DIW Wochenbericht 47 / 2022, S. 621
Konstantin A. Kholodilin, Erich Wittenberg
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Herr Kholodilin, wie haben sich die Immobilienpreise in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt? Seit Ende 2010 steigen die Preise ununterbrochen. Vor allem die Kaufpreise sind rasant gestiegen, insbesondere in den Metropolen wie Berlin, München und Hamburg. Die Preise für Baugrundstücke sind zwischen 2010 und 2022 um 130 Prozent gestiegen, während die Preise für Eigentumswohnungen um 150 Prozent gestiegen sind. Auch die Mieten steigen, aber nicht so stark wie die Kaufpreise.
Gibt es Anzeichen für spekulative Übertreibungen, beziehungsweise einer Immobilienpreisblase? Ja, es gibt Anzeichen einer Immobilienpreisblase; nicht überall, aber insbesondere in Großstädten. Dort haben sich die Kaufpreise von den Mietpreisen abgekoppelt. Das bedeutet, dass die spekulative Komponente in den letzten zwölf Jahren sehr stark zugenommen hat und die Preise spekulativ übertrieben sind. In den Regionen, in denen die Nachfrage sehr stark ist und sich das Angebot nicht schnell genug erweitert, besteht immer ein Risiko für eine Immobilienpreisblase, denn dort sehen die Investoren, dass die Preise steigen und versuchen davon zu profitieren, was zu weiter steigenden Preisen führt. Das kann am Ende in einer spekulativen Preisblase münden.
Wie haben sich die Finanzierungsbedingungen entwickelt? Seit Ende des letzten Jahres haben sich die Finanzierungsbedingungen stark verschlechtert. Das Zinsniveau für neue Wohnbaukredite lag vor einem Jahr bei ungefähr 1,4 Prozent, aktuell liegt es bei mehr als drei Prozent. Auch das Volumen der vergebenen Kredite ist stark eingebrochen. Das heißt, auf der einen Seite nehmen die Haushalte weniger Kredite auf, weil das für sie sehr teuer ist, und auf der anderen Seite sind die Banken vorsichtiger geworden und vergeben weniger Kredite. Das betrifft vor allem die Kredite mit fester Zinsbindung, weil die Banken sich gegen weitere Zinssteigerungen absichern wollen.
Rechnen Sie mit Preiskorrekturen am Immobilienmarkt? Ja, ich rechne durchaus mit Preiskorrekturen. Die Preise sind seit langer Zeit gestiegen, aber jetzt haben wir eine Trendwende. Viele Konditionen haben sich stark verändert. Wenn man sich die Angebotspreise anschaut, dann sieht man bereits, dass sie seit dem zweiten Quartal dieses Jahres stagnieren. Bei den Transaktionspreisen, die wir in dieser Studie untersuchen, können wir das noch nicht erkennen, aber bei den Angebotspreisen, die am schnellsten auf die Veränderungen des Marktes reagieren, ist das schon zu sehen. Aber ich würde die Lage nicht dramatisieren. Ich denke, dass wir keine Blase haben werden, die mit der Situation in Spanien oder den USA vor und während der Finanzkrise vergleichbar ist, sondern eher eine moderatere Blase mit nicht mehr als zehn Prozent Einbruch.
Wohnraum ist allgemein knapp. Wie bewerten Sie die Lage auf der Angebotsseite? Die Lage hat sich leider in den letzten zwei Jahren nicht verbessert, ganz im Gegenteil. Zwischen 2010 und 2020 stiegen die Baufertigstellungen, im Vorjahr jedoch, also im Jahr 2021, ist die Anzahl der Fertigstellungen in ganz Deutschland zum ersten Mal leicht zurückgegangen. Vermutlich wird es in diesem Jahr nicht besser laufen. Das heißt, das Angebot an Wohnungen und Wohnimmobilien wächst nicht mehr so schnell und das bedeutet angesichts der steigenden Nachfrage, dass es noch schwieriger wird, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen. Das sehe ich als problematisch an.
as Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Märkte, Konjunktur, Immobilien und Wohnen