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Viessmann-Verkauf wird die deutsche Wärmewende beschleunigen: Kommentar

DIW Wochenbericht 18 / 2023, S. 212

Tomaso Duso

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Dass der nordhessische Heizungsbauer Viessmann seine Klimasparte an den US-Konzern Carrier Global verkaufen will, schürt derzeit viele Ängste. Die einen sorgen sich um die Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland, wenn ein bedeutender Hersteller einer Zukunftstechnologie wie Wärmepumpen von einem ausländischen Unternehmen übernommen wird: Geistiges Eigentum und Produktion seien in Deutschland langfristig nicht gesichert. Andere befürchten den Verlust eines traditionsreichen deutschen mittelständischen Familienunternehmens. Es gibt auch Stimmen, die Angst davor haben, dass durch die Fusion zu viel Marktmacht entsteht.

Nüchtern betrachtet sind diese Argumente jedoch nicht überzeugend. Denn der Wettbewerb auf dem schnell wachsenden Weltmarkt für Wärmepumpen ist stark und gesund. Der Zusammenschluss dürfte sogar zu Skaleneffekten und Kosteneinsparungen bei der Produktion von Wärmepumpen führen, was die Produktion steigen und die Preise sinken lassen wird. Es ist vielmehr ein Grund zur Freude als zur Sorge.

Wärmepumpen gehört die Zukunft – nicht nur zum Heizen im Winter, sondern auch zum Kühlen im Sommer. Effiziente Wärmepumpen werden entscheidend sein für den Ausstieg aus fossilen Heizungen und den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. Der US- Markt und die nordeuropäischen Länder haben diesen Trend bereits erkannt: Der Anteil der Neubauten, die mit Wärmepumpen beheizt und gekühlt werden, ist stark gestiegen und wächst weiter.

In Deutschland stellt sich die Situation noch anders dar. Zwar ist die Zahl der installierten Wärmepumpen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, im europäischen Vergleich ist Deutschland aber fast Schlusslicht. Mehr noch: Wer heute in Deutschland eine Wärmepumpe installieren will, muss monatelang warten. Schon heute gibt es Engpässe in der Produktion, die sich in den nächsten Jahren noch verschärfen werden, wenn sich der Bedarf an Wärmepumpen verdreifachen wird, wie manche Experten schätzen. Noch sind Wärmepumpen relativ teuer. Wenn die Produktion von Wärmepumpen hochgefahren werden kann und die Preise sinken, treibt dies auch den Trend zur Installation effizienter Wärmepumpen. Und Deutschland hat viel Nachholbedarf.

Auch die Angst, die Kontrolle über die Innovation in einem Zukunftsmarkt zu verlieren, ist unbegründet. Unternehmenschef Max Viessmann erklärte zu Recht, dass die Übernahme eine große Chance für beide Unternehmen sei, ihre Stärken zu bündeln. Auch wenn dies ein beliebtes Argument bei allen Fusionen ist: Die enormen Produktionskapazitäten und das weltweite Vertriebsnetz von Carrier würden zusammen mit der deutschen Technologie einen führenden Branchenriesen schaffen. Als Global Player ist Carrier auf Expansionskurs und hat bereits Unternehmen in Asien und Europa übernommen. Carrier-Chef David Gitlin betont, dass sie nach Deutschland kommen, um zu investieren. Das wird Innovation und Produktion ankurbeln und den Standort Deutschland eher stärken als schwächen.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Entscheidung von Viessmann ebenfalls nachvollziehbar. Der Druck, die Produktion in einem explodierenden Markt auszuweiten, ist groß. Dazu braucht ein mittelständisches Unternehmen Kapital, um im globalen Wettbewerb, insbesondere mit Asien, bestehen zu können. Die Engpässe in der Produktion und die noch relativ hohen Preise machen den Zeitpunkt zum Verkauf sehr günstig. Die zwölf Milliarden Euro, die Carrier Global zu zahlen bereit ist, sind der beste Beweis dafür. Die Tatsache, dass es sich um ausländisches Kapital handelt, sollte nicht zu sehr beunruhigen.

Die großen Gewinner dieser Übernahmen sind letztendlich die deutschen Verbraucher*innen. Für die deutsche Kundschaft bedeutet diese Übernahme, dass die in Deutschland mitentwickelten und mitproduzierten Wärmepumpen in die Massenproduktion für einen globalen Markt gehen und dementsprechend billiger und viel einfacher verfügbar werden. Dies wird Wärmepumpen in Deutschland verbilligen und die deutsche Wärmewende beschleunigen.

Der Beitrag ist am 30. April 2023 im Tagesspiegel erschienen.

Tomaso Duso

Abteilungsleiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte

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