DIW Wochenbericht 8 / 2023, S. 95
Alexander Kriwoluzky, Erich Wittenberg
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Herr Kriwoluzky, die Nachfrage nach Energie unterliegt der allgemeinen Ansicht nach anderen Kriterien als die normaler Konsumgüter. Warum wurde bislang vielfach angenommen, dass die Energiepreise im Euroraum nicht auf Zinsveränderungen der Europäischen Zentralbank (EZB) reagieren? Hierfür gab es mehrere Gründe. Erstens hat man gedacht, dass sich steigende Energiepreise kaum auf die Nachfrage nach Energie auswirken, weil man trotzdem heizen oder Auto fahren muss. Des Weiteren ging man davon aus, dass sich eine sinkende Nachfrage im Euroraum auf dem internationalen Ölmarkt überhaupt nicht widerspiegelt, weil der Euroraum im Vergleich zum Weltmarkt relativ klein ist. Und schlussendlich hat man gedacht, dass selbst wenn eine Zinserhöhung dazu führt, dass der Euro relativ zum Dollar aufwertet, die resultierende Preisvergünstigung nicht weitergegeben wird, sondern nur die Gewinne der Ölfirmen erhöht.
Sie haben diese Zusammenhänge in einer Studie untersucht. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen? Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass alle diese Annahmen nicht stimmen. Die Nachfrage nach Energie verändert sich in dem Moment, in dem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aufgrund einer Zinserhöhung zurückgeht. Des Weiteren ist der Euroraum selbstverständlich keine kleine Volkswirtschaft, sondern hat aufgrund seiner Wirtschaftskraft durchaus einen Einfluss auch auf den globalen Ölpreis. Dieser fällt in dem Moment, in dem auch die Nachfrage im Euroraum fällt. Dabei spielt die Aufwertung des Euro durchaus eine Rolle.
Wie entwickeln sich die Energiepreise nach einer Zinserhöhung im Verhältnis zum allgemeinen Verbraucherpreisindex? Wir haben herausgefunden, dass die Energiepreise sogar viel stärker fallen als der allgemeine Verbraucherpreisindex. Der Grund dafür ist, dass vor allem auch der Ölmarkt sehr sensibel auf Nachfrageveränderungen aus dem Euroraum reagiert.
Wie ist das zu erklären? Warum reagieren die Energiepreise so stark auf eine Zinsänderung der EZB? Wir haben drei Kanäle identifiziert, die die Energiepreise beeinflussen können. Der erste Kanal ist der Rückgang der Nachfrage nach Energie. Er entsteht durch einen Rückgang in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Die gesunkene Nachfrage nach Energie aus dem Euroraum wiederum sorgt dafür, dass der Preis für Öl auf dem Weltmarkt fällt. Dadurch wird Energie auch im Euroraum günstiger. Das ist der erste und wichtigste Kanal. Außerdem kommt es infolge einer Leitzinserhöhung durch die EZB zu einer Aufwertung des Euro relativ zum Dollar. Das bedeutet, dass man sich das auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelte Öl günstiger kaufen kann. Dieser Preisvorteil wird auch weitergegeben. In der Folge wird Energie günstiger. Das ist der zweite Kanal. Zudem haben wir herausgefunden, dass in dem Moment, in dem der Euro aufwertet und das Öl günstiger wird, die Nachfrage nach Öl wiederum ansteigt und damit der Preis. Das ist der dritte Kanal, den wir gefunden haben. Unter dem Strich führt eine Zinserhöhung aber zu sinkenden Energiepreisen, trotz des gegenläufigen Effekts.
Ist die EZB mit ihrer aktuellen Zinspolitik auf dem richtigen Weg? Wir sind der Meinung, dass die EZB mit ihrer Zinspolitik auf dem richtigen Weg ist – in dem Sinne, dass sie die Inflation bekämpft. Wir sehen ja auch schon erste Erfolge beim Rückgang der Inflation in den zurückliegenden Monaten. Wir sehen auch, dass es der EZB gelingt, die Inflationserwartungen einzufangen. Da gab es immer mehr Abweichungen nach oben. Mit den Zinserhöhungen gelingt es der EZB, auch die Inflationserwartungen wieder zurück zum Zwei-Prozent-Ziel zu bringen.
Themen: Ressourcenmärkte, Geldpolitik, Europa, Energiewirtschaft
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-8-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/271737