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Ausgaben für Heizung und Strom: Sparanreize greifen nicht für Menschen in der Grundsicherung

DIW Wochenbericht 16 / 2023, S. 179-185

Stefan Bach, Lars Felder, Peter Haan, Wolf-Peter Schill

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  • Regelungen der Grundsicherung setzen bei den Stromausgaben deutlich größere Sparanreize als bei den Heizkosten
  • Auswertung von SOEP-Daten ergibt aber, dass grundsicherungsbeziehende Haushalte im Vergleich zu ähnlichen Haushalten ohne Grundsicherung höhere Stromausgaben haben
  • Grundsicherungsbeziehende haben offenbar nur begrenzte Möglichkeiten, auf finanzielle Anreize zu reagieren
  • Klima- und sozialpolitische Maßnahmen sollten Anpassungsmöglichkeiten von Haushalten bei steigenden Energiekosten in den Fokus nehmen

„Obwohl grundsicherungsbeziehende Haushalte starke Anreize zum Sparen beim Stromverbrauch haben, sind ihre Ausgaben größer als bei vergleichbaren Haushalten ohne Grundsicherung. Das kann an älteren und weniger energieeffizienten Geräten und der längeren Anwesenheit zu Hause liegen.”“ Peter Haan

Im Rahmen der Grundsicherung werden die tatsächlich anfallenden Heizungsrechnungen übernommen, sofern diese nicht unangemessen hoch sind. Dagegen werden Ausgaben für Strom lediglich pauschal im Regelsatz berücksichtigt. Somit haben Grundsicherungsbeziehende weniger Anreize, ihre Ausgaben für Heizenergie zu reduzieren als ihre Ausgaben für Strom. Auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigt sich, dass Haushalte in der Grundsicherung trotz dieser Anreize hohe Stromausgaben haben. Im Durchschnitt geben Grundsicherungsbeziehende im Monat fünf Euro mehr für die Heizung und neun Euro mehr für Strom aus als vergleichbare Haushalte außerhalb der Grundsicherung. Dies kann daran liegen, dass die Haushalte nicht ausreichend über ihre Ausgaben und Einsparmöglichkeiten für Energie informiert sind oder dass sie aufgrund einer schlechten technischen Ausstattung sowie längeren Aufenthaltszeiten zu Hause nicht sparen können. Eine Klimapolitik, die Sparanreize durch eine steigende CO2-Bepreisung setzen möchte, sollte diese Zusammenhänge berücksichtigen. Sie kann nur wirksam sein, wenn Haushalte auf Preisanreize reagieren können. Daher sind neben steigender CO2-Bepreisung zielgerichtete Förderprogramme für Energieeffizienzmaßnahmen sowie Informationskampagnen für Haushalte erforderlich.

Bei Haushalten, die Bürgergeld (früher Arbeitslosengeld II) oder Grundsicherung im Alter beziehen, werden angemessene Ausgaben für das Heizen vom Staat grundsätzlich in der Höhe übernommen, in der sie anfallen. Die Ausgaben für Strom dagegen werden verbrauchsunabhängig im Rahmen des Regelsatzes pauschal abgegolten. Für Haushalte mit GrundsicherungsbezuginfoZur Grundsicherung zählen neben dem Bürgergeld (früher Arbeitslosengeld II) und der Grundsicherung im Alter noch folgende Leistungen der Mindestsicherung: Sozialhilfe, Sozialgeld, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Hilfe zum Lebensunterhalt und die Kriegsopferfürsorge. In diesem Wochenbericht werden Haushalte, die Bürgergeld oder Grundsicherung im Alter beziehen, vereinfacht als Haushalte mit Grundsicherungsbezug definiert. besteht somit beim Strom ein finanzieller Anreiz zu Einsparungen, nicht aber bei der Heizung.

Auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP)infoDas SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird; vgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(29), 345–360 (online verfügbar, abgerufen am 3. März 2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt.). werden im Folgenden die Ausgaben für Strom und Heizung von Haushalten, die Grundsicherung beziehen, mit den entsprechenden Ausgaben anderer Haushalte verglichen. Dabei werden relevante Unterschiede wie Einkommen, Wohnungsgröße oder Haushaltszusammensetzung berücksichtigt. Als Datengrundlage dienen Informationen bis zum Jahr 2019. Effekte der Covid-19-Pandemie oder der aktuellen Energiepreiskrise in Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind daher nicht Teil der Untersuchung.

Unterschiedliche Regelungen zu den Ausgaben für Heizung und Strom in der Grundsicherung

Das Grundsicherungssystem wurde mit der Einführung des Bürgergelds zum 1. Januar 2023 reformiert. Wegen der zuletzt deutlich gestiegenen Preise für Strom und Heizen wurden auch Änderungen bei den Regelungen für die Übernahmen dieser Aufwendungen bei Haushalten mit Transferbezug gefordert.infoDeutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales (2022): Ausschussdrucksache 20(11)223 (online verfügbar). Die Regelungen blieben jedoch im Grundsatz unverändert.infoFür das Jahr 2023 steht die Übernahme der Heizkosten einem erweiterten Personenkreis offen. Dies betrifft alle Haushalte, die durch stark gestiegene Heizausgaben ihren Lebensunterhalt nicht sichern können, selbst wenn sie aufgrund ihres Einkommens sonst keinen Anspruch auf Sozialleistungen hätten. Ausgaben für Heizenergie (inklusive Heizstrom) als Teil der Kosten der Unterbringung werden weiterhin in der tatsächlich anfallenden Höhe übernommen, sofern sie als angemessen eingestuft werden.infoHierzu werden zumeist „Heizspiegel“ und ähnliche Datensammlungen herangezogen, bei denen Vergleichswerte für Energieverbrauch und Heizausgaben von Wohngebäuden ermittelt werden. Dies ist im Einzelfall umstritten, wenn die Vergleichswerte relevante Merkmale nicht berücksichtigen. Die Ausgaben für Haushaltsstrom werden dagegen wie bisher pauschal – also unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch – abgegolten.infoDeutscher Bundestag (2022): Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG) vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855), §§ 5 und 6 (online verfügbar). Für alleinstehende erwachsene Personen wird ein Betrag von 40,75 Euro pro Monat veranschlagt, für Partner*innen jeweils 36,61 Euro und für Kinder altersabhängig zwischen 8,99 Euro und 21,30 Euro (Kasten 1).

Die Heizungsrechnungen von Grundsicherungsempfänger*innen werden im Rahmen der Kosten der Unterbringung übernommen, sofern sie angemessen sind. Darüber hinausgehende Ausgaben müssen Grundsicherungsbeziehende selbst tragen.infoDeutscher Bundestag (2022): Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom 16. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2328), § 35 (online verfügbar). Die Angemessenheit der Ausgaben orientiert sich am bundesweiten Heizspiegel, obliegt aber letztlich der Ermessensentscheidung des zuständigen Trägers. Ein Vorschlag, die tatsächliche Stromrechnung in voller Höhe zu übernehmen, wurde im Rahmen der Verhandlungen zur Einführung des Bürgergeldes verworfen. Die Ausgaben von Strom sind weiterhin Bestandteil des Regelbedarfs und werden auf Grundlage der alle fünf Jahre erhobenen bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) auf Basis des Regelbedarfsermittlungsgesetzes bestimmt.infoDeutscher Bundestag (2020): Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG) vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855), § 1 (online verfügbar). Für Jahre ohne EVS werden die Regelbedarfe mit der Entwicklung der Löhne und der Verbraucherpreise fortgeschrieben. Wie auch bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II sind hierbei 8,12 Prozent des Regelbedarfs Erwachsener als Strompauschale vorgesehen. Bei Kindern bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres sind es 2,83 Prozent, für Kinder zwischen sechs und 13 Jahren 4,43 Prozent und für Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren 5,07 Prozent. Je nach Strompreis decken diese Strompauschalen unterschiedliche hohe Jahresstromverbräuche ab (Abbildung)

Durch die Erhöhung der Regelbedarfe im Rahmen der Einführung des Bürgergeldes erhöht sich somit auch der Betrag für Stromausgaben. Sofern Haushalte Warmwasser dezentral im Haushalt erzeugen, beispielsweise mit einem Durchlauferhitzer, kann ein Mehrbedarf beantragt werden, der abhängig von der Regelbedarfsstufe maximal 2,3 Prozent des Regelsatzes für Erwachsene und altersabhängig von 1,4 Prozent des Regelbedarfs für 14- bis 17-Jährige Kinder, 1,2 Prozent für Kinder zwischen sechs und 13 Jahre bis zu minimal 0,8 Prozent des Regelbedarfs für Kinder unter sechs Jahren beträgt.infoDeutscher Bundestag (2020): Zweites Buch des Sozialgesetzbuch vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855), § 21 (online verfügbar).

Die weitgehende Übernahme der tatsächlich anfallenden Heizausgaben kann aus sozialpolitischer Sicht begründet werden und folgt dem Grundsatz der Abdeckung des Mindestbedarfs. Dadurch wird garantiert, dass alle Haushalte, die für die Grundsicherung berechtigt sind, eine geheizte Unterkunft haben. Sie setzt allerdings keine Anreize, den Verbrauch zu senken, was aus energie- und klimapolitischer Sicht ein Nachteil ist. Anders ist es bei den Ausgaben für Strom. Durch einen pauschalen Betrag, der unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch gezahlt wird, besteht ein finanzieller Anreiz, den Stromverbrauch zu reduzieren. Sozialpolitisch kann diese Regelung jedoch problematisch werden, wenn einzelne Haushalte deutlich überproportionale Ausgaben für Strom haben oder steigende Stromtarife die Haushalte belasten.

Fraglich ist jedoch, ob sich die sozial- und klimapolitischen Ziele überhaupt umsetzen lassen. Dafür ist es notwendig, dass die Haushalte über die relevanten Informationen zu den Regeln und ihren Ausgaben für Heizung und Strom verfügen. Sie müssen auch in der Lage sein, ihren Verbrauch anzupassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser nicht nur vom Nutzungsverhalten abhängt, sondern auch von der Energieeffizienz der technischen Geräte und der Heizungsanlage sowie vom energetischen Zustand des Gebäudes und von der Größe der Wohnung. Sparsame Geräte, effizientere Heizsysteme oder energetische Sanierungen erfordern in der Regel hohe Investitionen, die bei Mietwohnungen nicht in den Einflussbereich der Bewohner*innen fallen.

Grundsicherungsbeziehende leben in kleineren Wohnungen und häufiger zur Miete

Ein einfacher Vergleich der durchschnittlichen Ausgaben für Strom und Heizen zwischen Haushalten mit und ohne Grundsicherungsbezug ist nicht aussagekräftig, da sich die Haushalte in einigen Merkmalen unterscheiden, die für den Energieverbrauch relevant sind (Tabelle 1). Diese können einen starken Einfluss auf die Strom- und Heizausgaben haben.

Tabelle 1: Haushalte in der Grundsicherung im Vergleich

Alle Haushalte in der Grundsicherung
Anzahl Personen im Haushalt 2,0 1,9
Altersdurchschnitt in Jahren 54,2 48,3
Wohnfläche in m2 97,6 65,2
In Prozent
Anteil Haushalte zur Miete 53 95
Anteil Haushalte mit Personen über 65 Jahre 37 19
Anteil Baujahr vor 1948 23 20
Anteil Baujahr zwischen 1949 bis 1971 26 34
Anteil Baujahr zwischen 1972 bis 1990 23 23
Anteil Baujahr nach 1991 19 9
Anteil Baujahr unbekannt 9 14
Anteil Heizung - Gas 46 41
Anteil Heizung - Öl 25 17
Anteil Heizung - Fernwärme 15 32
Anteil Heizung - Strom 6 6
Anteil Heizung - Holz 4 2
Anteil Heizung - Sonstige 4 2
Fälle in Stichprobe 18977 1138

Anmerkungen: Der Altersdurchschnitt wurde über alle Haushaltsmitglieder gebildet, die das 13. Lebensjahr bereits vollendet haben. Heizung - Sonstige enthält Flüssiggas, Solarwärme, Umweltwärme, Kohle, Biomasse (außer Holz). Haushalte in institutionellen Wohnungen wie beispielsweise Altenheimen werden bei der Analyse ausgeschlossen.

Quelle: SOEP v37 für das Jahr 2019.

Die durchschnittliche Anzahl von Personen in einem Haushalt unterscheidet sich kaum zwischen Haushalten mit und ohne Grundsicherungsbezug und verschiedenen Einkommen und liegt bei jeweils rund zwei Personen. Grundsicherungsbeziehende sind aber deutlich jünger. Der Altersdurchschnitt aller Haushaltsmitglieder liegt bei grundsicherungsbeziehenden Haushalten bei rund 48 Jahren und damit knapp sechs Jahre unterhalb des Durchschnitts aller Haushalte.infoDer Altersdurchschnitt wurde über alle Haushaltsmitglieder gebildet, die das 13. Lebensjahr bereits vollendet haben. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass in grundsicherungsbeziehenden Haushalten deutlich seltener Personen im Rentenalter leben. Außerdem leben Haushalte, die Grundsicherung beziehen, in kleineren Wohnungen. Im Durchschnitt bewohnen sie eine Fläche von 65 Quadratmetern, während es knapp 98 Quadratmeter im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung sind. Die überwältigende Mehrheit der grundsicherungsbeziehenden Haushalte wohnt zudem zur Miete und häufiger in älteren Gebäuden. Zudem heizen diese Haushalte deutlich öfter mit Fernwärme anstelle von Gas oder Öl.

Grundsicherungsbeziehende haben höhere Ausgaben für Strom und Heizung

Für einen detaillierteren Vergleich der Ausgaben von Haushalten für Heizung und Strom wird jeweils eine multivariate Regressionsanalyse angewandt (Kasten 2). Die Stichprobe umfasst dabei alle Befragten des SOEP und ist damit repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.infoDie Ergebnisse eines Vergleichs mit Haushalten unterhalb des Medianeinkommens oder mit den ärmsten 20 Prozent der Haushalte, die keine Grundsicherung beziehen, unterscheiden sich nur geringfügig. Mithilfe dieser Methode kann der Einfluss von Merkmalen wie beispielsweise der Wohnungsgröße oder der Personenanzahl im Haushalt berücksichtigt werden. Auch Unterschiede im Einkommen oder in der Zeitverwendung werden einbezogen. Da keine Informationen über die tatsächliche Zeitverwendung vorliegen, werden stattdessen die Arbeitsstunden herangezogen. Auf diese Weise werden grundsicherungsbeziehende Haushalte mit Haushalten verglichen, die ihnen strukturell ähnlich sind.

Die Daten für die empirische Analyse stammen aus den Befragungsjahren 2011 bis 2020 des SOEP (SOEP v37), dabei beziehen sich die Angaben zu den Ausgaben für Strom und Heizung auf das jeweilige Vorjahr, sodass die Ausgaben für die Jahre 2010 bis 2019 analysiert werden. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, werden Angaben zu den Strom- und Heizausgaben aus dem Befragungsjahr 2015 aufgrund eines einmalig abweichenden Fragebogendesigns nicht verwendet. Haushalte werden für das vorhergehende Befragungsjahr als Grundsicherungsbeziehende angesehen, wenn sie angeben, im Vorjahr Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung im Alter empfangen zu haben.

Für die Regressionsanalysen werden weitere SOEP-Daten verwendet. Informationen zu den Heizträgern im Haushalt wurden nur im Jahr 2015 und 2020 abgefragt; diese Angaben werden auf die Vorjahre übertragen. Für die Regressionsanalysen werden sämtliche in den Jahren befragten Haushalte verwendet, die Angaben zu allen notwendigen Ausgaben und Merkmalen gemacht haben. Für die Heterogenitätsanalysen werden die Beobachtungen anhand relevanter Charakteristika jeweils in zwei Untergruppen eingeteilt (Abbildung 2). Für die Unterscheidung zwischen Haushalten mit und ohne Allerziehende werden nur Haushalte betrachtet, in denen Kinder leben. Bei allen Regressionen werden folgende Merkmale berücksichtigt: Haushaltsnettoeinkommen, linear und nichtlinear, Anzahl und Alter der Personen im Haushalt, Durchschnittsalter, Wohnungsgröße in Quadratmetern, urbane Lage des Wohnorts, Heizungsart, Mieterhaushalte, Bundesland, Wärmedämmung, Doppelverglasung, Arbeitsstunden männlicher und weiblicher Arbeitnehmer*innen (linear und nichtlinear), Haustyp nach Anzahl der Wohnungen, Baujahr der Wohnung, Anteil weiblicher Personen im Haushalt. Zusätzlich wird der Effekt der jeweiligen Befragungsjahre berücksichtigt.

Es zeigt sich, dass Haushalte in der Grundsicherung im Durchschnitt rund fünf Euro im Monat mehr für ihre Heizung und neun Euro mehr für Strom ausgeben als vergleichbare Haushalte (Abbildung 1). Die Ausgaben unterscheiden sich, unabhängig von Grundsicherungsbezug, in weiteren Merkmalen. Ein höheres Haushaltsnettoeinkommen zieht höhere Ausgaben für Strom und Heizen nach sich. Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 3000 Euro geben zum Beispiel rund drei Euro mehr für Strom aus als Haushalte mit einem Einkommen von 1000 Euro bei sonst vergleichbaren Merkmalen. Die Ausgaben nehmen mit der Wohnfläche und der Anzahl der Personen im Haushalt zu. Für jede zusätzliche volljährige Person im Haushalt steigen die monatlichen Ausgaben für Strom um rund zwölf Euro und für das Heizen um rund sechs Euro. Haushalte, in denen mindestens eine Person mit Rentenbezügen lebt, haben höhere Ausgaben, möglicherweise weil diese Personen unabhängig von der Arbeitszeit mehr Zeit zuhause verbringen. Eine moderne Wärmedämmung führt hingegen zu reduzierten Ausgaben für Strom und auch für Heizen. Gleiches gilt für Haushalte, die in Neubauten wohnen und allgemein für Haushalte, die in Gebäuden mit vielen Wohnungen wohnen im Vergleich zu Haushalten in freistehenden Häusern.

Grundsicherungsbeziehende Haushalte weisen also signifikant höhere Ausgaben für Strom und für Heizung auf als vergleichbare Haushalte. Dies steht im Widerspruch zu den Anreizen, die durch die Art der Berücksichtigung dieser Kosten in der Grundsicherung gegeben sind. Danach wäre zu erwarten gewesen, dass Haushalte bei den Ausgaben für Strom mehr sparen als bei den Heizausgaben; die Preisanreize scheinen nicht zu greifen.infoAndere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Beispielsweise zeigen Heindl et al., dass Haushalte in der Grundsicherung kaum auf steigende Strompreise reagieren und allgemein mehr für Strom ausgeben, als im Regelsatz vorgesehen ist. Vgl. Peter Heindl et al. (2017): Zum Stromkonsum von Haushalten in Grundsicherung: Eine empirische Analyse für Deutschland. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 18(4), 348–367 (online verfügbar).

Erhöhte Ausgaben auch in relevanten Teilgruppen

Unter sozialpolitischen Gesichtspunkten ist von Interesse, welche Haushaltstypen in besonderem Ausmaß höhere Ausgaben für Strom und Heizung schultern müssen. Eine Auswertung der Daten nach verschiedenen Haushaltstypen bestätigt die bisherigen Ergebnisse (Abbildung 2).infoDabei werden weiterhin relevante Merkmale der Haushalte wie Einkommen, Wohnungsgröße oder Arbeitsstunden berücksichtigt. Die Abgrenzung „Alle“ zeigt die berechneten Mehrausgaben in Durchschnitt aller Haushalte. Aufgrund der kleineren Stichprobe in manchen der Unterteilungen ist die Schätzunsicherheit dabei allerdings größer, daher ist auch das abgebildete 95-Prozent-Konfidenzintervall breiter. Besonders stark unterscheiden sich die Mehrausgaben bei der Heizung von grundsicherungsbeziehenden Haushalten und anderen Haushalten, wenn mindestens eine Person mit Renteneinkünften im Grundsicherungshaushalt lebt. Dies kann daran liegen, dass ältere Menschen besonders viel Zeit zu Hause verbringen, unabhängig davon, ob sie Grundsicherung beziehen. Dies kann den höheren Heizenergiebedarf von Rentner*innen erklären, der gerade bei schlechtem Sanierungsstand oder schlechter Dämmung bei Haushalten mit Grundsicherungsbezug höhere Ausgaben verursacht als bei den Vergleichshaushalten. Beim Strom dagegen sind die Mehrausgaben bei Grundsicherungshaushalten von Rentner*innen niedriger. Dies dürfte auf Unterschiede im Nutzungsverhalten zurückzuführen sein.

Dagegen zeigen sich keine relevanten Unterschiede zwischen Haushalten mit und ohne Grundsicherungsbezug im Osten und im Westen Deutschlands. In der Gruppe der Alleinstehenden liegen die Mehrausgaben der grundsicherungsbeziehenden Haushalte sowohl bei der Heizung als auch beim Strom recht niedrig. Offenbar fallen Nachteile beim energetischen Zustand der Wohnung oder bei Elektrogeräten bei Einpersonenhaushalten weniger ins Gewicht als bei Mehrpersonenhaushalten. Bei den Alleinerziehenden sind die Mehrausgaben beim Strom niedriger, bei den Nicht-Alleinerziehenden die Mehrausgaben für die Heizung. Dabei wurden alle Haushalte ohne Kinder aus der Schätzung ausgeschlossen, daher steigt hier die Unsicherheit weiter an, die Unterschiede sind daher nicht statistisch signifikant.

Fazit: Klimapolitische Preisanreize mit Informationskampagnen und Fördermaßnahmen flankieren

Im Rahmen der Grundsicherung übernimmt der Staat die tatsächlich anfallenden Heizungsrechnungen. Dagegen werden Ausgaben für Strom lediglich pauschal im Regelsatz berücksichtigt. Somit besteht ein Sparanreiz für Grundsicherungsbeziehende bei den Stromausgaben, aber nicht bei den Heizungsausgaben.

Ein Vergleich ähnlicher Haushalte mit und ohne Bezug von Grundsicherungsleistungen zeigt, das Grundsicherungsbeziehende im Durchschnitt fünf Euro im Monat mehr für die Heizung und neun Euro mehr für Strom ausgeben als vergleichbare Haushalte, die keine Grundsicherung beziehen. Haushalte in der Grundsicherung scheinen den vorhandenen Sparanreizen beim Strom also nicht zu folgen. Dies kann daran liegen, dass Haushalte ihre Ausgaben für Strom nicht genau kennen, dass konkrete Einsparmaßnahmen und -potenziale unbekannt sind, oder dass sie aufgrund einer schlechten technischen Ausstattung nicht sparen können. Bei Grundsicherungsbeziehenden und anderen Haushalten mit niedrigen Einkommen spielen hierbei auch die geringen finanziellen Spielräume eine Rolle.

Diese Befunde können für die Ausgestaltung der Klimapolitik relevant zu sein. Zentrales Steuerungsinstrument der Klimapolitik ist eine künftig steigende Bepreisung des CO2-Ausstoßes über den europäischen beziehungsweise nationalen Emissionshandel, wodurch fossile Heizenergieträger und Strom verteuert werden. Wenn Haushalte aus den genannten Gründen nicht auf die Sparanreize reagieren können, dürfte die Klimapolitik bei diesen Gruppen nicht wirksam werden.

Daher sind Aufklärungs- und Informationskampagnen wichtig, um Anreize und Einsparmöglichkeiten transparenter zu machen. Flankiert werden sollten solche Maßnahmen mit Förderprogrammen, die es Haushalten in der Grundsicherung und mit niedrigen Einkommen erleichtern, energieeffizientere Geräte anzuschaffen. Ferner müsste die Effektivität der Förderung der energetischen Gebäudesanierung erhöht werden.infoInsbesondere muss dabei dem Mieter-Vermieter-Dilemma Rechnung getragen werden: Investitionsentscheidungen für die energetische Gebäudesanierung müssen von den Vermieter*innen getroffen werden, Einsparungen bei der Heizenergie fallen dagegen bei den Mieter*innen an. Vermieter*innen können Sanierungskosten über die sogenannte Modernisierungsumlage auf die Kaltmiete umlegen; dieser Aufschlag hängt jedoch nicht direkt mit den tatsächlich erzielten Heiz­energieeinsparungen zusammen. Vgl. Stefan Bach et al. (2019): CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor: Diskussion von Wirkungen und alternativen Entlastungsoptionen. DIW Politikberatung kompakt 140, Kapitel 5 (online verfügbar).

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Stefan Bach

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Staat

Peter Haan

Abteilungsleiter in der Abteilung Staat



JEL-Classification: Q41;H53;D31
Keywords: energy cost, heating cost, social transfers, income distribution
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-16-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/271757

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