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Bauboom geht zu Ende – politischer Strategiewechsel erforderlich

DIW Wochenbericht 1/2 / 2023, S. 3-14

Martin Gornig, Laura Pagenhardt

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  • Ausgaben für Bauleistungen steigen 2022 um fast 14 Prozent, Preisexplosion lässt reales Bauvolumen aber um zwei Prozent sinken
  • Für 2023 weitere Rückgänge wegen steigender Baukosten und verschlechterter Finanzierungsbedingung erwartet
  • Vor allem der Wohnungsneubau schwächelt – Ziele der Bundesregierung damit nicht zu halten
  • 2024 dürfte Baukonjunktur wieder anspringen – Gewinnsituation für Bauunternehmen dürfte befriedigend bleiben
  • Politik muss Anreize beim Wohnungsbau für Nachverdichtung im Bestand und energieeffiziente Sanierung setzen sowie Investitionen in kommunale Infrastruktur sichern

„Der schwächelnde Wohnungsbau rückt das Ziel der Bundesregierung, 400000 neue Wohnungen zu schaffen, in weite Ferne. Die Politik sollte allerdings weniger die Gesamtzahl der neu errichteten Wohneinheiten als vielmehr die Schaffung von Wohnraum im unteren Preissegment in den Ballungsräumen in den Fokus nehmen.“ Martin Gornig

Nach dem Boom der Bauwirtschaft in den vergangenen Jahren haben im Jahr 2022 Inflation und Lieferengpässe der Branche schwer zu schaffen gemacht. Zwar ist das Bauvolumen nominal nochmals um fast 14 Prozent gestiegen, inflationsbereinigt ging es allerdings um zwei Prozent zurück. Besonders betroffen war und ist der dringend benötigte Wohnungsneubau. Für dieses und das nächste Jahr wird erwartet, dass sich die Investoren aufgrund steigender Baukosten und verschlechterter Finanzierungsbedingungen zurückhalten werden und das Bauvolumen auch nominal nur noch um vier bis fünf Prozent wächst. Das Bauhauptgewerbe sollte aber dann auch von der anziehenden Baukonjunktur insbesondere im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau profitieren. Der Rückgang der realen Bauleistung setzt die Politik unter enormen Druck und macht einen Strategiewechsel erforderlich. Zentrale Ziele der Politik sind nur zu erreichen, wenn die Baukapazitäten nicht schrumpfen, sondern deutlich ausgeweitet werden. Besonderes Augenmerk sollte die Politik nun auf Anreize für die Nachverdichtung im Bestand, die energetische Gebäudesanierung und den Ausbau kommunaler Infrastrukturen legen.

Die Bauwirtschaft in Deutschland hatte im Jahr 2022 mit großen Problemen zu kämpfen, die auch in diesem Jahr noch merkliche Auswirkungen haben dürften. Inflation und Kaufkraftverlust, Lieferengpässe, Energiekrise und konjunkturelle Schwächephase sorgen für eine Explosion der Baupreise und Einbrüche bei den Auftragseingängen. Zwar lässt die enorme Preisentwicklung die Umsätze der Bauunternehmen nominal steigen, real dürfte aber nach den Berechnungen des DIW Berlin das Bauvolumen in den Jahren 2022 und 2023 rückläufig sein.infoDie Annahmen über die Baupreisentwicklung sind angelehnt an die letzte Gemeinschaftsdiagnose vom Herbst 2022 (online verfügbar, abgerufen am 3. Januar 2023) und eigene Berechnungen. Für jede Sparte werden die Annahmen über die jeweilige Preisentwicklung angepasst.

Aufgrund der Entspannung bei Lieferketten und Materialpreisen sowie der sinkenden Kapazitätsauslastung dürfte sich der Preisanstieg in diesem Jahr zwar etwas abschwächen. Nichtsdestotrotz bleibt die Dynamik hoch und dürfte, gepaart mit steigenden Zinsen und wirtschaftlicher Unsicherheit, die Bautätigkeit ausbremsen. Im Rahmen der konjunkturellen Erholung dürfte das Bauvolumen im kommenden Jahr auch real wieder ausgeweitet werden.

Zu diesen Ergebnissen kommen die Berechnungen am DIW Berlin zum Bauvolumen,infoDie Bauvolumenrechnung wird finanziert aus Mitteln der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Für den Begriff „Bauvolumen“ siehe auch das DIW Glossar (online verfügbar, abgerufen am 22. Dezember 2022. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen des Berichts, sofern nicht anders vermerkt). das neben den Bauinvestitionen auch nicht werterhöhende Reparaturen einschließt und zusätzlich zum Baugewerbe im engeren Sinne auch weitere Branchen wie den Stahl- und Leichtmetallbau, die Herstellung von Fertigbauten, die Bauschlosserei sowie Planungsleistungen und andere Dienstleistungen berücksichtigt. Ergänzend zu den Investitionsrechnungen der statistischen Ämter differenziert die DIW Bauvolumenrechnung zwischen Neubaumaßnahmen und Modernisierungen am Gebäudebestand.infoMartin Gornig, Claus Michelsen und Hanna Révész (2021): Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe – Berechnungen für das Jahr 2020. BBSR-Online-Publikationen Nr. 32 (online verfügbar).

Neben der Berechnung und Dokumentation der Bauvolumina der vergangenen Jahre prognostiziert das DIW Berlin die entsprechenden Werte für das gerade abgelaufene, das laufende sowie das kommende Jahr. Diese Prognose (Kasten) ist eingebunden in die Konjunkturbeobachtung des DIW Berlin, insbesondere der Investitionstätigkeit. Zusätzlich zu den Einschätzungen der Bauinvestitionsentwicklung werden im Rahmen der Bauvolumenrechnung Prognosen der Entwicklungen von Neubau- und Bestandsvolumina im Hochbau sowie im Wohnungs- und Nichtwohnungsbau ausgewiesen.infoVgl. Claus Michelsen und Martin Gornig (2016): Prognose der Bestandsmaßnahmen und Neubauleistungen im Wohnungsbau und im Nichtwohnungsbau. BBSR-Online-Publikation Nr. 07 (online verfügbar). Aus diesen Zahlen werden darüber hinaus die Entwicklungstendenzen des Bauhauptgewerbes und des Ausbaugewerbes abgeleitet.

Die Prognose des Bauvolumens erfolgt über indikatorengestützte statistische Modelle: Die zu prognostizierende Größe, beispielsweise das Wohnungsbauvolumen, wird auf einen autoregressiven Term und gleichlaufende sowie verzögerte Werte des jeweiligen Indikators, zum Beispiel Auftragseingänge, regressiert. Dabei werden die Bestands- und Neubauvolumina im Hochbau separat geschätzt.

Die Prognosegleichung nimmt die folgende Form an:

yt=α+i=1nβi yt-i+j=1myj xt-j+εt

Hierbei steht yt für den zu prognostizierenden Wert, xt für den Indikator und εt für den statistischen Störterm. Die Parameter α, βi und γj werden geschätzt. Die Verzögerungslängen n und m (Jahre) werden anhand der Autokorrelations- beziehungsweise der Kreiskorrelationsfunktion bestimmt. Bewährt hat sich der Ansatz, eine Vielzahl einzelner Modelle zu schätzen und den durchschnittlichen Wert für die Prognose zu verwenden. Für die einzelnen Reihen werden jeweils bis zu 1500 Modelle geschätzt. Als geeignete Indikatoren haben sich Baugenehmigungen, Auftragseingänge und -bestand, Produktion, Zinsen, Kreditvolumina, Beschäftigungs- und Umsatzentwicklung sowie Umfragen unter Bauunternehmen und freischaffenden Architekt*innen erwiesen.infoMichelsen und Gornig (2016), a.a.O.

Auf dieser Grundlage kann für alle Aggregate eine Prognose mit einem Vorlauf von bis zu zwei Jahren erstellt werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass aufgrund des unterschiedlichen Vorlaufs der einzelnen Indikatoren die Zahl der zur Durchschnittsbildung zugrunde gelegten Punktschätzer mit zunehmender Prognosereichweite deutlich sinkt. Um der Prognose zusätzliche Stabilität zu geben, werden daher auch Erwartungen für die Beschäftigung und für das Bruttoinlandsprodukt für die Jahre 2022 bis 2024 als gleichlaufende Indikatoren in den Modellen berücksichtigt. Die Differenz zwischen Gesamt- und Hochbauvolumen ist die erwartete Tiefbauleistung.

Auch die Bauvolumenprognose für das vergangene Jahr wird mithilfe dieser Methodik ermittelt (Nowcast). Dabei werden die Indikatoren mithilfe statistischer Methoden fortgeschrieben, um Werte für das Jahr 2022 zu erhalten. Alle Modellergebnisse werden anhand der Prognose der Bauinvestitionen rationalisiert. Die Annahmen über die Baupreisentwicklung sind angelehnt an die letzte Gemeinschaftsdiagnose vom Herbst 2022infoProjektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (Herbst 2022): Energiekrise: Inflation, Rezession, Wohlstandsverlust (online verfügbar). und eigene Berechnungen. Dabei werden die Annahmen für jede Sparte angepasst.

Wohnungsbau mit großen Problemen

Das Jahr 2022 erwies sich als schwieriges Pflaster für den Wohnungsbau. Vor allem die sehr dynamische Preisentwicklung zog die Wohnungsbauinvestitionen in Mitleidenschaft. Sie begann bereits im Jahr 2021 aufgrund von Lieferengpässen und Materialmangel und verschärfte sich mit der Energiekrise im vergangenen Jahr: Die Baupreise dürften im Jahr 2022 um gut 15 Prozent zugelegt haben. Der massive Kaufkraftverlust durch die stark steigenden Verbraucherpreise sowie die Unsicherheit über die weitere reale Einkommensentwicklung sorgten dafür, dass viele Haushalte zurückhaltend agierten und Investitionen in Wohnraum zunächst zurückstellten. So zeigten sich vor allem in der zweiten Jahreshälfte deutliche Rückgänge bei den Auftragseingängen (Abbildung 1). Laut einer Umfrage des ifo Instituts klagten außerdem knapp 17 Prozent der Bauunternehmen über Stornierungen.infoPressemitteilung des ifo Instituts vom 12. Dezember 2022: Stornierungen im Wohnungsbau nehmen wieder zu (online verfügbar). Damit ist der Aufwärtstrend im Auftragsbestand, der insbesondere seit 2016 zu beobachten war, zunächst gestoppt und dürfte seinen Zenit überschritten haben (Abbildung 2).

Doch nicht nur die gestiegenen Kosten haben der Bauwirtschaft zu schaffen gemacht. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) eingeleitete Zinswende hat zusätzlich die Finanzierungsbedingungen verschlechtert: Im Laufe eines Jahres stiegen die Zinsen für Wohnungsbaukredite von 1,3 auf mehr als drei Prozent und befinden sich nun auf dem Niveau von vor zehn Jahren (Abbildung 3). Vor allem für private Haushalte, die das Gros des Wohnungsbauvolumens ausmachen, dürfte dies ein entscheidendes Hindernis darstellen und die Baunachfrage zusätzlich dämpfen.

Zugleich ist der Bedarf an Wohnraum ungebrochen hoch und hat sich mit dem Zuzug von Geflüchteten in Folge des Ukraine-Krieges noch einmal verschärft: Im Jahr 2022 (Februar bis November) wurden mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine im deutschen Ausländerzentralregister registriert.infoVgl. Website der Informations-Plattform Mediendienst Integration auf Basis der Zahlen des Bundesinnenministeriums. Vor allem in den Ballungsräumen fehlt es an Wohnungen. Wie hoch der Mehrbedarf endgültig sein wird, hängt von der Aufenthaltsdauer ab, für die bislang keine klare Perspektive besteht. Flüchtlingsströme während des Westbalkankonflikts haben gezeigt, dass bei einer Befriedung der Situation zwar ein Teil der Personen in ihre Heimat zurückkehrt. Andere dürften sich allerdings dauerhaft in Deutschland niederlassen und Familienangehörige nachholen.infoLaut einer aktuellen Umfrage wollen 26 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine für immer und 13 Prozent für längere Zeit in Deutschland bleiben, vgl. Pressemitteilung des DIW Berlin, IAB, BIB und BAMF vom 15. Dezember 2022: Ukrainische Geflüchtete bringen gute Voraussetzungen für die Teilhabe in Deutschland mit (online verfügbar). Dies vergrößert den Bedarf an ohnehin knappem Wohnraum zusätzlich.

Angesichts der sinkenden Kapazitätsauslastung im Baugewerbe (Abbildung 4) und der leichten Entspannung auf den Materialmärkten – die Preise für Holz und Stahl fielen zuletzt wieder – dürfte sich die Preisentwicklung in diesem Jahr etwas beruhigen.infoCarsten-Patrick Meier, Finn Dumoulin und Christopher Dahl (2021): Mittelfristprognose der Preise für Bauleistungen. BBSR-Online-Publikation Nr. 10 (online verfügbar). Der Anteil der Bauunternehmen, die laut ifo-Umfragen über Materialmangel klagen, ging zum Jahresende merklich zurück. Auch erwarteten deutlich weniger Unternehmen, dass die Preise zu Beginn dieses Jahres weiter steigen würden. Nichtsdestotrotz bleibt die Kapazitätsauslastung im historischen Vergleich hoch und die Preisdynamik insgesamt kräftig, so dass auch in diesem Jahr eine deutliche Differenz zwischen nominalen und realen Umsatzzahlen liegen dürfte.

Alles in allem wird das Wohnungsbauvolumen in nominaler Rechnung nach einem Plus von 12,8 Prozent im vergangenen Jahr voraussichtlich um 3,8 Prozent in diesem Jahr und etwa 4,6 Prozent im Jahr 2024 steigen (Tabelle 1). Diese Anstiege werden 2022 und 2023 jedoch von den stark anziehenden Baupreisen mehr als geschluckt, so dass sich real Rückgänge von jeweils gut zwei Prozent ergeben. Für 2024 ist wieder ein realer Zuwachs von zwei Prozent zu erwarten (Abbildung 5).

Tabelle 1: Baumaßnahmen bei Wohngebäuden in Deutschland

2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024
In jeweiligen Preisen in Milliarden Euro Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent
Neubauvolumen1 56,5 62,8 67,2 71,7 75,4 79,2 85,9 95,3 97,9 103,2 11,3 7,1 6,6 5,1 5,0 8,5 10,9 2,7 5,5
Bauleistung an bestehenden Gebäuden2 131,3 136,3 143,2 153,1 165,5 173,5 190,4 216,5 225,7 235,4 3,8 5,0 6,9 8,1 4,8 9,7 13,7 4,2 4,3
Wohnungsbauvolumen insgesamt 187,8 199,1 210,4 224,8 240,9 252,7 276,4 311,8 323,6 338,6 6,1 5,7 6,8 7,2 4,9 9,4 12,8 3,8 4,6
Anteile in Prozent
Neubauvolumen1 30,1 31,5 32,0 31,9 31,3 31,3 31,1 30,6 30,2 30,5
Bauleistung an bestehenden Gebäuden2 69,9 68,5 68,0 68,1 68,7 68,7 68,9 69,4 69,8 69,5
Wohnungsbauvolumen insgesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
Index 2015 = 100
Preisentwicklung 100,0 102,1 105,4 110,3 115,2 117,3 127,4 146,9 155,9 159,9 2,1 3,3 4,6 4,5 1,8 8,6 15,3 6,2 2,6
real, Kettenindex 2015 = 100
Neubauvolumen1 100,0 109,2 113,3 115,6 116,4 120,1 120,1 114,7 110,8 114,0 9,2 3,8 2,0 0,7 3,2 0,0 −4,5 −3,4 2,9
Bauleistung an bestehenden Gebäuden2 100,0 101,7 103,5 105,9 109,8 113,1 114,4 112,6 110,4 112,3 1,7 1,7 2,4 3,6 3,0 1,2 −1,6 −1,9 1,7
Wohnungsbauvolumen insgesamt 100,0 104,0 106,5 108,9 111,8 115,2 116,1 113,6 111,1 113,3 4,0 2,4 2,3 2,7 3,1 0,8 −2,2 −2,2 2,0

1 Geschätzt über veranschlagte Baukosten (Bautätigkeitsstatistik), ergänzt um Zuschläge für Architekt*innenleistungen und Gebühren, Außenanlagen und Eigenleistungen der Investoren.

2 Gebäude- und Wohnungsmodernisierung (einschließlich Um- und Ausbaumaßnahmen) sowie Instandsetzungsleistungen des Baugewerbes.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Bauvolumenrechnung.

Wohnungsneubau schwächt sich am stärksten ab

Die Probleme des Wohnungsbaus schlagen sich vor allem im Neubau nieder; das veränderte Zinsumfeld dürfte dabei eine entscheidende Rolle spielen und zumindest einen Teil der Haushalte von Neubauvorhaben abbringen. So verzeichneten die Baugenehmigungen seit der Abschaffung des Baukindergeldes im März und vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2022 einen deutlichen Abwärtstrend (Abbildung 6). Dies dürfte sich erheblich auf die Neubautätigkeit in diesem Jahr auswirken, die trotz dynamischer Preisentwicklung nominal deutlich weniger ansteigen dürfte als im vergangenen Jahr, insbesondere dann, wenn aktuelle Bauprojekte abgeschlossen sind und weniger neue Projekte angestoßen werden. Mit einer Normalisierung des wirtschaftlichen Umfelds und weniger Unsicherheit dürfte im kommenden Jahr dann wieder mehr Investitionsfreude aufkommen.

Um dem akuten Einbruch entgegenzuwirken und Investitionsanreize zu setzen, hat die Bundesregierung mit dem Jahressteuergesetz 2022 zuletzt Steuervergünstigungen für Wohnungsbauinvestitionen beschlossen, die bereits zum 1. Januar dieses Jahres und damit ein halbes Jahr früher als geplant in Kraft getreten sind: Zum einen wurde die lineare Abschreibung (Absetzung für Abnutzung, AfA) von zwei auf drei Prozent erhöht. Dies dürfte mittelfristig auf breiter Front die Neubautätigkeit stimulieren.

Darüber hinaus wurde eine zeitlich begrenzte additive Sonderabschreibung für neugebaute Mietwohnungen eingeführt, die es erlaubt, innerhalb von vier Jahren fünf Prozent der Herstellungskosten für neu geschaffene Mietwohnungen abzusetzen, wenn diese bestimmte Klimaschutzauflagen („KfW40“) erfüllen. So können Investoren ab diesem Jahr über vier Jahre bis zu 32 Prozent auf Neubauten abschreiben.infoVgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetz 2022. Drucksachen 20/3879 und 20/4229 (online verfügbar). Allerdings dürfte die Breitenwirkung aufgrund der strikten Vorgaben begrenzt bleiben. Des Weiteren plant der Bund eine erneute Neubauförderung ab März dieses Jahres. Diese Bedingungen dürften den Wohnungsneubau zumindest teilweise stützen und so einen noch stärkeren Einbruch verhindern.

Dennoch wird der Wohnungsneubau in den kommenden Jahren wohl schwächeln: Bereits im abgelaufenen Jahr wurde das nominale Plus von elf Prozent komplett durch den Preisanstieg kassiert, so dass sich preisbereinigt ein Rückgang von 4,5 Prozent ergibt. In diesem Jahr dürfte sich der nominale Zuwachs auf nur 2,7 Prozent belaufen, gleichbedeutend mit einem realen Rückgang von 3,4 Prozent. Im Jahr 2024 dürfte die Dynamik mit 5,5 Prozent nominalem Wachstum dann wieder anziehen und sich bei abgeschwächter Preisentwicklung auch real wieder ein Plus von 2,9 Prozent einstellen.

Bestandsmaßnahmen wirken stabilisierend

Während der Corona-Pandemie 2020 und 2021 waren die Bestandsleistungen besonders von Materialengpässen und Lockdown-Maßnahmen betroffen und gingen am stärksten zurück; aktuell wirken sie nun stabilisierend auf die Bautätigkeit. Ein Indiz dafür zeigt sich bereits in der Bauproduktion des Ausbaugewerbes, die sich am aktuellen Rand im Gegensatz zum Bauhauptgewerbe auf niedrigem, aber konstantem Niveau hält und damit die Bauproduktion insgesamt stabilisiert (Abbildung 7). Zwar dürften einige Ausbau- und Sanierungsvorhaben aufgrund gestiegener Kosten gekürzt oder gar ganz gestrichen worden sein; schließlich sind Bestandsmaßnahmen schneller und unkomplizierter an veränderte Budgetrestriktionen anpassbar als Neubauprojekte. Doch durch die Rückgänge im Neubau dürften gleichzeitig auch wieder vermehrt Handwerker*innenkapazitäten für Bestandsmaßnahmen zur Verfügung stehen, was diese wiederum realisierbarer macht.

Auf eine solche Verschiebung deuten auch Befragungen bei Unternehmen der Wohnungswirtschaft hin. So gaben angesichts der steigenden Baupreise 24 Prozent der Unternehmen an, Neubauprojekte aufzugeben, aber nur acht Prozent zogen das bei Modernisierungsprojekten in Betracht.infoBundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) (2022): Wohnungswirtschaftliche Daten und Trends 2022/2023. Für geringere Einschränkungen bei Modernisierungen sprachen darüber hinaus die Genehmigungszahlen für Baumaßnahmen an vorhandenen Gebäuden. Während die genehmigten Baukosten für Modernisierung bis Oktober noch über Vorjahresniveau lagen, sind sie bei neuen Bauten deutlich gesunken (Abbildung 8).

Eine wesentliche Motivation für die Wohnungsmodernisierung ist seit Jahren die energetische Sanierung. Mit den massiv gestiegenen Energiekosten und der Aussicht auf langfristig höhere Energiepreise sind die Anreize, in energetische Sanierung zu investieren, nochmals gestiegen. Die Förderprogramme zur energetischen Gebäudesanierung dürften entsprechend mehr und mehr Wirkung entfalten, zumal die Fördersumme 2022 mit knapp 13 Milliarden Euro deutlich über den rund acht Milliarden Euro von 2021 lag. Für 2023 soll sie auf bis zu 16 Milliarden Euro ausgeweitet werden. Konkrete Festlegungen liegen aus dem Wirtschaftsministerium aber noch nicht vor.

Somit dürften Maßnahmen an bestehenden Gebäuden im kommenden Jahr nominal stärker ausgeweitet werden als Neubauten. Nach Zuwächsen von 13,7 (real: −1,6) Prozent im vergangenen Jahr ist für das laufende und das kommende Jahr mit Anstiegen der Bestandsleistungen um jeweils gut vier Prozent zu rechnen. Preisbereinigt ergeben sich ein Minus von 1,9 beziehungsweise ein Plus von 1,7 Prozent.

Nichtwohnungshochbau von wirtschaftlicher Unsicherheit geprägt

Auch im Nichtwohnungsbau zeigen sich die Auswirkungen der Preissteigerungen, wenn auch weniger deutlich als im Wohnungsbau. Der Auftragsbestand legte weiter zu und blieb dementsprechend auf Rekordniveau (Abbildung 2). Dabei waren vor allem die öffentlichen Auftraggeber ausschlaggebend, deren Auftragseingänge bis zuletzt anstiegen, während der Wirtschaftshochbau schwächelte (Abbildung 1). Angesichts der sehr unsicheren wirtschaftlichen Lage und der stark gestiegenen Faktorkosten halten sich viele Unternehmen mit Investitionen in neue Werk- und Lagerstätten zurück. Zudem machen die Zinserhöhungen die Kreditaufnahme für große Bauvorhaben weniger attraktiv.

Nach einem nominalen Anstieg um 14,9 Prozent (real: −1,9 Prozent) im Jahr 2022 wird für den Nichtwohnungsbau mit einem Anstieg der nominalen Ausgaben um 4,9 Prozent (−1,2 Prozent) im Jahr 2023 und 5,8 Prozent (+2,6 Prozent) im Jahr 2024 gerechnet (Tabelle 2).

Tabelle 2: Baumaßnahmen bei Nichtwohngebäuden in Deutschland

2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024
In jeweiligen Preisen in Milliarden Euro Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent
Neubauvolumen1 31,9 35,3 38,1 41,7 45,0 46,8 50,0 56,9 58,7 62,4 10,7 8,0 9,3 8,0 4,0 6,8 13,8 3,1 6,3
Bauleistung an bestehenden Gebäuden2 58,0 56,5 57,8 59,7 60,8 61,4 65,7 76,0 80,8 85,2 −2,6 2,4 3,3 1,9 0,9 7,0 15,7 6,3 5,4
Nichtwohnungsbauvolumen insgesamt 89,9 91,8 95,9 101,4 105,8 108,2 115,7 132,9 139,5 147,6 2,1 4,5 5,7 4,4 2,2 6,9 14,9 4,9 5,8
Anteile in Prozent
Neubauvolumen1 35,5 38,5 39,7 41,1 42,5 43,3 43,2 42,8 42,1 42,3
Bauleistung an bestehenden Gebäuden2 64,5 61,5 60,3 58,9 57,5 56,7 56,8 57,2 57,9 57,7
Nichtwohnungsbauvolumen insgesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
Index 2015 = 100
Preisentwicklung 100,0 101,9 105,6 110,5 114,6 116,9 126,6 147,7 157,4 162,3 1,9 3,7 4,6 3,7 2,0 8,4 16,7 6,6 3,1
real, Kettenindex 2015 = 100
Neubauvolumen1 100,0 108,8 113,5 118,9 124,0 126,5 124,5 121,0 116,8 120,6 8,8 4,4 4,7 4,3 2,0 −1,5 −2,8 −3,5 3,2
Bauleistung an bestehenden Gebäuden2 100,0 95,5 94,3 93,0 91,3 90,4 89,1 88,3 88,1 90,1 −4,5 −1,3 −1,3 −1,9 −1,0 −1,4 −1,0 −0,2 2,3
Nichtwohnungsbauvolumen insgesamt 100,0 100,2 101,1 102,1 102,8 103,0 101,7 99,8 98,6 101,2 0,2 0,9 1,0 0,6 0,3 −1,3 −1,9 −1,2 2,6

1 Einschließlich landwirtschaftlicher Betriebsgebäude.

2 Einschließlich übriger nichtlandwirtschaftlicher Betriebsgebäude.

3 Bauvolumen im gewerblichen und öffentlichen Hochbau.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Bauvolumenrechnung.

Konjunkturelle Abkühlung bremst Neubau von Nichtwohngebäuden

Nach dem Abklingen der Corona-Pandemie und der Aufhebung der Lockdowns entwickelte sich im Jahr 2021 vor allem der Wirtschaftshochbau robust. Der wiederbelebte Handel regte zu Investitionen in neue Lagergebäude an, während die weit verbreitete Rückkehr aus dem Homeoffice die Planung von Bürogebäuden begünstigte. Auch der Bedarf an Fabrikgebäuden nahm zu (Abbildung 6).

Die durch den Ukraine-Krieg und die Energiekrise ausgelöste konjunkturelle Schwächephase gebot dieser Entwicklung nun Einhalt: In Phasen des Abschwungs erscheinen Investitionen in neue Gebäude für Unternehmen meist nicht sinnvoll und werden zurückgestellt. Diese Zurückhaltung dürfte in diesem Jahr noch anhalten und insbesondere das Neubauvolumen bremsen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Erholung dürfte sich diese Entwicklung zum Jahresende und vor allem im kommenden Jahr wieder umkehren.

Die Bauvorhaben der öffentlichen Hand dürften besonders unter den Preisanstiegen leiden: Zwar wurden in den vergangenen Jahren vermehrt Mittel für Investitionen bereitgestellt. Öffentliche Haushalte und Projektbudgets werden jedoch in nominalen Zahlen geplant und können vor allem in der kurzen Frist nur bedingt auf Preissteigerungen reagieren. Dies dürfte die realen Bauinvestitionen ausbremsen. Darüber hinaus belasten die höheren Ausgaben für Energie vor allem die kommunalen Haushalte. Eine Kompensation der gestiegenen Baukosten durch entsprechende Budgeterhöhungen scheint kurzfristig vielerorts unwahrscheinlich.

Die Neubautätigkeit im Nichtwohnungshochbau dürfte nach einem Plus von 13,8 (real: −2,8) Prozent im abgelaufenen Jahr im Jahr 2023 um 3,1 Prozent zunehmen. Im Jahr 2024 wird sich der nominale Zuwachs voraussichtlich auf 6,3 Prozent belaufen. Preisbereinigt dürfte das Neubauvolumen in diesem Jahr um 3,5 Prozent abnehmen und im kommenden Jahr dann wieder um 3,2 Prozent wachsen.

Bestandsmaßahmen werden wirtschaftlicher

Die Sanierung bestehender Gebäude dürfte in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, da angesichts steigender Energiekosten die Anreize stärker werden, energetisch zu sanieren, und Neubauten aufgrund steigender FinanzierungskosteninfoKonstantin Kholodilin und Malte Rieth (2022): Immobilienmarkt bisher stabil – aber Risiko für Preiskorrekturen hat zugenommen. DIW Wochenbericht Nr. 47, 611–620 (online verfügbar). im Vergleich weniger attraktiv werden. Auch die aktuell unsichere wirtschaftliche Situation dürfte dazu beitragen, dass viele Investoren ihre Anlagen vor allem in diesem Jahr weg von neuen Bauten hin zu Bestandsmaßnahmen verschieben. Im öffentlichen Bereich drückt der weiterhin große Sanierungsstau. Insbesondere im kommunalen Gebäudebestand türmen sich seit Jahren die Investitionsbedarfe auf.infoChristian Raffer und Hendrik Scheller (2022): KfW-Kommunalpanel 2022. KfW Research (online verfügbar).

Nach einem Zuwachs von nominal 15,7 Prozent im vergangenen Jahr dürften die Bestandsmaßnahmen in diesem und im kommenden Jahr um 6,3 beziehungsweise 5,4 Prozent wachsen. Aufgrund der Preissteigerungen verschiebt sich das Bild real nach unten, so dass nach einem Minus von einem Prozent im Jahr 2022 mit einem weiteren leichten Rückgang von 0,2 Prozent für 2023 und einem Plus von 2,3 Prozent für 2024 zu rechnen ist.

Lichtblicke im Tiefbau

Im Tiefbau gestaltete sich die Lage weniger dramatisch als im Hochbau; hier legten die Auftragseingänge zuletzt noch zu (Abbildung 1) und auch die Baugenehmigungen blieben aufwärtsgerichtet (Abbildung 6). Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass die für den Tiefbau benötigten Baustoffe weniger von Materialengpässen und Preissteigerungen betroffen waren als in anderen Baubereichen. Nichtsdestotrotz ging die Kostenentwicklung auch am Tiefbau nicht spurlos vorbei, und die Produktion nahm hier zum Jahresende ebenfalls leicht ab (Abbildung 7).

In den kommenden Jahren ist im Tiefbau mit einer robusten Entwicklung zu rechnen, denn der Bedarf an Infrastrukturausbau ist hoch: In einer Umfrage des Instituts für Wirtschaft Köln gaben 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland an, der schlechte Zustand des heimischen Verkehrssystems, insbesondere des Straßennetzes, würde ihre Geschäftstätigkeit beeinflussen.infoThomas Puls und Edgar Schmitz (2022): Wie stark beeinträchtigen Infrastrukturprobleme die Unternehmen in Deutschland? Ergebnisse von IW-Befragungen. IW-Trends Nr. 4, 89–110 (online verfügbar). Dabei kommt es insbesondere auf Impulse der öffentlichen Hand an, deren Bedeutung zunehmen dürfte. Der Ansatz für weitreichende Infrastrukturinvestitionen wurde bereits im Koalitionsvertrag beschlossen; der für 2023 beschlossene Bundeshaushalt sieht für das Jahr 18,6 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen vor.infoVgl. Bundesfinanzministerium (2022): Haushaltsentwurf 2023 vorgestellt (online verfügbar). Laut Bundesverkehrswegeplan sollen bis 2030 knapp 270 Milliarden Euro in den Erhalt, Aus- und Neubau der Verkehrsinfrastruktur fließen.infoVgl. Bundesverkehrswegeplan 2030 auf der Website des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr.

Nach einem Plus von knapp 15 Prozent im vergangenen Jahr dürfte der Tiefbau in diesem Jahr um 4,9 Prozent anziehen (Tabelle 3). Preisbereinigt ergeben sich Rückgänge von 1,8 beziehungsweise 1,6 Prozent. Im Jahr 2024 beträgt der nominale Zuwachs voraussichtlich 5,8 Prozent (real: 2,7 Prozent).

Tabelle 3: Baumaßnahmen im Tiefbau in Deutschland

2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024
In jeweiligen Preisen in Milliarden Euro Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent
Gewerblicher Tiefbau 29,5 30,3 32,9 35,0 37,2 39,2 43,3 49,4 51,8 55,3 2,5 8,6 6,4 6,1 5,6 10,3 14,3 4,8 6,7
Öffentlicher Tiefbau 27,3 28,5 30,9 34,4 36,5 37,7 39,4 45,5 47,9 50,2 4,2 8,4 11,5 6,0 3,2 4,6 15,5 5,1 4,8
Bauvolumen Tiefbau 56,9 58,8 63,8 69,5 73,7 76,9 82,7 95,0 99,7 105,4 3,3 8,5 8,9 6,1 4,4 7,5 14,9 4,9 5,8
Anteile in Prozent
Gewerblicher Tiefbau 51,9 51,5 51,6 50,4 50,5 51,0 52,3 52,1 52,0 52,4
Öffentlicher Tiefbau 48,1 48,5 48,4 49,6 49,5 49,0 47,7 47,9 48,0 47,6
Bauvolumen Tiefbau 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
Index 2015 = 100
Preisentwicklung1 100,0 101,6 106,3 113,0 118,2 119,9 127,5 148,8 158,5 163,5 1,6 4,6 6,4 4,6 1,5 6,3 16,7 6,6 3,1
real, Kettenindex 2015 = 100
Gewerblicher Tiefbau 100,0 101,1 105,2 105,7 108,1 112,0 115,6 112,2 110,2 114,1 1,1 4,0 0,4 2,3 3,6 3,2 –2,9 –1,8 3,5
Öffentlicher Tiefbau 100,0 102,4 106,3 111,3 112,0 114,5 113,5 113,6 111,9 114,0 2,4 3,8 4,8 0,6 2,3 –0,9 0,1 –1,5 1,9
Bauvolumen Tiefbau 100,0 101,8 105,7 108,4 110,0 113,2 114,5 112,5 110,7 113,6 1,8 3,9 2,5 1,4 2,9 1,2 –1,8 –1,6 2,7

1 Da keine detaillierten Informationen für die Preisentwicklung im Tiefbau zur Verfügung stehen, werden für Tief- und Nichtwohnhochbau die gleichen Preisveränderungen angenommen wie im gewerblichen und öffentlichen Bau insgesamt. Für den gewerblichen und öffentlichen Tiefbau gelten damit spartenspezifische Preisannahmen (nicht abgebildet).

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Bauvolumenrechnung.

Bremsspuren in allen Bausparten bemerkbar

Der Rückgang des realen Bauvolumens trifft nahezu alle Bereiche der Bauwirtschaft. Der Einbruch des Wohnungsneubaus ist insbesondere im Bauhauptgewerbe zu spüren. Aber auch Fertigteilzulieferungen und Planungsleistungen, die beide zu den sonstigen Bauleistungen zählen, werden durch die Rückgänge beim Neubau von Gebäuden stark beeinflusst. Stabilisierend auf die reale Produktion wirkt sich in den genannten Bereichen allerdings die günstigere Entwicklung im Tiefbau aus.

Zusammengenommen dürfte in den Jahren 2022 und 2023 die reale Bauleistung des Bauhauptgewerbes im Vergleich zu den anderen Bereichen leicht überdurchschnittlich schrumpfen. Das Bauhauptgewerbe sollte aber dann 2024 auch mehr als andere Bausparten von der anziehenden Baukonjunktur insbesondere im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau profitieren. Geringer dürften die Ausschläge der realen Bauleistung im Ausbaugewerbe ausfallen. Rückgänge im Neubaugeschäft dürften hier vielerorts durch Bestandsmaßnahmen substituiert werden können. Dies gilt gerade auch für kleinere Betriebe des Ausbaugewerbes, bei denen Kund*innen häufig schon seit langem auf einen Termin für Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen warten. Die Entwicklung der realen Bauleistung des Ausbaugewerbes wird in den nächsten Jahren voraussichtlich kaum vom Durchschnitt des Bauvolumens insgesamt abweichen (Tabelle 4).

Tabelle 4: Eckwerte der Entwicklung des Bauvolumens in Deutschland

2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024
In jeweiligen Preisen in Milliarden Euro Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent
Bauvolumen insgesamt 370,16 395,67 420,43 437,82 474,73 539,32 562,11 590,75 6,9 6,3 4,1 8,4 13,6 4,2 5,1
Wohnungsbau 210,43 224,81 240,92 252,70 276,37 311,81 323,60 338,62 6,8 7,2 4,9 9,4 12,8 3,8 4,6
Wirtschaftsbau 109,68 116,29 121,97 124,78 135,26 155,58 164,10 173,99 6,0 4,9 2,3 8,4 15,0 5,5 6,0
Öffentlicher Bau 50,05 54,57 57,54 60,33 63,11 72,30 75,01 79,03 9,0 5,4 4,9 4,6 14,6 3,7 5,3
Index 2015= 100
Preisentwicklung 105,63 110,79 115,56 117,65 127,19 147,32 156,63 160,99 4,9 4,3 1,8 8,1 15,8 6,3 2,8
real, Kettenindex 2015 = 100
Bauvolumen insgesamt 104,88 106,99 109,08 111,62 111,97 109,66 107,66 110,08 2,0 2,0 2,3 0,3 –2,1 –1,8 2,2
Nach Baubereichen
Wohnungsbau 106,45 108,85 111,78 115,19 116,12 113,57 111,05 113,30 2,3 2,7 3,1 0,8 –2,2 –2,2 2,0
Wirtschaftsbau 102,28 103,33 104,59 104,86 105,03 102,66 102,06 104,84 1,0 1,2 0,3 0,2 –2,3 –0,6 2,7
Öffentlicher Bau 104,24 107,47 107,98 111,97 110,39 109,30 106,60 109,14 3,1 0,5 3,7 –1,4 –1,0 –2,5 2,4
Nach Produzentengruppen
Bauhauptgewerbe 107,45 110,98 113,99 117,88 117,91 115,30 112,97 115,88 3,3 2,7 3,4 0,0 –2,2 –2,0 2,6
Ausbaugewerbe 102,62 104,13 104,87 107,21 106,73 104,85 102,97 105,01 1,5 0,7 2,2 –0,4 –1,8 –1,8 2,0
Sonstige Bauleistungen 106,34 110,18 112,61 113,85 115,08 112,61 110,73 113,47 3,6 2,2 1,1 1,1 –2,1 –1,7 2,5

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Bauvolumenrechnung.

Trotz der Rückgänge des realen Bauvolumens dürfte die Geschäftslage bei vielen Unternehmen im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe gut sein. Bei im langfristigen Vergleich immer noch hoher Kapazitätsauslastung sollten die Baupreise 2023 und 2024 noch deutlich steigen und die Umsätze weiter wachsen. Die Löhne in der Bauwirtschaft legen laut geltendem Tarifvertrag nur wenig zu. Für 2023 zeichnet sich gleichzeitig eine Beruhigung bei den Energie- und Rohstoffpreisen ab. Die Gewinnsituation dürfte daher befriedigend bleiben.

Fazit: Rückgang der realen Bauleistung setzt die Politik unter Druck

Auch wenn das nominale Bauvolumen in den nächsten Jahren nicht mehr so stark zulegen dürfte wie 2021 und 2022, wird es weiter steigen. 2024 werden voraussichtlich die Ausgaben für Bauleistungen mit über 590 Milliarden Euro um fast ein Viertel höher liegen als im Jahr 2021. Das reale Bauvolumen dürfte hingegen sowohl 2022 als auch 2023 schrumpfen. Trotz der wieder anspringenden Baukonjunktur wird die Bauleistung im Jahr 2024 preisbereinigt um fast zwei Prozent unter dem Niveau von 2021 liegen.

Der Rückgang der realen Bauleistung setzt die Politik unter enormen Druck. Sie wird einen Strategiewechsel ins Auge fassen müssen, will sie ihre zentralen Ziele noch erreichen. Dazu müssten die Baukapazitäten deutlich ausgeweitet werden. Hierzu zählt in erster Linie die Schaffung neuen Wohnraums:infoMartin Gornig und Claus Michelsen (2022): Wohnungsbaupolitik auf dem Drahtseil. Makronom vom 17. November (online verfügbar). Im Koalitionsvertrag ist die Fertigstellung von jährlich 400000 Wohnungen als Ziel festgeschrieben. Diese Marke wurde schon zuvor deutlich verfehlt; lediglich knapp 295000 Wohnungen wurden im Jahr 2021 fertiggestellt. Auch 2022 unter der neuen Koalition wird diese Zahl kaum über 300000 liegen. Die beschlossenen Maßnahmen zur steuerlichen Förderung des Wohnungsneubaus sollen nun die Anreize zur Beseitigung der Wohnungsknappheit erhöhen. Im Fokus sollte allerdings weniger die Gesamtzahl der neu errichteten Wohneinheiten stehen als vielmehr die Schaffung von Wohnraum im unteren Preissegment in den Ballungsräumen. Hierzu beitragen kann die seit Jahren diskutierte Nachverdichtung im Bestand, in dem kalkulatorisch kostengünstigerer Wohnraum als auf neu erschlossenen und teuren Flächen geschaffen werden könnte. Ferner gibt es im Bereich der Aufstockung von Gebäuden mittlerweile kostengünstige Konzepte.

Seit Jahren ist bekannt, dass die energetische Gebäudesanierung wesentlich zur Steigerung der Energieeffizienz beiträgt. Seit Jahren aber steigen die Ausgaben zur energetischen Sanierung bei Wohn- und Nichtwohngebäuden kaum.infoGornig, Michelsen und Révész (2021), a.a.O. Nun ist eine massive Ausweitung der finanziellen Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium geplant. Allerdings besteht die Gefahr, dass ein Großteil der Förderung in steigenden Preisen verpufft.

Um die energetische Sanierung voranzubringen, reichen die bisherigen Pläne und Maßnahmen offensichtlich nicht aus. Notwendig wäre ein Masterplan, der nicht nur mit langfristigen Förderprogrammen die Nachfrage stützt. Zusätzlich müsste er verstärkt die Ausweitung der Planungs-, Produktions- und Installationskapazitäten fördern, um Engpässen im Angebot entgegenzuwirken.

Auch bei der Sicherung der kommunalen Infrastruktur sind neue Lösungsansätze zu prüfen. Dafür spricht der kommunale Investitionsstau, der ungeachtet der Beteuerungen der Politik, Abhilfe zu schaffen, eher zu- als abnimmt.infoVgl. Raffer und Scheller (2022), a.a.O.; Martin Gornig (2019): Investitionslücke in Deutschland: Und es gibt sie doch! Vor allem Kommunen sind arm dran. DIW aktuell Nr. 19 (online verfügbar). Nach Auskunft der Kommunen selbst beläuft er sich mittlerweile auf rund 160 Milliarden Euro. Ein Großteil des Investitionsstaus bei den Gemeinden bezieht sich auf die unterlassende bauliche Sanierung von Schulen, Kindergärten, Sozialeinrichtungen und kommunalen Verkehrswegen. Angesichts der gestiegenen Baupreise dürfte sich die reale Investitionslücke dieses Jahr ausweiten, wenn nicht die kommunalen Haushalte einen erhöhten Inflationsausgleich aus den sprudelnden Steuerquellen von Bund und Ländern erhalten. Die Einbettung der Investitionen in eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern „Kommunale Infrastruktur“ könnte die Finanzierung nachhaltig sichern.

Laura Pagenhardt

Doktorandin in der Abteilung Makroökonomie

Martin Gornig

Forschungsdirektor für Industriepolitik in der Abteilung Unternehmen und Märkte



JEL-Classification: E32;E66
Keywords: Construction industry, residential construction, public infrastructure, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-1-1

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