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Versicherungspflicht gegen Elementarschäden: Zeit für die Details! Kommentar

DIW Wochenbericht 1/2 / 2023, S. 16

Gert G. Wagner

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Jahresanfänge werden immer wieder mit Reformvorschlägen verbunden, die die Lage vieler Menschen verbessern sollen. Meistens laufen diese Vorschläge darauf hinaus, dass die Steuerzahlenden belastet werden. Doch es gibt Ausnahmen: Würde zum Beispiel für Hauseigentümer*innen eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden (also Schäden, die durch Naturgewalten wie Starkregen und Hochwasser versursacht werden) eingeführt, würden die Steuerzahlenden entlastet, da sie im Katastrophenfall nicht Milliardenbeträge für Hilfen aufbringen müssten. Gleichzeitig würde den Hauseigentümer*innen geholfen, da sie wüssten, was ihnen ihre Versicherung im Schadensfalle in welchem Umfang ersetzt.

Umso mehr erstaunt, dass ausgerechnet Bundesjustizminister Buschmann – also ein FDP-Politiker, der ja möglichst wenig Staat will – Hauseigentümer*innen faktisch dazu ermuntert, im Katastrophenfall die Steuerzahlenden die Zeche zahlen zu lassen. Eine mit einer Versicherungspflicht verbundene Mehrbelastung der Eigentümer*innen durch Versicherungsbeiträge passe nicht in die Zeit, meint der Minister. Implizit sagt er damit: „Verlasst Euch auf die Steuerzahlenden!“ Dabei wollen nicht nur viele Wissenschaftler*innen, sondern auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Verbraucher*innenverbände, dass die Politik endlich tätig wird und dafür sorgt, dass nicht nur wie derzeit etwa die Hälfte der Wohngebäude gegen Elementarschäden versichert sind, sondern alle.

Der Autor dieses Kommentars hat bereits in einem Wochenbericht im Jahr 2003 eine entsprechende Versicherungspflicht empfohlen. Inzwischen hat der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) ein mit vielen Details versehenes Modell erarbeitet, das nicht nur von der Wissenschaft, sondern 2021 auch von den Ministerpräsident*innen der Länder und von Bundesjustizminister Buschmann als verfassungskonform bewertet wurde. Dieses Modell, und zusätzlich Vorschläge des Bundes der Versicherten (BdV) und des GDV, sollten jetzt endlich öffentlich und im Detail diskutiert werden. Denn auf die Details kommt es an.

Zentraler Diskussionspunkt muss das Standardversicherungspaket sein. Dazu gehört zuerst die Frage, welche Elementarschadensereignisse überhaupt einbezogen werden sollen. Das könnten neben Gefahren wie Starkregen, Schneedruck und Erdsenkung auch Springflut und ein Grundwasseranstieg sein (vielleicht auch Elektromagnetischer Impuls und Asteroideneinschlag). Auch wenn der GDV keine Versicherungspflicht will, sondern die Versicherung allen Versicherten, die sie nicht explizit ablehnen, per gesetzlicher „Zustimmungsfiktion“ verkaufen will, muss ja auch dafür geklärt werden, welches Leistungspaket der Gesetzgeber will. Zur Definition des Standardpakets gehört auch die Frage, wie hoch der Selbstbehalt sein soll, den Versicherte im Fall von kleinen und mittleren Schäden zu tragen hätten – sofern sie sich nicht freiwillig mit einem Vollkaskoschutz absichern.

Ein substanziell hoher Selbstbehalt würde Anreize zur Eigenvorsorge schaffen und gleichzeitig günstige Versicherungsprämien ermöglichen. Für einkommensschwache Eigentümer*innen von Bestandsbauten in Risikogebieten, etwa in der Nähe von Flüssen, ist selbstredend ein finanzieller Ausgleich notwendig. Neben der vom BdV vorgeschlagenen staatlichen Versicherungslösung kommen für die Vorschläge des GDV und des SVRV zwei Modelle in Frage: eine laufende Bezuschussung der Prämien oder im Schadensfall ein Zuschuss zum Selbstbehalt.

Neben diesen Punkten müssen Versicherungswirtschaft und Politik außerdem klären, in welchem finanziellen Umfang der Staat den Versicherern bei extremen Großschadensereignissen im Rahmen einer Ausfalldeckung („Stop-loss-Regelung“) beispringen soll. Es geht also darum zu klären, wie viele Milliarden zur Schadensbegleichung die Versicherungswirtschaft erst einmal selbst aufbringen muss – und ab welcher Schadensumme der Staat und damit die Steuerzahlenden den übersteigenden Schaden tragen.

Dieser Kommentar ist in einer längeren Version am 11. Januar 2023 in der Frankfurter Rundschau erschienen.

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