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Wertvolle Ressource Wasser auch in Deutschland zunehmend belastet und regional übermäßig genutzt

DIW Wochenbericht 49 / 2022, S. 651-660

Astrid Cullmann, Greta Sundermann, Nicole Wägner, Christian von Hirschhausen, Claudia Kemfert

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  • Globale Herausforderungen wie Wasserknappheit und Wasserverschmutzung werden auch in Deutschland vermehrt sichtbar
  • Großes Problem stellt Verschmutzung durch Nährstoffeinträge der Landwirtschaft dar, was zu Kostensteigerungen bei Trinkwasserversorgung führt
  • Ausbau der ökologischen Landwirtschaft trägt zu einer Reduktion der Nitratbelastung bei
  • Sanitäre Innovationen könnten einen Beitrag zur Verbesserung der Wasserqualität leisten
  • Mehr Transparenz bei der Verteilung und Bepreisung von Wasser ebenfalls wichtig

„Auch in unseren Breitengraden steht die Ressource Wasser unter Druck. Vor allem die Nitratverschmutzung des Grundwassers aufgrund intensiver Düngung in der Landwirtschaft führt zu hohen ökologischen und sozialen Kosten und treibt die Ausgaben für Trinkwasseraufbereitung in die Höhe.“ Astrid Cullmann

Die Effekte der Klimakrise verschärfen die Wasserknappheit nicht nur im globalen Süden, sondern auch in unseren Breitengraden, beispielsweise in der Region Berlin-Brandenburg. Wegen unzureichender Bepreisung der Entnahme von Oberflächen- und Grundwasser beziehungsweise mangelnden ordnungsrechtlichen Instrumenten kommt es in einigen Regionen Deutschlands zu einem Überverbrauch. Dies ist insbesondere in der Industrie der Fall, die sich hohe Wasserentnahmemengen zu sehr geringen Kosten vertraglich gesichert hat. Dazu kommt eine umfangreiche Gewässerverschmutzung durch Schadstoffeinträge aus Haushalten, Industrie, Kläranlagen und Landwirtschaft, die das Angebot an sauberem Wasser weiter verknappen. Insbesondere die Nitratverschmutzung aufgrund intensiver Düngung in der Landwirtschaft stellt ein zunehmendes Problem dar. In der Folge entstehen zusätzliche Kosten für Unternehmen und Haushalte zum Beispiel durch aufwendigere Trinkwasseraufbereitung. Ökolandbau kann hier die Gewässerqualität verbessern; auch sanitäre Innovationen (wie Trockentrenntoiletten) können einen Beitrag leisten. Dieser Wochenbericht fasst aktuelle Forschungsergebnisse zusammen und leistet einen Beitrag zur Nationalen Wasserstrategie der Bundesregierung, die ein Programm von Maßnahmen vorsieht, die bis zum Jahr 2030 zur Bewältigung der Generationenaufgabe Wasser ergriffen werden sollen.

Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel, Bestandteil des Naturhaushaltes, bietet Lebensraum für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren und ist Teil unserer Kulturlandschaften. Der Zugang zu sauberem Wasser wurde im Jahr 2010 als Menschenrecht von der UN anerkannt.infoUnited Nations (2010): Resolution der Generalversammlung 64/292 vom 28 Juli 2010 (online verfügbar, abgerufen am 20.11.20202. Dies gilt auch für Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Wasser ist zudem unverzichtbar für Industrie, Land- und Energiewirtschaft. Ein schonender Umgang, effektiver Schutz und die nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser sind zentrale Voraussetzungen zur Erhaltung der Biodiversität und zum Schutz der Ökosysteme.infoMarkus Siehlow, Georg Meran und Christian von Hirschhausen (2010): Wasser: Ökonomie und Management einer Schlüsselressource. Sammelband. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung. Berlin (online verfügbar). Sauberes Wasser und Sanitäranlagen stehen im Mittelpunkt nachhaltiger Entwicklung und sind eines der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, die bis 2030 erreicht werden sollen. Sie sind eng verbunden mit anderen Nachhaltigkeitszielen, insbesondere Gesundheit, Bildung, Wirtschaft und Umwelt.infoUnited Nations (2015): The 17 Sustainable Development Goals. United Nations Department of Economic and Social Affairs. Sustainable Development (online verfügbar).

Durch die Klimakrise werden sich die Wasserressourcen weltweit weiter verknappen.infoWasserknappheit und Wasserverschmutzung werden durch den Klimawandel verschärft. Begründet wird dies zum Beispiel durch höhere Wassertemperaturen, Gletscherschmelze, der Intensivierung des Wasserkreislaufs und der Zunahme von Überschwemmungen und Dürren. Umgekehrt wirken sich Wasserknappheit und Wasserverschmutzung auch auf den Klimawandel aus, beispielsweise führen menschliche Nährstoffanreicherungen in Seen zu Methan-Emissionen, vgl. John A. Downing et al. (2021): Protecting local water quality has global benefits, Nature Communications, 1 (12), 2709 (online verfügbar). Das Problem der Wasserknappheit wird auch durch Wasserverschmutzung infolge zunehmender Urbanisierung, Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft verschärft – sowohl auf globaler Ebene als auch in Deutschland. Angesichts dieser Herausforderungen findet das Thema Wasser und insbesondere die Wasserverschmutzung in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung überraschend wenig Beachtung, vor allem im Vergleich zur Luftverschmutzung.infoVgl. David A. Keiser und Joseph S. Shapiro (2019): US Water Pollution Regulation over the Past Half Century: Burning Waters to Crystal Springs? Journal of Economic Perspectives 33 (4), 51–75. Umfragen bestätigen die Bedeutung des Themas auch für die breite Bevölkerung. Eine Befragung des Center for Responsible Research and Innovation des Fraunhofer IAO zeigt ein ausgeprägtes Problembewusstsein in Deutschland (Abbildung 1).infoVgl. Hannah Bergmann (2022): Akzeptanzbefragung zu Trockentoiletten in Deutschland im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts zirkulierBAR. Auch in anderen Ländern wie den USA ergeben Umfragen, dass die Wasserverschmutzung zu den größten Umweltsorgen zählt.infoVgl. Keiser und Shapiro (2019), a.a.O.

Deutschland verfügt über umfangreiche Wasserressourcen. Wegen fehlender Anreize zu einem effizienten Wasserverbrauch kam es in den vergangenen Jahren aber auch immer wieder zu lokalen Knappheiten. Hinzu kommt die bundesweite Verschmutzung des Oberflächen- und Grundwassers durch Nährstoffe wie Nitrat und Phosphor und diverse andere Stoffe. Diese Einträge gefährden den ökologischen Zustand der Gewässer. Sie machen zudem die Gewinnung und Bereitstellung von Trinkwasser aufwändig und teuer.

Zudem bleiben Nährstoffe in Abwässern größtenteils ungenutzt. Durch effektive Nährstoffrückgewinnung mittels produktiver Sanitärsysteme können menschliche Ausscheidungen zu Recyclingdünger verarbeitet werden, wodurch Stoffkreisläufe regional, klimafreundlich und sicher geschlossen werden.

Vor dem Hintergrund politischer Bestrebungen in Deutschland wie der Nationalen Wasserstrategie 2050 mit grundlegenden Veränderungen im Umgang mit Wasser hin zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft werden im Folgenden aktuelle Forschungsergebnisse zu Ursachen und Auswirkungen von Wasserverschmutzung diskutiert sowie Lösungsvorschläge aufgezeigt (Kasten 1).

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hat im Juni 2021 einen Entwurf für die Nationale Wasserstrategie vorgestellt.infoVgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2021): Nationale Wasserstrategie. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Arbeitsgruppe WR I 1-w, 53175 Bonn (online verfügbar). Dieser diskutiert die Herausforderungen für die Wasserwirtschaft und schafft ein Aktionsprogramm für einen gemeinsamen Umbau zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft bis 2050. Mit der Nationalen Wasserstrategie soll erreicht werden, dass auch in 30 Jahren jederzeit und überall in Deutschland ausreichend qualitativ hochwertiges und bezahlbares Trinkwasser zur Verfügung steht, dass die Wasserkörper (Grundwasser, Seen, Bäche, Flüsse und Meere) sauberer werden, dass eine weitere Übernutzung und Überlastung der Wasserressourcen vermieden wird, dass die Abwasserentsorgung weiterhin hervorragend funktioniert und die Kosten dafür verursacher- und sozial gerecht verteilt werden und dass die Wasserwirtschaft und die Wassernutzenden sich an die Folgen der Klimakrise und die Veränderungen der Demografie anpassen.

Dazu gibt die Nationale Wasserstrategie Ziele und Maßnahmen vor, die schrittweise bis 2030 ergriffen werden sollen. Sie orientieren sich an zehn strategischen Schwerpunkten. 1) Bewusstsein für die Ressource Wasser stärken, 2) Gemeinsam die globalen Wasserressourcen nachhaltig schützen, 3) Den naturnahen Wasserhaushalt schützen, wiederherstellen und dauerhaft sichern, Zielkonflikte vorbeugen, 4) Gewässerverträge und klimaangepasste Flächennutzung im ländlichen und urbanen Raum realisieren, 5) Nachhaltige Gewässerbewirtschaftung weiterentwickeln, 6) Risiken durch Stoffeinträge begrenzen, 7) Wasserinfrastruktur weiterentwickeln, 8) Wasser –, Energie- und Stoffkreisläufe verbinden, 9) Leistungsfähige Verwaltung stärken, Datenflüsse verbessern, Ordnungsrahmen optimieren und Finanzierung sichern, 10) Meeresgebiete [Nord- und Ostsee] intensiver vor stofflichen Einträgen vom Land schützen.

Die Forschung des Wochenberichtes bezieht sich schwerpunktmäßig auf die Punkte 1) 3) 6) 8) und 9).

Wasserknappheit vor der Haustür in Brandenburg

Nutzungskonflikte zwischen Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, industrieller und gewerblicher Wassernutzung und Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen wurden bislang vorwiegend in wasserarmen Regionen der Welt verortet. Mit dem voranschreitenden Klimawandel und damit einhergehenden steigenden Durchschnittstemperaturen und zunehmenden Hitzeperioden gewinnen diese Nutzungskonflikte auch in Deutschland an Relevanz.infoBehörden, Landwirtschaft und Industrie streiten sich immer häufiger vor Gericht um Wasser. Eine Stichprobe zeigt, dass die Anzahl der gerichtlichen Konflikte in elf von 16 Bundesländern in den vergangenen zehn Jahren drastisch zugenommen hat. Beispielsweise stieg die Anzahl der Verfahren in Bayern um knapp 50 Prozent, vgl. Correctiv (2022): Ausgetrocknet – Deutschland kämpft um Wasser. Correctiv Recherchen für die Gesellschaft (online verfügbar). Verteilungsfragen werden überwiegend administrativ geregelt: So wird etwa die beziehbare Wassermenge von Neukunden gedeckelt und die Bewässerung von Freiflächen in den Sommermonaten verboten.infoVgl. Wasserverband Strausberg-Erkner (2021): Amtsblatt Nr. 3 Jg. 4 (online verfügbar). Demgegenüber ist die Wasserentnahme industrieller Nutzer meist über Langzeitverträge mit hohen Entnahmemengen zu geringen Preisen gesichert.infoGemäß Wasserhaushaltsgesetz des Bundes bedarf die industrielle Wasserentnahme einer Erlaubnis oder Bewilligung, wobei weitergehende Regelungen in den Landeswassergesetzen und Länderverordnungen festgelegt sind. Die Erlaubnis wird von den zuständigen lokalen Behörden erteilt, in der Regel nach dem „first come – first served“ Prinzip, vgl. Alexandra Lux (2005): Handelbare Wasserentnahmerechte als Ergänzung der ordnungsrechtlichen Vergabepolitik? netWORKS – Papers Deutsches Institut für Urbanistik (online verfügbar). Beispielsweise entnimmt der Chemiekonzern BASF in Schwarzheide bis zu 3,3 Millionen Kubikmeter pro Jahr.infoBASF Schwarzheide GmbH (2022): Umwelterklärung – Daten und Fakten 2021 (online verfügbar) Der Elektro-PKW-Hersteller Tesla in Grünheide beantragte die Entnahme von rund 3,8 Millionen Kubikmetern pro Jahr.infoNach Klage von Umweltverbänden wurde die Bewilligung zur Erhöhung der Entnahmemengen von 1,3 auf 3,8 Millionen Kubikmeter, die im Jahr 2020 vom Landesamt für Umwelt Brandenburg genehmigt worden war, 2022 vom Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder abgelehnt, vgl. Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder (2022): Urteil vom 04.03.2022 – VG 5 K 469/21 (online verfügbar). Der LEAG-Braunkohletagebau in Jänschwalde beanspruchte mehr als 100 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr, von denen allerdings nur 42 Millionen Kubikmeter offiziell genehmigt waren.infoIn Jänschwalde hat die LEAG seit 2017 rund 240 Millionen Kubikmeter mehr Grundwasser entnommen als wasserrechtlich erlaubt waren. Als Konsequenz eines Eilantrags der Deutschen Umwelthilfe und der Grünen Liga wurde der Tagebau im Mai 2022 stillgelegt, vgl. Verwaltungsgericht Cottbus (2022): Beschluss vom 16.03.2022, Entscheidung 3 L 381/21 (online verfügbar). Zum Vergleich: eine 80.000-Einwohner-Stadt verbraucht pro Jahr etwa 3,6 Millionen Kubikmeter Wasser.

Der hohe Wasserverbrauch stellt eine zusätzliche Belastung des hydrologischen Systems dar. Die intensive Nutzung der Grundwasserressourcen gekoppelt mit einer niedrigen Grundwasserneubildung führt zu fallenden Grundwasserpegeln. Beispielsweise sank der durchschnittliche Grundwasserpegel im Land Brandenburg seit den 1970ern um einen halben Meter (Abbildung 2). Dadurch wird die Wasserarmut in einigen Regionen Brandenburgs weiter verschärft und somit auch die regionale Trinkwasserversorgung gefährdet.infoIn Deutschland werden mehr als 70 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser gewonnen, vgl. UBA (2022): Grundwasser: Nutzung und Belastung (online verfügbar).

Bereits heute zeigt sich: Bedürfnisse der Industrie werden bevorzugt und auf Kosten der Bürger*innen gedeckt. Ermöglicht wird dies nicht nur durch Intransparenz und fehlende Kontrolle bei der Wasserentnahme, sondern auch durch eine willkürliche Preisgestaltung. Derzeit werden nur in 13 von 16 Bundesländern Wasserentnahmeentgelte erhoben. Auch dort, wo dies der Fall ist, gibt es zahlreiche Ausnahmen. So sind Bergbau und Landwirtschaft häufig von Zahlungen ausgenommen. In Berlin, Hamburg und dem Saarland wird nur die Entnahme von Grundwasser bepreist, aber nicht die von Oberflächenwasser. In einigen Bundesländern gibt es eine Zweckbindung der erhobenen Gelder für Gewässerschutzmaßnahmen, in anderen nicht. Insgesamt fällt die Preisgestaltung in den Bundesländern sehr unterschiedlich aus. Beispielsweise variieren die Preise für landwirtschaftliche Wasserentnahme zwischen 0,5 und 31 Cent je Kubikmeter und für den Bergbau zwischen 6 bis 31 Cent je Kubikmeter.infoVgl. BUND (2019): Die Wasserentnahme der Länder. Kurzgutachten (Stand Januar 2019). Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (online verfügbar).

Wasserverschmutzung verschärft Problematik

Wasserverschmutzung ist ein ernstzunehmendes Problem, das zu einer Verknappung der verfügbaren sauberen Wasserressourcen führt. Sie hat viele Facetten und ist bedingt durch unterschiedlichste Stoffe (Nährstoffe wie Nitrat und Phosphor, Spurenstoffe wie Pestizide und Arzneimittelrückstände sowie Krankheitserreger oder Schwermetalle) aus verschiedenen Quellen wie der Landwirtschaft, Industrie oder urbanen Siedlungen. Hierdurch kommt es zu Verschmutzungen der Oberflächengewässer und des Grundwassers, wobei insbesondere die Grundwasserverschmutzung meist irreversibel ist und die Trinkwasserversorgung gefährdet. In Industrieländern mit hohem Einkommen stellt die Wasserverschmutzung durch Spuren- und Nährstoffe von Düngemitteln und Kläranlagenabläufen das größte Problem dar. infoVgl. Europäische Komission (2021): Report from the Commission to the Council and the European Parliament on the implementation of Council Directive 91/676/EEC concerning the protection of waters against pollution caused by nitrates from agricultural sources based on Member State reports for the period 2016–2019. COM(2021) 1000 final (online verfügbar). Vgl. Bijay Singh und Eric Craswell (2021): Fertilizers and nitrate pollution of surface and ground water: an increasingly pervasive global problem. SN Appl. Sci. 3, 518.

Landwirtschaft als Hauptverursacher der Stickstoffemissionen

Die intensive Landwirtschaft ist meist Hauptverursacher dieser Nährstoffeinträge, die durch Ausbringung stickstoffhaltigen Düngers auf landwirtschaftliche Flächen in die Umwelt gelangen. Durch Überdüngung, also Nährstoffzufuhr über den Bedarf der Pflanzen hinaus, sammelt sich Stickstoff im Boden an und wird durch biochemische Prozesse in Nitrat umgewandelt, das vom Regen ausgewaschen wird oder versickert und so Grund- und Oberflächengewässer verunreinigt. Dieser Prozess wird zusätzlich durch fehlende Humuspflege, das heißt einer jahrelangen Praxis der rein synthetisch-mineralischen Düngung, verstärkt, wodurch die landwirtschaftlichen Böden Wasser und somit auch Nährstoffe schlechter halten können. In Deutschland überschreitet die Nitratbelastung vieler Grundwasserkörper seit Jahren den EU-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter, teilweise um mehr als 700 Prozent.infoVgl. Greta Sundermann et al. (2020): Nitratbelastung im Grundwasser überschreitet Grenzwert seit Langem: Mehr Transparenz und Kontrolle in der Düngepraxis nowendig. DIW Wochenbericht 87 Nr. 9, 119–30 (online verfügbar). In der Vergangenheit führte dies in Kombination mit unzureichenden Gegenmaßnahmen zu einem Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland.infoVgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 21. Juni 2018 (online verfügbar). Kurzfristig drohten Strafzahlungen an die EU in Millionenhöhe, die unter anderem durch mehrfache Reformen der Düngeverordnung und der Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten abgewendet wurden.infoEutrophierte Gebiete sind Oberflächengewässer mit hohem Nährstoffgehalt, der das Wachstum von Algen und anderen Wasserpflanzen übermäßig anregt. Vgl. Bundesrat (2020): Verordnung zur Änderung der Düngeverordnung und anderer Vorschriften, Drucksache 98/20 (online verfügbar) und Bundesrat (2022): Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten, Drucksache 275/22 (online verfügbar). Neueste Zahlen des Nitratberichtes 2021 zeigen kaum Verbesserungen der Grundwasserqualität. infoVgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2020): Nitratbericht 2020. Berlin (online verfügbar). Dabei hat Nitratverschmutzung weitreichende Folgen für Biodiversität (zum Beispiel durch Gewässereutrophierung), Klima (zum Beispiel steigende Treibhausgasemissionen durch Eutrophierung) und Gesundheit (etwa Erkrankungen an einer Methämoglobinämie).infoMethämoglobinämie kann entstehen, wenn Nitrate in Lebensmitteln oder im menschlichen Körper bei der Verdauung durch Bakterien oder enzymatische Prozesse zu Nitrit umgewandelt werden, welches den Sauerstofftransport im Blut hemmt, vgl. Sundermann et al. (2020) a.a.O. Somit ist die Nitratverschmutzung mit erheblichen ökologischen und sozialen Kosten verbunden. Diese Kosten wurden bisher nicht oder nur teilweise empirisch quantifiziert.infoAlexandra Evans (2018): Agricultural water pollution: Key knowledge gaps and research needs. Current Opinion in Environmental Sustainability 36, 20–27.

Höhere Kosten der Trinkwasserversorgung bei hoher Nitratbelastung

Die erhöhte Nitratbelastung im Grundwasser hat nicht nur negative Umwelteffekte, sondern wirkt sich auch auf die Kosten der Trinkwasseraufbereitung aus. Trinkwasserunternehmen müssen Maßnahmen ergreifen, um die Nitratkonzentration im Trinkwasser entsprechend den gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und so Gesundheitsschädigungen der Konsument*innen zu vermeiden.infoDer Nitratgrenzwert für Trinkwasser ergibt sich aus der Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. November 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (online verfügbar) und der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung) (online verfügbar). Dazu werden zumeist belastetes und unbelastetes Rohwasser vermischt, Brunnen in tiefergelegene oder weniger belastete Grundwasserkörper verlagert sowie technische Separationsverfahren oder biologische Denitrifikation durchgeführt.infoSeparationsverfahren ermöglichen die technische Trennung von Nitrat und Wasser. Deutsche Trinkwasserversorger nutzen dazu das CARIX-Verfahren oder Umkehrosmose. Denitrifikation ist ein mikrobiologischer Prozess, der Nitrat nicht nur vom Wasser abtrennt, sondern zu gasförmigem Stickstoff zersetzt. Diese Maßnahmen führen zu Kostensteigerungen, beispielsweise durch höhere Energie- oder Beschaffungskosten für Betriebsstoffe. Basierend auf neuen Daten zu Trinkwasserunternehmen und Nitratverschmutzung belegen empirische Untersuchungen am DIW Berlin den kostentreibenden Effekt der Nitratverschmutzung im Wassersektor (Kasten 2). Schätzungen zufolge führt eine Steigerung der Nitratkonzentration um 10 Milligramm pro Liter zu einer Erhöhung der Gesamtkosten um etwa 110.000 Euro pro Jahr für ein durchschnittliches Trinkwasserunternehmen mit etwa 50.000 Kund*innen.infoVgl. Greta Sundermann, Nicole Wägner und Astrid Cullmann (2022): Organic farming, water quality, and drinking water supply cost – an empirical analysis for Germany. Vortrag der internationalen Fachkonferenz für Landnutzung und Wasserqualität (LuWQ) in Maastricht. Diese zusätzlichen Kosten werden potenziell durch höhere Wasserpreise an die Konsument*innen weitergegeben, sodass die Wasserverbraucher*innen die Kosten der landwirtschaftlichen Überdüngung tragen.

Der Zusammenhang zwischen der Nitratbelastung des Grundwassers und den Gesamtkosten der Trinkwasserunternehmen wurde mittels multivariater Regressionen untersucht. Die Untersuchung basiert auf Firmendaten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie Daten des Nitratmessnetzes des Umweltbundesamts für die Jahre 2008 bis 2016. Zusätzlich wurden Kontrollvariablen aus der Regionalstatistik der Statistischen Ämter des Bundes abgeleitet. Deskriptive Statistiken zu den verwendeten Variablen sind in Tabelle 1 aufgeführt.

Tabelle 1: Statistik der untersuchten Trinkwasserunternehmen und der Nitratkonzentration

Jährlicher Durchschnitt pro untersuchtem Trinkwasserunternehmen

Mittelwert
Gesamtkosten [1000 Euro] 16794,28
Gesamtwasserentnahme [1000 m3] 3052,09
Wasserkäufe [1000 m3] 567,16
Abgegebene Trinkwassermenge [1000 m3] 3619,25
Anzahl versorgter Einwohner*innen 53415,56
Anteil des Grundwassers an Wasserentnahme in Prozent 73,25
Bevölkerungsdichte der versorgten Gemeinden [Einwohner/km2] 352,16
Nitratkonzentration im Rohwasser [mg/l] 29,48

Anmerkung: Die Beobachtungseinheiten sind 342 Trinkwasserunternehmen, die Grundwasser entnehmen und aufbereiten. Die Daten beziehen sich auf die Jahre 2008 bis 2016.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Daten des Umweltbundesamts, der Regionalstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder.

Der Einfluss der durchschnittlichen Nitratwerte am Standort der Wassergewinnungsanlagen wurde im Rahmen eines Gesamtkostenmodells auf Grundlage mikroökonometrischer Theorie geschätzt. Hierbei wurden die Gesamtkosten des Unternehmens als abhängige Variable genutzt (Tabelle 2) und Inputpreise (Arbeit und Kapital), Outputmengen (gelieferte Gesamtmenge an Trinkwasser, Anzahl der versorgten Einwohner *innen), Nitratkonzentration und weitere Kontrollvariablen (Anteil der Grundwasserentnahme, Anteil der Wasserlieferungen an Privathaushalte, Bevölkerungsdichte des Versorgungsgebiets des Wasserunternehmens) als erklärende Variablen berücksichtigt. Die Werte der Variablen wurden logarithmiert, sodass die geschätzten Koeffizienten prozentuale Änderungen abbilden. Zusätzlich kontrollieren unternehmensspezifische Dummy-Variablen für unbeobachtete, zeitinvariante Effekte.

Tabelle 2: Effekte verschiedener Einflussfaktoren auf die Gesamtkosten der Trinkwasserversorgung

Änderung der Gesamtkosten in Prozent bei einprozentiger Erhöhung der Variablen

Unabhängige Variablen Änderung in Prozent
Nitratkonzentration im Rohwasser 0,018*
Arbeitspreis pro Stunde 0,733***
Abgegebene Trinkwassermenge 0,840***
Anzahl der versorgten Einwohner*innen 0,236
Anteil des Grundwassers an Wasserentnahme 0,040
Anteil der Haushaltskunden an Gesamtabnehmern −0,024
Bevölkerungsdichte der versorgten Gemeinden −0,058
Anzahl der Beobachtungen 1846
Anzahl der Firmen 342

Anmerkung: Die Ergebnisse basieren auf einer multivariaten Regression, die feste Firmen- und Jahreseffekte berücksichtigt und mittels Methode der kleinsten Quadrate (OLS) geschätzt wurde. Die Beobachtungseinheiten sind Trinkwasserunternehmen, die Grundwasser entnehmen und aufbereiten. Die Daten beziehen sich auf die Jahre 2008 bis 2016. Die Standardfehler wurden auf Unternehmensebene geclustered. Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.

Lesebeispiel: Eine einprozentige Steigerung der Nitratbelastung führt zu einer Erhöhung der Gesamtkosten um rund 0,02 Prozent.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Daten des Umweltbundesamts, der Regionalstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder.

Ökolandbau könnte Nitratproblematik entschärfen

Um die Nitratbelastung in Grund- und Oberflächengewässern zu verringern, müssen die Stickstoffüberschüsse aus der landwirtschaftlichen Düngung langfristig gesenkt werden. Die ökologische Landwirtschaft mit ihrem nachhaltigen Bewirtschaftungssystem kann einen Beitrag dazu leisten.infoLaut dem Europäischen Green Deal sind insbesondere ökologische Anbausysteme für die Transformation hin zur nachhaltigen Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung, vgl. Europäisches Parlament (2021): European Parliament resolution of 15 January 2020 on the European Green Deal (2019/2956(RSP). C270, 2–20. (online verfügbar). Im Rahmen der Farm-To-Fork-Strategie strebt die EU eine Ausweitung der Anbaufläche für den ökologischen Landbau auf 25 Prozent bis 2030 an, vgl. Europäische Kommission (2020): Farm to Fork Strategy for a fair, healthy and environmentally-friendly foodsystem. COM(2020) 381 final (online verfügbar). EU-Richtlinie 2018/848 des Rates vom 30. Mai 2018 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates (Öko-Verordnung) (online verfügbar). Im Gegensatz zu anderen Anbaumethoden, insbesondere zum konventionellen Landbau, müssen Bio-Betriebe einen möglichst geschlossenen betrieblichen Nährstoffkreislauf erreichen, die Bodenfruchtbarkeit steigern oder erhalten und Nutztiere artgerecht halten.infoVgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2022): Ökologischer Landbau in Deutschland. Bonn (online verfügbar). Daher müssen Bio-Betriebe auch höhere Standards für den Umwelt- und Tierschutz erfüllen, zum Beispiel dürfen keine synthetischen Pestizide und Mineraldünger verwendet werden und Tierhaltung ist begrenzt und flächengebunden. Mehrere Feldstudien deuten darauf hin, dass ökologische Anbausysteme die Stickstoffauswaschung um bis zu 64 Prozent reduzieren können.infoChristian Schader, Matthias Stolze und Andreas Gattinger (2012): Environmental performance of organic farming. In: Joyce I. Boye und Yves Arcand (Hrsg.): Green technologies in food production and processing. Springer, 183–210. Verschiedene Studien zeigen, dass Stickstoffeintragsintensitäten für Ökolandbau in der Regel niedriger ausfallen als bei konventionellem Anbau, und so auch die Nitratauswaschung pro Flächeneinheit, jedoch gilt dieser Effekt nicht zwangsläufig für die Stickstoffauswaschung pro Produkteinheit, vgl. Hanna Tuomisto et al. (2012): Does organic farming reduce environmental impacts? A meta-analysis of European research. Journal of environmental management, 112, 309–320. Die geringere Stickstoffauswaschung könnte die Nitrateinträge ins Grundwasser reduzieren, allerdings gibt es dazu bisher keine empirische Evidenz.

Erste Ergebnisse einer ökonometrischen Analyse am DIW Berlin zeigen, dass mit einem steigenden Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche die Nitratkonzentration in den umliegenden Grundwasserkörpern sinkt. Die Regressionsergebnisse zeigen, dass eine einprozentige Zunahme der ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsfläche mit einer Verringerung der Nitratkonzentration um 0,3 Milligramm je Liter einhergehen. Die Ergebnisse stellen dabei eine grobe Approximation des tatsächlichen Effekts dar, da die verfügbaren Daten zu ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsflächen nur auf Landkreisebene verfügbar und somit nicht kleinräumig genug sind, um die hydrogeologischen Gegebenheiten zu modellieren (Kasten 3).

Der Einfluss von Ökolandbau auf die Nitratbelastung im Grundwasser wurde auf Grundlage von Regionaldaten und standortgenauen Messstellendaten für den Zeitraum 2008 bis 2018 geschätzt (Tabelle 3). Als abhängige Variable wurden Jahresdurchschnitte der Nitratkonzentrationen an Grundwassermessstellen genutzt, die vom Umweltbundesamt bereitgestellt wurden. Die erklärende Variable ist der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsfläche des Landkreises, in dem sich die Messstelle befindet; die Daten zum Ökolandbau wurden der Regionalstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder entnommen. Der Zusammenhang wurde mittels eines autoregressiven Regressionsmodells geschätzt. Dabei wurde angenommen, dass die Nitratkonzentration des Beobachtungsjahres nicht nur vom Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche, sondern auch von der Nitratkonzentration des Vorjahres abhängt, da der Prozess der Nitratbildung über die Zeit eher persistent ist. Zusätzlich wurde für eine Reihe von weiteren Einflussfaktoren kontrolliert, wie beispielsweise erhöhtem Mineraldüngereinsatz (> 100 Kilogramm je Hektar), Landnutzung im Umkreis der Messtelle (Anteile von Landwirtschafts-, Weinbau-, Obstanbau-, Grünland- und Waldflächen in einem 500-Meter-Radius um die Messstelle) und Wettereinflüsse, die aus verschiedenen Quellen zusammengeführt wurden (Regionalstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, CORINE Land Cover Database, Deutscher Wetterdienst und Häußermann et al.).infoVgl. Uwe Häußermann et al. (2019): Stickstoff-Flächenbilanzen für Deutschland mit Regionalgliederung Bundesländer und Kreise – Jahre 1995 bis 2017. Methodik, Ergebnisse und Minderungsmaßnahmen. Umweltbundesamt. Dessau-Roßlau. Zusätzlich wurde mittels fester Effekte für zeitlich unveränderliche hydrogeologische Merkmale an den Messstellen und jahresspezifische Einflüsse kontrolliert. Zur Schätzung wurde die Generalisierte Momentenmethode nach Blundell und Bond genutzt,infoVgl. Richard Blundell und Stephen Bond (1998): Initial conditions and moment restrictions in dynamic panel data models. Journal of Econometrics 87, 115–143. die die Nitratwerte des Vorjahres mit Nitratwerten aus der Vergangenheit instrumentiert.

Tabelle 3: Auswirkungen landwirtschaftlicher Nutzflächen und Wetterfaktoren auf die Nitratkonzentration im Grundwasser

In Milligramm je Liter bei einer Erhöhung der Variablen um eine Einheit

Variablen In Milligramm pro Liter
Anteil Ökolandbau −0,298***
Mineraldünger 1,598*
Anteil Ackerland 0,134***
Anteil Weinbau 0,411**
Anteil Obstanbau 0,049
Anteil Grünland −0,041*
Anteil Wald −0,058***
Durchschnittliche Temperatur 1,086*
Summe Niederschlag 0,001
Durchschnittlicher Niederschlag 0,563
Nitratkonzentration des Vorjahres 0,550***
Anzahl der Beobachtungen 7311
Anzahl der Messstellen 1323

Anmerkung: Die Ergebnisse basieren auf einer multivariaten Regression, die feste Firmen- und Jahreseffekte berücksichtigt und mittels der Generalisierten Momentenmethode geschätzt wurde. Die Beobachtungseinheiten sind Grundwassermessstellen. Die Daten beziehen sich auf die Jahre 2008 bis 2018. Die Standardfehler wurden auf Messstellenebene geclustered. Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.

Lesebeispiel: Eine Zunahme der ökologisch bewirtschafteten Landwirtschaftsfläche um einen Prozentpunkt geht mit einer Verringerung der Nitratkonzentration um rund 0,3 Milligramm je Liter einher.

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Daten des Umweltbundesamts, der Regionalstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, der CORINE Land Cover Database, des Deutschen Wetterdienstes und Häußermann et al.

Sanitäre Innovationen können zur Verbesserung der Wasserqualität beitragen

Mit Blick auf Gewässerverschmutzung stellt auch die abwasserbasierte Sanitärversorgung eine Herausforderung für eine nachhaltige Wasserversorgung dar.infoUnser aktuelles Sanitärsystem fördert die lineare, nicht nachhaltige und ineffiziente Nutzung von Ressourcen und geht einher mit prozessbedingten Umweltemissionen, die die Gesundheit von Menschen und die Umwelt gefährden, vgl. Ariane Krause et al. (2021): Ressourcen aus der Schüssel sind der Schlüssel. Diskussionspapier zur Sanitär- und Nährstoffwende. Wertstoffe zirkulieren, Wasser sparen und Schadstoffe eliminieren (online verfügbar). So werden etwa für den Transport menschlicher Ausscheidungen große Mengen an Frischwasser verbraucht, das in der Folge mit Nähr- und Spurenstoffen, wie etwa Arzneimittelrückständen und Hormonen, verunreinigt wird. Zusätzlich kann das Abwasser durch die Mischung beispielsweise mit Regenwasser mit Schadstoffen (zum Beispiel mit Schwermetallen aus Straßenabläufen, wie Cadmium und Quecksilber) belastet werden. Die energieintensiven Reinigungsverfahren entfernen zwar einen Großteil dieser Rückstände, jedoch sind die ins Oberflächengewässer eingeleiteten Kläranlagenabläufe keineswegs unbedenklich. Beispielsweise gelten Abwasserbehandlungsanlagen trotz hochmoderner Technik als eine der Hauptemissionsquellen von NährstoffeninfoEtwa 22 Prozent beziehungsweise 33 Prozent der gesamten Stickstoff- und Phosphoreinträge in Oberflächengewässer stammen aus kommunalen Kläranlagen und urbanen Kanalisationssystemen, vgl. UBA (2020): Stickstoff- und Phosphoreinträge aus Punktquellen und diffusen Quellen in die Oberflächengewässer in Deutschland (online verfügbar). und potenziell krankmachenden Keimen in Oberflächengewässern.infoVgl. Umweltbundesamt (2018): Antibiotika und Antibiotikaresistenzen in der Umwelt – Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsoptionen. Umwelt & Gesundheit. Dessau-Roßlau; (2022): Erarbeitung anspruchsvoller Standards für die mittelfristige Fortführung der bodenbezogenen Verwertung von Klärschlämmen aus Abwasserbehandlungsanlagen mit kleiner Ausbaugröße. Bakterielle Resistenzen in Klärschlamm. Umwelt & Gesundheit. Dessau-Roßlau.

Eine mögliche Lösung bietet eine ressourcenorientierte und zirkuläre Sanitärversorgung. Diese beruht auf dem technischen Ansatz der „Stoffstromtrennung“ an der Quelle. Durch die getrennte Erfassung (zum Beispiel durch Trockentrenntoiletten) und Behandlung verschiedener Abwasserströme, wie zum Beispiel Urin, Fäzes und Regenwasser, bleiben die Wasser- und Nährstoffkreisläufe technisch getrennt. Einzelne Stoffgruppen werden so weder verdünnt, noch miteinander vermischt oder querkontaminiert, wodurch eine gezieltere und effizientere Behandlung ermöglicht wird: Krankheitserreger werden abgetötet und zurückbleibende Nährstoffe sicher und nachhaltig in den Kreislauf zurückgeführt. Zusätzlich reduziert die prozessbedingte Einsparung von Wasser und Energie den Druck auf die natürlichen Ressourcen.infoMit Hilfe von Wasserspar- und Trockentrenntoiletten können im Durchschnitt etwa 15 bis 30 Kubikmeter Trinkwasser jährlich pro Person eingespart werden, vgl. Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (2015): Neuartige Sanitärsysteme. Begriffe, Stoffströme, Behandlung von Schwarz-, Braun-, Gelb-, Grau- und Regenwasser, Stoffliche Nutzung. Bauhaus-Universitätsverlag Weimar. Mehr Informationen zu den Wirkungen des abwasserbasierter Sanitärsystems und Vorteilen der Stoffstromtrennung.

Auf diese Weise kann auch die Verwertung von Inhalten aus Trockentrenntoiletten (Urin und Fäzes) zu hygienisch sicherem, nährstoffreichen und schadstoffarmem Recyclingdünger für die Landwirtschaft zur nachhaltigen Wasserwirtschaft und den strategischen Zielen der nationalen Wasserstrategie beitragen.infoForschungsergebnisse stammen aus dem im Rahmen der Fördermaßnahme REGION.innovativ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekt „zirkulierBAR“: Interkommunale Akzeptanz für nachhaltige Wertschöpfung aus sanitären Nebenstoffströmen“. Gemeinsam mit Kommunen, zukunftsorientierten Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen schafft das Projekt ein Reallabor für nachhaltige und regionale Kreislaufwirtschaft. Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung des Center for Responsible Research and Innovation des Fraunhofer IAO weisen darauf hin, dass die gesellschaftlichen Akzeptanzhürden von Trockentrenntoiletten und Recyclingdünger niedriger ausfallen als erwartet, vor allem bei Verwendung im Garten oder auf Großveranstaltungen (Abbildung 3). Zudem bewertet mehr als die Hälfte der Befragten die Nutzung von Trockentoiletten zur Sammlung menschlicher Ausscheidungen für die Weiterverarbeitung zu Recyclingdünger positiv. Während die wenigsten wissen, womit gekaufte Lebensmittel gedüngt wurden, würden 44 Prozent der Befragten auch Gemüse essen, das mit Recycling-Dünger angebaut wurde.infoVgl. Bergmann (2022), a.a.O. Im Gegensatz dazu fehlt es aber an politischer Akzeptanz für die breite Umsetzung. Anders als bei Klärschlamm, Gülle oder Bioabfall sieht der aktuelle Rechtsrahmen den Gebrauch von Recyclingdüngern aus menschlichen Ausscheidungen, die getrennt von Abwasser gesammelt wurden, nicht vor. Dies stellt eine Diffusionsbarriere für sanitäre Innovationen dar. Um die Etablierung alternativer Sanitärsysteme zu ermöglichen, bedarf es unter anderem einer Anpassung des Abfall- und Düngerechts.infoVgl. Krause et al. (2021), a.a.O.

Fazit: Gewässerqualität verbessern und Nutzungskonflikte lösen

Die Ressource Wasser gerät auch in Deutschland zunehmend unter Druck. Zu den Herausforderungen durch den Klimawandel kommt die Belastung der Gewässer durch Nitrat und Phosphor und zahlreiche andere Stoffe, die den ökologischen Zustand der Gewässer gefährden und die Kosten für die Gewinnung und Aufbereitung von Trinkwasser erhöhen. Darüber hinaus kommt es auch in Deutschland vermehrt zu Wassernutzungskonflikten zwischen Industrie, Haushalten und Landwirtschaft.

Um künftig Nutzungskonflikte zu vermeiden, sollten gezielte Maßnahmen zur nachhaltigen Wasserentnahme der Industrie, wie eine effiziente Wassernutzung als Voraussetzung für Entnahmegenehmigungen, umgesetzt werden. Insbesondere sollte die Bevorzugung der Industrie, die derzeit große Mengen zu sehr niedrigen Preisen verbraucht, aufgehoben werden, um damit Anreize zur effizienten Nutzung zu schaffen.

Um die Nitrateinträge zu reduzieren, müssen die verschärften Vorgaben zur landwirtschaftlichen Düngung konsequent umgesetzt werden, insbesondere in den nitratbelasteten Zonen. Zudem kann Ökolandbau einen Beitrag leisten, Überdüngung zu reduzieren, und sollte weiter ausgebaut werden, wie es auch im Rahmen der EU-Farm-to-fork-Strategie vorgesehen ist.infoVgl. Europäische Kommission (2020), a.a.O.

Um Stoffeinträge aus der Sanitärversorgung zu minimieren, sollten Energie-, Wasser- und Nährstoffkreisläufe inhaltlich verbunden, aber technisch voneinander getrennt werden. Sanitäre Innovationen bieten die Möglichkeit, Nährstoffe aus menschlichen Ausscheidungen effektiv zurückzugewinnen und Stoffkreisläufe regional, klimafreundlich und sicher zu schließen. Allerdings sieht der aktuelle Rechtsrahmen die Herstellung von Recyclingdünger aus menschlichen Ausscheidungen, die getrennt von Abwasser gesammelt wurden, nicht vor. Das sollte angepasst und weiterentwickelt werden, um die Diffusionsbarrieren effektiv abzubauen.

Voraussetzung für einen vorausschauenden Umgang mit Wassernutzungskonflikten ist eine umfangreiche Datenbasis zum Wasserdargebot und zu Wasser-Bedarfsanalysen. Derzeit liegt die Datenerhebung meist in der Verantwortung der Landesbehörden; es liegen beispielsweise keine bundesweiten Daten zur Erfassung der Grundwasserpegel vor. Die Schaffung einer qualitativ hochwertigen, öffentlich zugänglichen Datenbasis wird auch von der nationalen Wasserstrategie gefordert und könnte einen Beitrag zur Intensivierung der umweltökonomischen Forschung in diesem Bereich leisten.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Astrid Cullmann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt



JEL-Classification: Q15;Q53;Q58
Keywords: Water, resources, pollution, nitrate concentration, water prices
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-49-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/267702

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