DIW Wochenbericht 1/2 / 2023, S. 15
Laura Pagenhardt, Erich Wittenberg
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Frau Pagenhardt, das Jahr 2022 war geprägt von der Energiekrise, Inflation und Infektionswellen. Wie stark hat die deutsche Bauwirtschaft unter diesen Krisen gelitten? Es zeigt sich hier ein Bild mit zwei Seiten. Einerseits sehen wir nominal, also in den aktuell geltenden Preisen, Umsätze, die so stark steigen wie seit langem nicht mehr. Andererseits sehen wir real tatsächlich Rückgänge, die durch die extrem stark steigenden Preise verursacht werden. Dadurch geraten aktuell die Bauwirtschaft, wie auch die Gesamtwirtschaft in Deutschland, deutlich unter Druck. Wir sehen Rückgänge bei den Auftragseingängen und den Baugenehmigungen. Das führt bereits jetzt zu Problemen und wird wohl auch mittelfristig ein Problem bleiben.
Wie ist die Lage beim Wohnungsbau? Der Wohnungsbau ist gerade in der schwierigsten Situation von allen Baubranchen, die wir betrachten. Einerseits haben wir diese enorme Verbraucherpreisinflation, die die Kaufkraft einschränkt. Deshalb halten sich die Haushalte mit ihren Ausgaben im Moment eher zurück, weil nicht klar absehbar ist, wie sich die Energiepreise und andere Preise in den nächsten Monaten und Jahren entwickeln werden. Dann gibt es noch die Seite der Geldpolitik. Die Zentralbanken versuchen der Inflation entgegenzuwirken, indem sie die Zinsen anheben. Für Bauprojekte bedeutet das jedoch höhere Finanzierungskosten und das ist für viele Haushalte ein Problem.
Wie sieht es bei den Bestandsmaßnahmen aus? Reale, preisbereinigte Rückgänge werden wir wohl überall sehen, sowohl im Neubau als auch im Bestand und das in allen Branchen, die wir betrachten. Wir sehen allerdings auch, dass die Sanierungen und Bestandsmaßnahmen insgesamt wohl etwas besser laufen werden. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand. Die Energiepreise werden irgendwann nicht mehr steigen, aber höher bleiben als in den vergangenen Jahren. Das motiviert natürlich, energetisch zu sanieren und effizienter zu werden im Energieverbrauch. Wir nehmen an, dass diese Anreize zum Ausbau auch in diesem und im kommenden Jahr bestehen und die Bestandsmaßnahmen eine gewisse stabilisierende Wirkung auf das gesamte Bauvolumen haben werden.
Wie kann sich der Wirtschaftsbau behaupten? Im Wirtschaftsbau haben wir ein ähnliches Bild wie im Wohnungsbau. Auch hier herrscht Unsicherheit über die Lage und die weitere Entwicklung. Unternehmen haben aktuell wenig Anreiz, neu zu bauen oder generell in Bauprojekte zu investieren, weil nicht klar ist, wann sich das auszahlen wird. Das heißt, da sind die Anreizstrukturen gerade eher schwach. Dazu gehört natürlich, dass wir auch im gesamtwirtschaftlichen Bild gerade durch eine konjunkturelle Schwächephase gehen. Das wiederum sorgt dafür, dass es für Wirtschaftsunternehmen gerade nicht lukrativ erscheint, neu zu bauen. Andererseits werden auch hier die energetischen Sanierungen an Bedeutung gewinnen.
Was sollte die Politik angesichts dieser Lage tun? Die Politik steht vor ähnlichen Problemen wie die privaten Haushalte und die Wirtschaftsunternehmen: Haushalte und Förderungsprogramme werden nominal geplant, also in tatsächlich ausgegebenen Euro. Das ist in Anbetracht der Inflation ein Problem, denn wenn jetzt alles teurer wird, ist es viel schwieriger, die gleiche Menge an Baumaßnahmen zu finanzieren. Deswegen ist es wichtig, dass die Politik ihre Förderprogramme flexibel ausweitet. Es ist schon viel Förderung geplant, aber unter den aktuellen Bedingungen gehen wir davon aus, dass dies nicht reichen wird und damit die Gefahr besteht, dass die Förderung in Preissteigerungen verpufft.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Konjunktur, Immobilien und Wohnen
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-1-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/268700