DIW Wochenbericht 11 / 2023, S. 135
Franziska Bremus, Erich Wittenberg
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Frau Bremus, Sie haben untersucht, welche Rolle internationale Finanzmärkte spielen, um wirtschaftliche Verwerfungen nach einer Naturkatastrophe abzufedern. Von welcher Art von Katastrophe ist dabei die Rede und welche wirtschaftlichen Verwerfungen können diese zur Folge haben? Wir haben uns Daten von großen Naturkatastrophen angeschaut, insbesondere von solchen, die einen unmittelbaren Effekt auf die Wirtschaft haben, zum Beispiel Erdbeben, Stürme oder Überschwemmungen. Nicht betrachtet haben wir zum Beispiel Dürren oder Hitzewellen, weil diese zeitverzögerte Effekte auf die wirtschaftliche Leistung haben. Zuerst einmal haben solche Katastrophen natürlich humanitäre Folgen, aber es gibt auch Schäden an Infrastruktur, Gebäuden und Vegetation, die sich auf das Bruttoinlandsprodukt auswirken. Man kann sich solch eine Naturkatastrophe als negativen Angebotsschock vorstellen, weil sie temporär oft Produktionseinschränkungen mit sich bringt und gleichzeitig die Preise steigen.
Können Länder, die finanziell international verflochten sind, solche Katastrophen besser bewältigen, als Länder, bei denen das nicht so ist? Ja. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Länder, die viele finanzielle Verflechtungen mit dem Ausland haben, sich schneller von einer Katastrophe erholen als Länder, die weniger international verflochten sind und zum Beispiel weniger Kapital aus dem Ausland bekommen können. Das gilt zumindest für die 25 Industrieländer, die wir uns angeschaut haben.
Welche Finanzinstrumente sind nach Katastrophen besonders hilfreich? Das ist ein wichtiger Punkt, denn es geht nicht nur um die Höhe der finanziellen Verflechtungen, sondern auch um ihre Struktur. Wir haben herausgefunden, dass es besonders hilfreich ist, wenn viel Eigenkapital aus dem Ausland im betroffenen Land investiert ist. Außerdem kann es helfen, einen Schock durch eine Katastrophe abzufedern, wenn das Land seine Einkommensquellen diversifiziert, also wenn es zum Beispiel nicht nur Einkommen aus dem Inland bezieht, sondern auch Einkommen über Zinseinkünfte oder Dividendenzahlungen aus dem Ausland.
Wie ist zu erklären, dass eine stärkere finanzielle Verflechtung hilft, Katastrophen besser zu bewältigen und sich wirtschaftlich schneller zu erholen? Um den Wiederaufbau nach einer Katastrophe zu finanzieren, kann es hilfreich sein, wenn Kapital aus dem Ausland zur Verfügung steht. Wenn ausländische Kapitalgeber an den betroffenen inländischen Unternehmen beteiligt sind, dann teilen diese ja auch die Verluste und federn somit einen Teil der Verluste, die im Inland angefallen sind, ab. Zweitens sind mehr finanzielle Mittel verfügbar, wenn man nicht nur von inländischen Banken Kredite bekommen kann, sondern auch von ausländischen, weil die Banken im Inland von einer Naturkatastrophe oft stark betroffen sind. Die Verfügbarkeit internationaler finanzieller Mittel ist also ein weiterer Mechanismus, der hilft. Wenn zudem die inländischen Wirtschaftsteilnehmer auch Kapitalanlagen im Ausland haben, bekommen sie von dort noch Einkünfte zum Beispiel in Form von Dividenden oder Zinsen. Auch das kann einen Teil des Schocks glätten.
Welche Bedeutung haben Ihre Erkenntnisse für künftige wirtschaftspolitische Weichenstellungen? Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich Länder mit einer besseren Finanzmarktintegration nach einer Naturkatastrophe schneller erholen können. Das ist besonders für Industrieländer der Fall. Deswegen begrüßen wir die EU-Initiative zur Kapitalmarktunion, denn für Europa wäre es wichtig, dass der Zugang ausländischer Investoren zu unserem Markt transparent und einfach ist und dass Hindernisse mit Blick auf Eigenkapitalzuströme abgebaut werden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Geldpolitik, Finanzmärkte, Europa
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-11-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/271746