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Die Bundesregierung sollte weitere Antworten auf die Energiekrise liefern: Kommentar

DIW Wochenbericht 7 / 2023, S. 84

Karsten Neuhoff

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Einsparen ist die sinnvollste Energiequelle – so die zentrale Erkenntnis der unabhängigen Expert*innenkommission Gas und Wärme, die ihren Bericht vor rund drei Monaten vorgelegt hat. Seitdem wurde die Gaspreisbremse eingeführt und die Gasabschlagzahlung für Dezember übernommen. Die Gas-Einsparungen blieben allerdings überschaubar. Der Verbrauch ging zuletzt lediglich um zwölf bis 14 Prozent zurück, nicht um ein Viertel, wie von der Bundesnetzagentur für nötig erachtet. Hier ist nun abermals die Bundesregierung in der Pflicht, weitere Empfehlungen der Kommission umzusetzen und sie nicht in der Schublade verschwinden zu lassen.

Was muss als Nächstes passieren? Die Menschen müssen auch zum Energieeinsparen motiviert und befähigt werden. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, dass Fallzahlen auch auf regionaler Ebene erhoben werden. Gasnetzbetreiber stellen nur selten Informationen zur lokalen Gas-Einsparung zur Verfügung. Dabei könnten Regionen voneinander lernen und in den Wettbewerb treten.

Auch zielgruppenspezifische Energieberatungsprogramme etwa für Studierende und Rentner*innen können einen wichtigen Beitrag leisten. Die Haushalte sind sich oft nicht bewusst, wo die Energiefresser lauern. Hier kann niederschwellig informiert werden. Die bestehenden Energieberatungsprogramme erreichen nur die wenigsten.

Weiterhin sollte mit Hochdruck darauf gedrungen werden, mit Effizienzverbesserungen Gas zu sparen. Deutschland hinkt den eigenen Zielen bei energetischen Sanierungen hinterher. Daher müssen sie beschleunigt werden. Eine schrittweise Steigerung der Gebäudesanierungen von weniger als einem auf vier Prozent pro Jahr und eine Priorisierung von schlecht gedämmten und gasbeheizten Gebäuden würde bis 2025 jährlich 14 Prozent des Gasbedarfs zum Heizen einsparen. Dafür sind klare Zielvorgaben für Sanierungsraten, Mindestenergiestandards für den Bestand und eine Stärkung der Programme für energetische Gebäudesanierungen notwendig. Handwerker*innen und Immobilienbesitzer*innen müssen planen können! Dazu gehört auch, dass überhaupt genug Fachkräfte aus- und weitergebildet werden. Qualifizierungsprogramme sind allerdings bislang nur unzureichend angeschoben worden.

Gaseinsparungen sollten auch durch eine sparsamere Nutzung von Grundstoffen realisiert werden, deren Herstellung den größten Teil des industriellen Gasverbrauchs verursacht: 37 Prozent des Gases verbraucht die Chemieindustrie, zehn Prozent die Metallerzeugung, neun Prozent die Glas- und Keramikherstellung und acht Prozent die Herstellung von Plastik. Ein großer Teil dieser Grundstoffe geht in Verpackungen, wie zum Beispiel 40 Prozent des Plastiks. Wenn Industrie und Verbraucher*innen Einwegverpackungen vermindern und vermeiden, sparen sie effektiv Gas ein. Im Industriebereich könnten das bis zu vier Prozent sein, wenn 20 bis 30 Prozent weniger Verpackungen verbraucht werden. Um Anreize zu setzen, muss die Politik aber regulatorische Vorgaben anpassen.

Auch wegen des starken Fokus auf LNG-Importterminals werden bisher die Chancen beim Gassparen verpasst. Bei vielen wird der Eindruck erweckt, dass wir angesichts des neuen „Deutschland-Tempos“ beim Bau neuer Flüssiggas-Umschlagstationen weniger von unseren alten Gewohnheiten abrücken müssen. Wir glauben uns derzeit auf der sicheren Seite: Die Gasspeicher sind ausreichend gefüllt, die Gaspreise wieder gefallen. Dennoch liegen sie noch immer auf dem dreifachen Niveau des letzten Jahrzehnts. Die weitere Entwicklung ist nicht absehbar. Wir hatten angesichts des ungewöhnlich milden Winters Glück. Auch die jüngste Corona-Entwicklung in China hat dazu geführt, dass dort weniger Energie verbraucht wurde und mehr Flüssiggas auf dem Weltmarkt frei wurde. Aber dennoch: Flüssiggas könnte international bis 2025 knapp bleiben und verhindert als fossile Energie, die Klimaschutzziele zu erreichen.

Dieser Kommentar ist am 13. Februar 2023 in einer kürzeren Version in der Fuldaer Zeitung erschienen.

Karsten Neuhoff

Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik

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