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Entlastung für Autofahrer: Der Tankrabatt ist das naheliegendste, aber auch schlechteste Instrument

Medienbeitrag vom 1. Juni 2022

Dieser Beitrag erschien im Tagesspiegel.

Sollten die Preise steigen, ist das kein böswilliges Verhalten der Ölkonzerne, sondern die normale Marktreaktion. Das hätte man wissen können. Ein Gastbeitrag von Tomaso Duso.

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat die Ölpreise und damit auch die Spritpreise seit März in die Höhe getrieben. Darüber hinaus haben sich In den vergangenen Wochen die Benzin- und Dieselpreise vom Ölpreis sogar entkoppelt: egal wie sich der Ölpreis entwickelt hat, ist das Tanken teuer geblieben.

Besonders für ärmere Pendlerinnen und Pendler wird diese Verteuerung ein fast existenzielles Problem. Die Politik musste daher rasch reagieren und hat das naheliegendste, aber auch leider schlechteste Instrument gewählt: den Tankrabatt.

Dieser Text erschien am 01. Juni 2022 im Tagesspiegel.

Tankrabatt wirkt kaum entlastend

Der Tankrabatt, der ab heute für drei Monate gilt, ist eine Steuerermäßigung von 30 Cent pro Liter Benzin und 14 Cent pro Liter Diesel. Auch wenn die Preise am Mittwoch zunächst sanken: Ob dieser Rabatt vollständig und dauerhaft an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergereicht wird, ist unwahrscheinlich.

Denn diese Hoffnung könnten die Ölpreise zunichtemachen. Das kürzlich von der EU beschlossene Ölembargo dürfte die Ölpreise wieder steigen lassen und damit die Wirkung des Tankrabatts reduzieren oder sogar komplett auffressen. Auf jeden Fall wird diese Steuersenkung ohnehin nur teilweise an die VerbraucherInnen weitergegeben, da die Raffinerien einen Teil dieser Kostensenkung bei sich als extra Gewinnmarge behalten.

Das ist kein böswilliges Verhalten, sondern das normale Ergebnis einer Marktkonzentration, wie wir sie in Deutschland haben. Von den zwölf Raffinerien in Deutschland sind die meisten im Besitz der Mineralölkonzerne. Diese Konstellation gibt den Raffinerien die Marktmacht, die Preise zu bestimmen. Das wiederum führt zu einer unvollständigen Weitergabe von Kostensenkungen.

Tankrabatt wird wahrscheinlich nur teilweise weitergegeben

Es lässt sich sogar sehr gut abschätzen, wie der Tankrabatt anteilig weitergegeben wird. Am Beispiel der im Jahr 2020 wegen der Corona-Krise eingeführten Mehrwertsteuersenkung haben Felix Montag, Alina Sagimuldina und Monika Schnitzer der Ludwig-Maximilian-Universität in München kürzlich analysiert, wie viel von dieser Senkung – die ganz ähnlich zu dem heutigen Tankrabatt aussieht – damals an die Verbraucher und Verbraucherinnen an den Tankstellen weitergegeben wurde: im Durchschnitt nur zwei Drittel

Darüber hinaus haben sie gezeigt, dass die Weitergabe unterschiedlich für die verschiedenen Kraftstoffe war. Bei Benzin E5 wurde nur ein Drittel weitergegeben, das heißt von 10 Cent Steuersenkung sind nur 3,4 Cents bei den VerbraucherInnen angekommen. Die restlichen zwei Drittel landeten als Gewinn bei Raffinerien und Mineralölkonzernen. Bei E10 lag die Weitergabe immerhin bei 50 Prozent und bei Diesel sogar bei 80 Prozent. Es ist wahrscheinlich, dass nun dasselbe mit dem Tankrabatt passieren wird.

Damit mindestens diese Teilweitergabe des Tankrabatts passiert, ist es auch sehr zu begrüßen, dass sich das Bundeskartellamt die Entwicklungen am Markt – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette – genau anschaut. Das wird schon seit dem Anfang des Krieges gemacht. Während der Tankstellenmarkt dank der sogenannte Markttransparenzstelle – einer in 2013 eingeführten Plattform, die die Spritpreisen von allen Tankstellen in Deutschland in Echtzeit erfasst – sehr gut beobachtet werden kann, ist es viel schwieriger, das Preissetzungsverhalten der Mineralölkonzerne und der Raffinerien unter die Lupe zu nehmen.

Das Bundeskartellamt kann nur Fragen stellen

Aber genau an dieser Stelle liegt das Problem, da die Marktmacht hier besonders ausgeprägt ist. Deswegen hat das Bundeskartellamt in den letzten Wochen zum Glück eine Ad-hoc-Sektoruntersuchung der Raffinerie- und Großhandelsebene eingeleitet. Diese soll helfen, Transparenz für die Öffentlichkeit und die Politik zu schaffen.

Allerdings kann das Bundeskartellamt auch nicht viel mehr tun, als den Ölkonzernen und Raffinerien „unangenehme Fragen zu stellen“, wie Kartellamts-Präsident Andreas Mundt zugibt. Ob das wirkt, bliebt abzuwarten. Nur wenn das Amt einen möglichen Missbrauch oder eine Preisabsprache seitens der Mineralölkonzerne und der Raffinerien erkennt, könnte es ein Verfahren einleiten und Bußgelder verhängen.

Da aber Kraftstoffanbieter bei der Preissetzung grundsätzlich frei sind und bei den sehr schwankenden Ölpreisen eine Weitergabe schwierig zu messen und zu prüfen ist, ist ein solcher Schritt nicht unbedingt zu erwarten. Wieso auch sollten die Raffinerien illegale Missbräuche begehen, wenn sie auch beim ganz normalen Marktverhalten ihre Margen substantiell steigern können?

Umverteilung von unten nach oben

Das Fazit des Tankrabatts fällt aus drei Gründen ernüchternd aus: Der gewählte Weg der Steuersenkung wird die öffentlichen Kasse teuer zu stehen kommen – geschätzt 3,15 Milliarden Euro –, wird aber nicht diejenigen erreichen, die es am meisten brauchen, nämlich die ärmeren Einkommensschichten, die auf das Auto angewiesen sind.

Erstens, wird ein gutes Drittel dieses Geldes wahrscheinlich in den Taschen der Mineralölkonzerne landen, die momentan eher wenig Unterstützung brauchen. Zweitens ist die soziale Wirkung des Tankrabatts verheerend, denn der Tankrabatt entlastet eher wohlhabende Haushalte, die viel mit großen spritfressenden Autos fahren, und weniger die Niedriglohn verdienende Pflegekraft mit ihrem Kleinwagen.

Der Tankrabatt wirkt daher wie eine Umverteilung von unten nach oben, genau das Gegenteil von dem, was wir gerade brauchen und wollen. Drittens ist der Tankrabatt das absolute falsche Signal während einer Klimakrise. Die Leute sollen weniger Auto fahren und weniger Sprit verbrauchen statt mehr.

Auch wenn die dramatische Situation schnelle Maßnahmen von der Politik erfordert, ist der einfachste und schnelle Weg fast nie der beste – auch in diesem Fall nicht. Eigentlich müssten wir inzwischen auch so krisenerfahren sein, dass die Bundesregierung nicht nur auf Ad-hoc-Maßnahmen angewiesen sein sollte, zumindest dann aber die richtigen Verteilungs- und Lenkungswirkungen abschätzen können müsste. Andere Instrumente, wie direkte Transferleistungen und zielgerichtete Steuerentlastungen für ärmere und bedürftigere Haushalte, wären günstiger und effektiver gewesen.

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