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Bei vielen mineralischen Rohstoffen ist der Anteil wenig demokratischer Lieferländer sehr hoch: Interview

DIW Wochenbericht 50 / 2022, S. 676

Marius Zeevaert, Erich Wittenberg

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Herr Zeevaert, Deutschland und die EU sind nicht nur abhängig von Öl und Gas, sondern auch von mineralischen Rohstoffimporten. Welche Rolle spielen diese Rohstoffe für die Industrie? Viele der mineralischen Rohstoffe spielen eine zentrale Rolle für die Industrie. Seltene Erden zum Beispiel sind wichtig für Windturbinen; Magnesium hingegen ist sehr wichtig für die Autoproduktion. Viele dieser mineralischen Rohstoffe lassen sich nur sehr schwer substituieren, es ist also schwierig, einen Ersatz für sie zu finden.

Wie groß ist die Abhängigkeit von den Lieferländern? Die Produktion einiger dieser Rohstoffe konzentriert sich teilweise bis über 80 oder sogar bis über 90 Prozent auf einzelne Länder. Das heißt, wir haben hier eine sehr große Marktkonzentration. Die Lieferländer sind sehr verschieden, aber oftmals handelt es sich um wenig demokratische Länder, wie zum Beispiel China oder Kongo.

Welche Rolle spielt die politische Ausrichtung der Lieferländer? Wir gehen davon aus, dass Länder, die als besonders undemokratisch gelten, tendenziell auch weniger zuverlässig bei den Lieferungen sind. Wir haben uns angeschaut, wie hoch der Prozentsatz der Importe ist, der aus diesen wenig demokratischen Ländern stammt. Es zeigt sich, dass bei vielen der mineralischen Rohstoffe der Anteil sehr hoch ist, teilweise sogar über 90 Prozent.

Welche Maßnahmen könnten ergriffen werden, um für mehr Rohstoffsicherheit in Deutschland und der EU zu sorgen und die Lieferabhängigkeiten zu verringern? Da muss zwischen kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen unterschieden werden. Kurzfristig wären eine Bündelung der Nachfrage sowie eine Diversifizierung der Bezugsländer auf jeden Fall hilfreich. Des Weiteren könnten Mindestreserven für spezifische Rohstoffe eingeführt werden. Langfristig wiederum wäre es möglich, ein verbessertes Recycling in Betracht zu ziehen, sowie auch eigene Produktionsmöglichkeiten in der EU besser zu nutzen. Zudem könnten langfristig technische Innovationen stärker gefördert werden, sodass weniger Materialien eingesetzt werden müssen.

Wie sieht es mit der Förderung und Herstellung von mineralischen Rohstoffen in der EU aus? In der EU haben wir keine Seltenen Erden. Was wir aber durchaus haben und selbst produzieren könnten, wären zum Beispiel Magnesium und auch Lithium. Da gibt es Reserven und diese könnten auch genutzt werden, wenn dies gewollt ist.

Warum wird das nicht getan? Derzeit ist deren Gewinnung in der EU teurer als die Produktion in anderen Ländern. Zudem gibt es eine gesellschaftliche Debatte, ob diese Rohstoffe wirklich hierzulande gefördert werden sollten. Technisch wäre es aber zum Beispiel bei Lithium durchaus möglich.

Wie groß wird der Bedarf an mineralischen Rohstoffen in der Zukunft sein? Nach Angaben der Internationalen Energieagentur wird der Bedarf besonders für Lithium und Magnesium deutlich steigen, weil diese Rohstoffe besonders wichtig für die Energiewende sind. Teilweise wird mit einem Anstieg auf das Sieben- oder bis zu über 40-fache gerechnet, je nachdem um welchen Rohstoff es sich handelt.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse für künftige wirtschafts- und industriepolitische Entscheidungen? Erst einmal ist es Aufgabe der Unternehmen sich darum zu bemühen, dass ihre Rohstoffversorgung sicherer wird. Die Wirtschaftspolitik kann solche Bemühungen unterstützen. Zum einen arbeitet die EU daran. Sie wird im nächsten Jahr ein Gesetz zu kritischen Rohstoffen verabschieden. Hier sind durchaus spezifische Vorgaben zu erwarten. Zum anderen entwickelt auch die Bundesregierung eigene Maßnahmen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton
Bei vielen mineralischen Rohstoffen ist der Anteil wenig demokratischer Lieferländer sehr hoch - Interview mit Marius Zeevaert

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