Pharmaindustrie hat ihre internen FuE-Aufwendungen 2020 leicht gekürzt.Diesem Rückgang steht etwa die bekannte Erfolgsgeschichte der Firma BioNTech entgegen, die ihre FuE-Ausgaben von 226 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 645 Millionen Euro im Jahr 2020 mehr als verdoppelte, vgl. BioNTech-Pressemitteilung vom 30. März 2022 (online verfügbar; abgerufen am 26. Oktober 2022. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Die Innovationserhebung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) weist für das Coronakrisenjahr 2020 sogar einen erwartungsgemäßen Anstieg der Innovationsausgaben der Chemie- und Pharmaindustrie aus. Vgl. ZEW (2022): Innovationen in der deutschen Wirtschaft: Indikatorenbericht zur Innovationserhebung 2021 (online verfügbar).
Um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrieforschung bewerten zu können, bietet sich ein internationaler Vergleich an. Die weltweiten FuE-Aktivitäten im verarbeitenden Gewerbe sind demnach in sieben Ländern – China, USA, Japan, Deutschland, Südkorea, Frankreich und Italien – konzentriert.Die FuE-Aufwendungen des verarbeitenden Gewerbes im nächstfolgenden Land Belgien waren 2019 nur noch halb so groß wie in Italien (Rang 6). Auf diese Länder entfallen knapp 90 Prozent der industriellen Forschungskapazitäten der OECD-Länder und Chinas zusammen.Für diese und weitere Länder liegen von der OECD teilweise geschätzte Daten zu den FuE-Aufwendungen im verarbeitenden Gewerbe nach Branchen vor. Siehe die Datenbasis der OECD, Analytical Business Enterprise Research and Development (ANBERD), Version vom April 2022. In Deutschland, China, Japan und Südkorea entfielen im Jahr 2019 zwischen 85 und 88 Prozent der internen FuE-Aufwendungen aller Unternehmen auf das verarbeitende Gewerbe. Deutlich geringer war dieser Anteil in Italien (66 Prozent), den USA (58 Prozent) und auch in Frankreich (49 Prozent im Jahr 2017Für Frankreich liegen nur Daten bis 2017 vor.), wo FuE in großem Umfang im Dienstleistungsbereich stattfindet.
Der Anteil der Unternehmen in China an den gesamten kaufkraftbereinigten FuE-Aufwendungen der sieben großen Industrieforschungsländer stieg von 25 Prozent im Jahr 2010 auf 37 Prozent im Jahr 2019 (Tabelle 3). China ist damit inzwischen das Land mit den weltweit größten Forschungskapazitäten im verarbeitenden Gewerbe. Deutschland konnte seinen Anteil mit fast neun Prozent etwa halten und ist der viertgrößte Industrieforschungsstandort. Die vor Deutschland liegenden USA und Japan haben in den letzten zehn Jahren jedoch deutlich an Gewicht verloren. Der Anteil der USA an den industriellen FuE-Aufwendungen der sieben Länder sank von 36 Prozent auf 30 Prozent, der von Japan von gut 17 auf zwölf Prozent. In den USA wird der Bedeutungsverlust der FuE in der Industrie aber von einem starken Wachstum der FuE im Dienstleistungsbereich überkompensiert.
China | Deutschland | Frankreich1 | Italien | Japan | Südkorea | USA | 7 Länder insgesamt | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Verteilung auf Länder nach Branchen in Prozent | |||||||||
Verarbeitendes Gewerbe | 37,0 | 8,9 | 2,2 | 1,7 | 12,4 | 7,5 | 30,3 | 100 | 100,0 |
Chemie | 44,1 | 10,4 | 2,3 | 1,4 | 16,2 | 7,7 | 17,9 | 100 | 5,9 |
Pharma | 11,4 | 5,7 | 0,8 | 0,8 | 10,1 | 1,6 | 69,6 | 100 | 13,3 |
Computer, Elektronik, Optik | 26,9 | 4,9 | 2,1 | 0,7 | 10,8 | 17,8 | 36,9 | 100 | 24,6 |
Elektrische Ausrüstungen | 65,1 | 7,0 | 2,1 | 2,0 | 8,0 | 4,9 | 10,9 | 100 | 5,3 |
Maschinenbau | 44,6 | 11,7 | 1,7 | 3,5 | 15,2 | 5,1 | 18,2 | 100 | 8,9 |
Kraftfahrzeugbau | 21,1 | 25,9 | 2,1 | 1,7 | 25,5 | 6,7 | 17,0 | 100 | 15,1 |
Sonstiger Fahrzeugbau | 24,0 | 6,2 | 8,9 | 5,2 | 2,5 | 2,3 | 51,0 | 100 | 4,4 |
Restliche Branchen | 64,7 | 3,4 | 1,9 | 1,9 | 7,6 | 2,9 | 17,5 | 100 | 22,5 |
Veränderung des Anteils der Länder nach Branchen im Jahr 2019 im Vergleich zu 2010 in Prozentpunkten | |||||||||
Verarbeitendes Gewerbe | 12,1 | −0,3 | −1,7 | −0,1 | −5,0 | 1,2 | −6,2 | 0 | – |
Chemie | 10,8 | −0,8 | −1,5 | 0 | −3,1 | 1,8 | −7,1 | 0 | – |
Pharma | 4,6 | −0,7 | −0,6 | −0,2 | −5,5 | 0,4 | 2,1 | 0 | – |
Computer, Elektronik, Optik | 22,9 | −1,1 | −1,8 | −0,7 | −10,2 | 2,1 | −11,1 | 0 | – |
Elektrische Ausrüstungen | 7,3 | 0,6 | −2,0 | −0,1 | −5,0 | 1,1 | −1,8 | 0 | – |
Maschinenbau | 6,9 | −0,1 | −1,3 | 0,6 | −4,5 | 0,6 | −2,3 | 0 | – |
Kraftfahrzeugbau | 0,3 | 2,0 | −1,9 | −0,1 | −4,6 | 0,5 | 3,8 | 0 | – |
Sonstiger Fahrzeugbau | 5,4 | 0,2 | 1,6 | 2,4 | 1,6 | 1,0 | −12,2 | 0 | – |
Restliche Branchen | 13,1 | −1,6 | −2,1 | 0 | −4,8 | 0 | −4,6 | 0 | – |
1 2017, da keine aktuelleren Daten vorliegen.
Quellen: OECD (ANBERD); eigene Berechnungen und Schätzungen.
78 Prozent der Industrieforschungsaufwendungen entfielen im Jahr 2019 in den führenden Nationen auf sieben FuE-intensive Branchen, in denen der jeweilige Anteil der FuE-Aufwendungen an der Wertschöpfung besonders hoch ist.Von der OECD werden die Branchen Pharma und Computer, Elektronik, Optik als hoch-FuE-intensiv klassifiziert, der Sonstige Fahrzeugbau, der Kraftfahrzeugbau, der Maschinenbau, die Chemie und die Herstellung elektrischer Ausrüstungen als mittelhoch-FuE-intensiv. Diese Branchen haben nicht nur besonders hohe FuE-Ausgaben, sondern stehen auch in einem intensiven internationalen Wettbewerb. Siehe Fernando Galindo-Rueda und Fabien Verger (2016): OECD Taxonomy of Economic Activities Based on R&D Intensity. OECD Publishing (online verfügbar). Dazu zählen Computer, Elektronik, Optik und Pharma – in diesen Branchen haben die USA die weltweit höchsten FuE-Aufwendungen. Während sie ihr Gewicht im Pharmabereich zuletzt vergrößern konnten, ist es in der Computer- und Elektronikbranche zurückgegangen. China hat sein Gewicht bei FuE in der letzten Dekade in den Branchen Computer und Elektronik, Chemie, Elektrische Ausrüstungen und Maschinenbau beträchtlich erhöht und in den drei letztgenannten Branchen inzwischen die jeweils weltweit höchsten FuE-Aufwendungen. Spiegelbildlich haben vor allem die USA und Japan in diesen Branchen an Gewicht verloren. Neben China konnte auch Südkorea seinen Anteil an den weltweiten Forschungskapazitäten erhöhen.
Im Kraftfahrzeugbau entfielen auf Deutschland die weltweit größten FuE-Aufwendungen (knapp 26 Prozent), allerdings dicht gefolgt von Japan und China. In dieser Branche hat Deutschland als Forschungsstandort seine Position in den letzten Jahren sogar leicht ausgebaut. Die für den deutschen Industriestandort so wichtigen Automobilbauer stehen angesichts des Klimawandels und neuer internationaler Wettbewerber wie Tesla unter großem Innovationsdruck. Ihre FuE-Aufwendungen müssen sich nicht nur auf neue klimafreundliche Antriebe (Elektromotor, Brennstoffzelle) für Fahrzeuge richten, sondern diese auch in künftigen Mobilitätssystemen vernetzen, so dass energieeffizientes, sicheres automatisiertes Fahren möglich wird.
Eine zentrale Größe zur Bewertung der Unternehmensforschung im internationalen Vergleich ist die FuE-Intensität, also die Relation der FuE-Aufwendungen zur damit erzeugten Produktion. In der Analyse werden hier zwei Messkonzepte verfolgt. Zum einen werden die FuE-Aufwendungen der forschenden Unternehmen eines Landes der Wertschöpfung aller Unternehmen eines Wirtschaftsbereichs gegenübergestellt, also auch der nicht forschenden.Die Daten zu FuE und Wertschöpfung entstammen dabei unterschiedlichen Erhebungen bei Unternehmen. Eine Zuordnung von FuE-Input und Wertschöpfungsoutput nach Branchen ist dabei auch aufgrund unterschiedlicher Abgrenzungen von Unternehmen und Verbundbeziehungen immer unscharf, auch wenn die Daten nur bei den forschenden Unternehmen selbst erfasst werden. Dabei wird nur die im Inland erzeugte Wertschöpfung berücksichtigt, obwohl FuE in international tätigen Unternehmen auch in der Produktion in Auslandstochterunternehmen Anwendung findet und sie umgekehrt oft auch FuE im Ausland betreiben, deren Ergebnisse auch in der Produktion im Heimatland umgesetzt werden. Deshalb werden in einem zweiten Ansatz auch die weltweiten FuE-Aufwendungen und Umsätze forschungsstarker Unternehmen aus verschiedenen Heimatländern gegenübergestellt.
Mit einem Anteil der FuE-Aufwendungen an der Bruttowertschöpfung von jeweils gut 20 Prozent haben drei Branchen in Deutschland eine besonders hohe FuE-Intensität: der Kraftfahrzeugbau, die Pharmaindustrie und die Computer- und Elektronikbranche (Abbildung 3). Der seit etwa zehn Jahren anhaltende starke Rückgang der ehemals besonders hohen Intensität im Sonstigen Fahrzeugbau (Luft- und Raumfahrzeugbau, Schienenfahrzeugbau und Schiffbau) konnte gestoppt werden. Im gesamten verarbeitenden Gewerbe stagnierte die FuE-Intensität zuletzt bei gut neun Prozent.
Die FuE-Intensität der deutschen Industrie ist geringer als in den USA, Japan und Südkorea (Abbildung 2).Für China gibt es keine Informationen zur Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes, so dass die FuE-Intensität nicht berechnet werden kann. Ein internationaler Vergleich der FuE-Intensitäten des verarbeitenden Gewerbes muss auch den Einfluss der jeweiligen Anteile der unterschiedlich FuE-intensiven Branchen berücksichtigen. Dazu werden hier strukturbereinigte FuE-Intensitäten des verarbeitenden Gewerbes berechnet, indem
Hätte die deutsche Industrie eine Branchenstruktur wie die Industrie in den USA, wäre die FuE-Intensität im Jahr 2019 etwas geringer ausgefallen als die tatsächliche (Abbildung 4). Somit profitiert die deutsche Industrie von ihrer forschungsintensiven Struktur. Durch die Bereinigung mit einer einheitlichen Branchenstruktur, hier der der USA, verschwinden die Unterschiede der industriellen FuE-Intensität zwischen Deutschland, Frankreich und Südkorea. Es verbleibt jedoch ein deutlicher Rückstand zur Intensität in den USA und Japan.
Hätten die Branchen in Deutschland im Jahr 2019 die FuE-Intensitäten der US-Branchen gehabt, so wäre die gesamte Intensität mit gut elf Prozent deutlich höher gewesen als die tatsächliche. Gegenüber den USA hat die Industrie in Deutschland also ein Defizit, das überwiegend auf geringere FuE-Intensitäten der jeweiligen Branchen zurückgeht. In zwei Branchen, Kraftfahrzeugbau und Chemie, ist die FuE-Intensität in Deutschland allerdings höher als in den USA.
Mit den Daten aus den Geschäftsberichten der weltweit forschungsstärksten Unternehmen, die jährlich im EU Industrial R&D Scoreboard veröffentlicht werden,Siehe EU Industrial R&D Investment Scoreboard (online verfügbar). kann die FuE-Umsatzintensität der großen deutschen Unternehmen international verglichen werden.Die globalen FuE-Aufwendungen sind dabei nicht den einzelnen Forschungsstandorten zugeordnet, in der Regel entfällt jedoch ein großer Anteil auf die jeweiligen Heimatstandorte der Unternehmen. Vgl. Heike Belitz, Anna Lejpras und Maximilian Priem (2019): Forschung und Entwicklung im Ausland: Deutsche Unternehmen haben ähnliche Schwerpunkte wie in der Heimat. DIW Wochenbericht Nr. 36, 631–639 (online verfügbar). Den Daten der globalen FuE-Aufwendungen, die in den Geschäftsberichten der Unternehmen nach Bilanzrichtlinien veröffentlicht werden, liegen allerdings nicht immer die Kriterien des Frascati-Manuals der OECD zur statistischen Erfassung von FuE-Ausgaben zugrunde. Vgl. OECD (2015): Frascati Manual 2015 – Guidelines for Collecting and Reporting Data on Research and Experimental Development, The Measurement of Scientific, Technological and Innovation Activities (online verfügbar). So ist etwa mit dem Inkrafttreten der Bilanzierungsrichtlinie IFRS 15 ab dem Bilanzjahr 2018 die Gesamtsumme der internen FuE aus den Geschäftsberichten in vielen Fällen nicht erkennbar, weil Auftragsforschung, die ein Unternehmen für andere Unternehmen durchführt, nicht als FuE berichtet wird. Dies erklärt etwa einen großen Teil der Reduzierung der FuE-Aufwendungen bei Continental im Jahr 2021. Siehe Nicola Grassano und Hector Hernández Guevara (2022): Top R&D investors recovering fast from the Covid-19 crisis: Preliminary insight to the 2022 EU Industrial R&D Investment Scoreboard. Science for Policy Brief – Industrial Innovation & Dynamics Series, Nr. JRC130014. European Commission. Die 96 forschungsstärksten deutschen Unternehmen hatten im Jahr 2020 globale FuE-Aufwendungen von zusammen 83,1 Milliarden Euro.Zum Vergleich: In Deutschland betrugen die internen FuE-Aufwendungen aller Unternehmen in diesem Jahr gut 71 Milliarden Euro. Siehe Barbara Grave (2022): Forschung und Entwicklung in der Wirtschaft 2020: facts – Zahlen und Fakten aus der Wissenschaftsstatistik. SV Wissenschaftsstatistik. Ihre FuE-Umsatzintensität lag 2019, also im Vorjahr der Corona-Krise, mit 5,2 Prozent deutlich über der einer Vergleichsgruppe von 1578 weltweit besonders forschungsstarken Unternehmen mit 4,5 Prozent.Für diese Unternehmen liegen im Zeitraum von 2015 bis 2020 Daten zu den globalen FuE-Aufwendungen und Umsätzen aus dem EU Industrial R&D Scoreboard vor. Die deutschen Unternehmen hatten auch eine höhere FuE-Intensität als die in dieser Analyse erfassten 205 Unternehmen aus den anderen 26 EU-Mitgliedsländern von durchschnittlich 3,5 Prozent. Die 467 US-Unternehmen wiesen mit sieben Prozent jedoch eine deutlich höhere FuE-Intensität auf. Überraschenderweise hatten die deutschen Unternehmen in den meisten forschungsintensiven Branchen dabei sogar höhere Intensitäten als die US-Unternehmen (Abbildung 5).Die Sektoren der Haupttätigkeit der Unternehmen im EU Industrial R&D Scoreboard beruhen auf der Industry Classification Benchmark (online verfügbar). Nur im Bereich Pharma und Biotechnologie und im weniger forschungsintensiven Wirtschaftsbereich sind die FuE-Intensitäten der US-Unternehmen höher. Somit gibt es bei den deutschen forschungsstarken Unternehmen keinen Intensitätsrückstand gegenüber ihren Wettbewerbern in den gleichen Branchen. Die Branchenstruktur der US-Unternehmen, von denen mehr Unternehmen in forschungsintensiveren Branchen aktiv sind, führt aber dazu, dass ihre FuE-Intensität insgesamt höher ist als die der deutschen Unternehmen.
Um die besondere Spezialisierung der Industrieforschung in Deutschland auf einzelne Branchen international zu vergleichen, wird im RTA-Maß (Revealed Technological Advantage, Kasten) der landesspezifische Anteil der FuE-Aufwendungen in der jeweiligen Branche dem entsprechenden Anteil in den sieben forschungsstärksten Ländern zusammen gegenübergestellt. Deutschlands Industrieforschung ist im internationalen Vergleich besonders auf den Kraftfahrzeugbau, aber auch auf den Maschinenbau und die Chemie spezialisiert (Abbildung 6). Ein ähnliches Spezialisierungsmuster von FuE hat die japanische Industrie. Die USA haben dagegen deutliche Vorteile in den Branchen Pharma, Sonstiger Fahrzeugbau und Computer, Elektronik, Optik. Auf letztere Branche konzentriert auch Südkorea seine Industrieforschung besonders. China hat im internationalen Vergleich bislang bei Elektrischen Ausrüstungen, im Maschinenbau und der Chemie Spezialisierungsvorteile. Im Unterschied zu den anderen großen Forschungsnationen konzentriert China aber noch viel Forschung in den nicht FuE-intensiven Industriebranchen.
Um die unterschiedliche Branchenspezialisierung der Industrieforschung zu messen, wird ein relativer technologischer Spezialisierungsindex herangezogen (RTA, Revealed Technological Advantage). Der RTA misst die relative Konzentration der FuE-Aktivitäten der ausgewählten Unternehmen auf bestimmte Branchen im Vergleich zu einer Grundgesamtheit von Unternehmen, hier in den sieben forschungsstärksten Ländern (G7), und ist wie folgt definiert:
Die Messgröße RTA gibt an, ob ein Land l einen höheren Anteil (positiver Wert) oder einen geringeren Anteil (negativer Wert) seiner industriellen FuE-Aufwendungen f in der Branche i investiert als der Durchschnitt der Gruppe der sieben forschungsstärksten Länder (G7). Durch die Umformung mit dem Tangens hyperbolicus und die Logarithmierung wird der RTA ein symmetrisches Maß mit Werten zwischen –100 und +100.
Die Konzentration der FuE-Aktivitäten von Unternehmen auf Branchen j wird mit dem Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI) gemessen. Er ist definiert als die Summe der Quadrate aller Branchenanteile fj an den FuE-Aufwendungen insgesamt beziehungsweise der Anteile der Zahl der forschenden Unternehmen in einer Branche an allen Unternehmen:
Der HHI geht gegen 0, wenn die FuE-Aufwendungen beziehungsweise die forschenden Unternehmen gleichmäßig auf alle Branchen verteilt sind und erreicht sein Maximum 1, wenn FuE nur in einer einzigen Branche stattfindet.
Der Anteil der FuE-intensiven Branchen an den FuE-Aufwendungen im verarbeitenden Gewerbe war im Jahr 2019 in Deutschland und Südkorea am höchsten, in China am geringsten (Tabelle 4). In China und in Italien hat dieser Anteil in den letzten Jahren sogar abgenommen, in den anderen führenden Industrieländern blieb er etwa gleich. Die Konzentration der FuE-Aktivitäten innerhalb des FuE-intensiven Bereichs – gemessen mit dem Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI, Kasten) – war in Südkorea am höchsten. Deutschland, die USA und Japan folgten mit deutlichem Abstand. Relativ geringe Konzentrationen haben Italien, China und Frankreich. In den besonders FuE-intensiven Ländern ist die Forschung also stärker auf einzelne Branchen konzentriert.
Anteil FuE-intensiver Branchen an Industrieforschung | HHI1 im FuE-intensiven Bereich2 | |||
---|---|---|---|---|
2010 | 2019 | 2010 | 2019 | |
In Prozent | ||||
Deutschland | 89,7 | 91,5 | 0,236 | 0,285 |
USA | 88,4 | 87,0 | 0,244 | 0,263 |
China | 75,0 | 60,6 | 0,168 | 0,183 |
Frankreich3 | 80,4 | 80,2 | 0,189 | 0,193 |
Italien | 79,3 | 74,4 | 0,169 | 0,173 |
Japan | 86,2 | 86,2 | 0,229 | 0,233 |
Südkorea | 91,1 | 91,2 | 0,431 | 0,438 |
1 HHI steht für Herfindahl-Hirschmann-Index. Dieser misst die Konzentration der FuE-Aktivitäten innerhalb des FuE-intensiven Bereichs. Je größer der Wert zwischen 0 und 1, desto höher die Konzentration (siehe dazu auch den Kasten in diesem Bericht).
2 Berechnet für sieben FuE-intensive Branchen.
3 2017 statt 2019, da keine aktuelleren Daten vorliegen.
Quellen: OECD (ANBERD); eigene Berechnungen und Schätzungen.
Auch unter den 2000 forschungsstärksten Unternehmen der Welt hat die Konzentration der FuE auf einzelne Branchen, gemessen mit dem HHI-Index der FuE-Aufwendungen und der Zahl der Unternehmen nach Branchen, im Zeitraum von 2011 bis 2020 leicht zugenommen.Der Beobachtungszeitraum beginnt 2011, da in diesem Jahr die Sektordefinitionen in der Industry Classification Benchmark, die im EU Industrial R&D Scoreboard verwendet werden, geändert wurden. Dies trifft auch auf die branchenbezogene FuE der jeweils 40 forschungsstärksten globalen Unternehmen aus den USA, Frankreich, der Schweiz und Japan zu (Tabelle 5). In Deutschland und Großbritannien blieb die Branchenkonzentration der FuE dieser Gruppe forschungsstarker Unternehmen unverändert, in China und Taiwan ging sie leicht zurück. In Südkorea gab es einen starken Rückgang des HHI-Index der branchenbezogenen FuE-Aufwendungen, der aber auch zuletzt noch relativ hoch war. Die höchste Branchenkonzentration der FuE haben Unternehmen aus der Schweiz und Taiwan, gefolgt von deutschen und südkoreanischen Unternehmen.
Herfindahl-Hirschmann-Index1
FuE-Aufwendungen | Zahl Unternehmen | |||
---|---|---|---|---|
Heimatland | 2011 | 2020 | 2011 | 2020 |
Weltweit2 | 0,102 | 0,118 | 0,062 | 0,081 |
Deutschland | 0,336 | 0,336 | 0,138 | 0,114 |
USA | 0,188 | 0,281 | 0,146 | 0,235 |
China | 0,184 | 0,171 | 0,128 | 0,105 |
Südkorea | 0,493 | 0,314 | 0,089 | 0,098 |
Frankreich | 0,130 | 0,177 | 0,068 | 0,064 |
Großbritannien | 0,216 | 0,216 | 0,056 | 0,069 |
Schweiz | 0,465 | 0,489 | 0,098 | 0,136 |
Japan | 0,168 | 0,207 | 0,128 | 0,158 |
Taiwan | 0,457 | 0,444 | 0,400 | 0,389 |
1 Der Herfindahl-Hirschmann-Index ist ein Konzentrationsmaß. Je größer der Wert zwischen 0 und 1, desto höher die Konzentration (siehe dazu auch den Kasten in diesem Bericht).
2 Berücksichtigt wurden die 2000 forschungsstärksten Unternehmen.
Quellen: EU Industrial R&D Scoreboard; eigene Berechnungen.
Diese starke Konzentration der FuE in Deutschland, insbesondere im Kraftfahrzeugbau, wird zuweilen kritisch gesehen. Es wird eine höhere Diversifikation der Forschungsanstrengungen gefordert, um Risiken durch technologische Umbrüche zu mindern und die Resilienz des Innovationssystems zu stärken.Vgl. Holger Bornemann, Jan-Philipp Kramer und Matthias Woiwode von Gilardi (2018): Zukunft der EU-Strukturpolitik in Deutschland ab 2021. DLR Projektträger, Prognos. Dem steht entgegen, dass an allen großen führenden Industrieforschungsstandorten (Tabelle 4) und unter den weltweit forschungsstärksten Unternehmen (Tabelle 5) bis zuletzt eine zunehmende Konzentration der Forschung auf einzelne FuE-intensive Branchen stattgefunden hat. Der Prozess könnte allerdings stoppen, wenn sich die aktuellen Tendenzen der Deglobalisierung und Stärkung der nationalen Resilienz fortsetzen.
International vergleichbare FuE-Daten der führenden Forschungsstandorte für 2021 liegen noch nicht vor. Um die Entwicklungstrends der FuE-Aktivitäten einzuschätzen, können Daten aus den bereits veröffentlichten Geschäftsberichten großer Unternehmen genutzt werden. Die Daten für 678 forschungsstarke Großunternehmen weisen für 2021 wieder stark steigende FuE-Aufwendungen aus.Grassano und Hernández Guevara (2022), a.a.O. Während die FuE-Ausgaben aller Unternehmen nominal und dotiert in Euro um 12,7 Prozent zunahmen, stiegen sie in den Unternehmen der EU-27-Länder ebenso wie in den deutschen Unternehmen nur um gut acht Prozent (Tabelle 6). Damit nehmen die FuE-Ausgaben nach der Stagnation im Jahr 2020 wieder Fahrt auf. Das ist auch bei den großen deutschen Kraftfahrzeugherstellern der Fall, die ihre FuE-Aufwendungen 2020 reduziert hatten. Das jährliche Wachstum der FuE in den 678 forschungsstarken Unternehmen war 2021 auch höher als das durchschnittliche Wachstum einer größeren Gruppe von 1578 Unternehmen im Zeitraum von 2015 bis 2020. Die deutschen Unternehmen verzeichneten aber wieder geringere Zuwachsraten als alle Unternehmen und insbesondere als Unternehmen aus China und den USA. Dies dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Wachstumshierarchie der Branchen wie in den letzten Jahren erhalten bleibt: Die größten Zuwächse bei FuE werden weltweit weiterhin in den Branchen Software und Computerdienste, Pharma und Biotechnologie sowie Hardwareproduktion realisiert.Grassano und Hernández Guevara (2022), a.a.O. Da nur wenige große deutsche Unternehmen zu diesen Branchen gehören, blieb das Wachstum der FuE-Aufwendungen deutscher Unternehmen auch 2021 hinter dem Durchschnitt der forschungsstärksten Unternehmen weltweit zurück.
Unternehmen | Durchschnittliches jährliches Wachstum | Unternehmen | Durchschnittliches jährliches Wachstum | ||
---|---|---|---|---|---|
2020 | 2015–2020 | 2021 | |||
Heimatland | Anzahl | In Prozent | Anzahl | ||
Insgesamt | 1578 | −0,26 | 6,0 | 678 | 12,7 |
Deutschland | 96 | −0,47 | 4,4 | nicht bekannt | 8,1 |
USA | 467 | −1,52 | 7,1 | 198 | 13,1 |
China | 265 | 14,50 | 19,5 | 112 | 21,1 |
EU-27 | 302 | −2,04 | 4,0 | 274 | 8,1 |
Quellen: EU Industrial R&D Scoreboard (verschiedene Jahrgänge); Nicola Grassano und Hector Hernández Guevara (2022): Top R&D investors recovering fast from the Covid-19 crisis: Preliminary insight to the 2022 EU Industrial R&D Investment Scoreboard. Science for Policy Brief – Industrial Innovation & Dynamics Series, Nr. JRC130014. European Commission; eigene Berechnungen.
Vorläufige Trenddaten zu den internen FuE-Aufwendungen der Unternehmen in Deutschland für das Jahr 2021 zeigen ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr von knapp sechs Prozent.Die Daten stammen von der Wissenschaftsstatistik des Stifterverbandes. Die zugehörige Pressemitteilung wird in den kommenden Wochen erscheinen. Allerdings lagen sie damit immer noch knapp unter dem Wert für das Vorkrisenjahr 2019 – auch im verarbeitenden Gewerbe, wo die FuE-Intensität 2021 damit nochmal leicht zurückgegangen ist. Vor allem der Kraftfahrzeugbau, der Maschinenbau und der Sonstige Fahrzeugbau haben den Rückgang noch nicht kompensiert. Die anderen FuE-intensiven Branchen (Chemie, Pharma, Computer und Elektronik, Elektrotechnik) wiesen aber bereits wieder höhere interne FuE-Aufwendungen aus als 2019. Das FuE-Personal der Unternehmen ist 2021 um gut zwei Prozent gestiegen und erreichte mit gut 477000 Beschäftigten ein neues Hoch.
Deutschland hatte in den letzten Jahren eine relativ geringe und sogar abnehmende Dynamik bei der Entwicklung der privaten FuE-Aufwendungen. Im Corona-Krisenjahr 2020 gingen sie im internationalen Vergleich besonders stark zurück. Für 2021 weisen deutsche Großunternehmen zwar wieder beträchtliche Zuwächse bei ihren globalen FuE-Aufwendungen aus. Sie liegen aber weiterhin unter dem Durchschnitt der internationalen Wettbewerber. Weltweit wächst die FuE in denjenigen Branchen deutlich schneller, auf die deutsche Großunternehmen nicht spezialisiert sind, wie Software und Computerdienste, Hardwareproduktion sowie Pharma und Biotechnologie. Dies dürfte auch in naher Zukunft zu einem eher moderaten FuE-Wachstum in Deutschland führen.
Die FuE-Intensität der Industrieunternehmen in Deutschland ist im internationalen Vergleich zwar hoch, sie liegt aber auch strukturbereinigt unter derjenigen in den USA und Japan. Die forschungsstärksten deutschen Unternehmen haben im Vergleich zu ihren internationalen Wettbewerbern hohe branchenspezifische FuE-Umsatzintensitäten und somit keine Nachteile bei den Investitionen in FuE.
Die Transformation zu einer klimaneutralen, digitalisierten Produktion stellt auch die „traditionellen“ Branchen Kraftfahrzeugbau, Chemie und Maschinenbau, in denen die deutsche Industrieforschung besondere Stärken hat, vor große technologische Herausforderungen. Auch an anderen führenden Industrieforschungsstandorten sind FuE jeweils stark und mit zunehmender Tendenz auf wenige forschungsintensive Branchen konzentriert. Um die technologische Breite der Forschung für die doppelte Transformation der Industrie zu sichern, sind die Unternehmen deshalb auf den Zugang zum weltweiten Wissen etwa über eigene Forschungseinheiten im Ausland und auf internationale Forschungskooperationen angewiesen. Die Globalisierung der FuE in forschungsstarken Unternehmen bleibt somit eine wichtige Voraussetzung ihrer Innovationsfähigkeit. Nachteile der im Vergleich zu den USA und China kleinen nationalen Innovationssysteme in Europa müssen auch mit einer gemeinsamen europäischen Forschungspolitik überwunden werden. Weil viele Kernfragen der digitalen und ökologischen Transformation nur gemeinsam mit anderen Ländern gelöst werden können, fordert auch die OECD in ihrem aktuellen Bericht zur Innovationspolitik von Deutschland, bei der Governance und Entwicklung von Schlüsseltechnologien auf EU-Ebene und darüber hinaus eine Führungsrolle zu übernehmen.Vgl. OECD (2022): OECD-Berichte zur Innovationspolitik: Deutschland 2022. Agile Ansätze für erfolgreiche Transformationen (online verfügbar). Aufgrund der speziellen Industriestruktur muss die Forschungs- und Technologiepolitik in Deutschland im europäischen Verbund dabei auch eigene Wege gehen und kann sich nur begrenzt an den Forschungsstandorten in den USA und Asien mit anderen Branchenschwerpunkten orientieren.
Themen: Forschung und Entwicklung
JEL-Classification: O25;O30;C33;O50
Keywords: Research and Development, Manufacturing, International Comparison
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-45-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/266746