DIW Wochenbericht 23 / 2023, S. 273-280
Stefan Bach, Hermann Buslei, Lars Felder, Peter Haan
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„Die CO2-Bepreisung ist ein wirksames Instrument zur Unterstützung der Wärme- und Verkehrswende. Hohe Belastungen von Haushalten mit niedrigen Einkommen können durch ein Klimageld ausgeglichen werden.“ Stefan Bach
Trotz der Entspannung auf den Energiemärkten werden die privaten Haushalte weiterhin durch hohe Preise belastet. Der geplante Anstieg der CO₂-Bepreisung bei Verkehr und Wärme wird die Preise weiter erhöhen. Diese Belastungen sind ungleich verteilt und wirken regressiv, da arme Haushalte in Relation zum Nettoeinkommen deutlich stärker belastet werden als reiche Haushalte. Eine Auszahlung des Aufkommens der CO₂-Bepreisung als einheitliches Klimageld je Person reduziert die regressive Wirkung deutlich. Besonders betroffene Haushalte mit hohem Energieverbrauch und mit geringen Einkommen sollten allerdings zusätzlich entlastet oder stärker bei der Energieeinsparung unterstützt werden. Anpassungsreaktionen auf die erhöhten Preise sind unsicher, könnten aber Emissionseinsparungen von bis zu 33 Prozent auslösen.
Die Energiepreiskrise hat sich inzwischen deutlich entspannt. Langfristig sind vorhersehbare Preisentwicklungen für fossile Energieträger wichtig, um Verbraucher*innen Planungssicherheit beim Umstieg auf klimaschonende Technologien zu bieten. Ein wirkungsvolles Instrument dafür ist die CO2-Bepreisung durch den europäischen und nationalen Emissionshandel. Denn wenn die erlaubten Emissionsmengen sukzessive verringert werden, steigen die CO2-Preise und dadurch auch die Preise der fossilen Energieträger. Dies setzt breite wirtschaftliche Anreize zum Umstieg auf klimaschonende Alternativen.
Höhere Energiepreise bedeuten stärkere Belastungen der Verbraucher*innen. Dies betrifft untere Einkommensgruppen relativ stärker, da deren Energiekosten einen deutlich größeren Anteil am Haushaltsbudget ausmachen. Anders als bei der Energiekrise, die durch deutlich höhere Importpreise ausgelöst wurde, entstehen bei der CO2-Bepreisung zusätzliche Einnahmen des Staates. Diese können für Entlastungen bei Steuern und Abgaben, für höhere Sozialleistungen – etwa auch eine pauschale Klimageldzahlung an alle Privatpersonen – oder für Anpassungshilfen zur Energieeinsparung verwendet werden.
In dieser Studie werden die längerfristigen Belastungswirkungen steigender Preise von Kraft- und Heizstoffen bei den privaten Haushalten untersucht. Ferner wird die Entlastungswirkung eines Klimagelds analysiert.Die Arbeiten im Rahmen dieses Wochenberichts wurden finanziell durch das Fördernetzwerk Interdisziplinäre Sozialforschung unterstützt. Dabei werden auch die potentiellen Auswirkungen für die CO2-Emissionen berücksichtigt, indem Annahmen zur längerfristigen Anpassung an die höheren Energiepreise getroffen werden.
Die Endverbrauchspreise für Kraft- und Heizstoffe sind derzeit (Mitte Mai 2023) im Vergleich zur Hochphase der Energiepreiskrise des Jahres 2022 zurückgegangen. Sie liegen aber deutlich über den Preisen früherer Jahre (Tabelle 1). Bezogen auf die Durchschnittspreise des Jahres 2019 – die ungefähr dem Durchschnittsniveau der Jahre zuvor bis 2021 entsprachen – kosten die Kraftstoffe an der Tankstelle derzeit gut 20 Prozent mehr. Heizöl hat sich um 35 Prozent verteuert, Erdgas um 46 Prozent – beim Erdgas werden hier die aktuellen Verträge für Neukund*innen berücksichtigt. Der im Jahr 2021 eingeführte nationale Emissionshandel für Kraft- und Heizstoffe, der 2023 mit einem Festpreis von 30 Euro je Tonne CO2 erhoben und an die Kund*innen weitergegeben wird, hat an diesen Preissteigerungen nur einen kleineren Anteil (Tabelle 2). Die Strompreise, die im Folgenden nicht näher betrachtet werden, sind inzwischen ebenfalls deutlich gesunken, sie profitieren von den gesunkenen Gaspreisen und der Abschaffung der EEG-Umlage. Damit dürfte die Bedeutung der aktuell geltenden Preisbremsen für Strom und Gas sinken.
Kraftstoff | Einheit | Durchschnitt 2015–2021 | 2019 | Mitte Mai 2023 | Annahme 2026 | Annahme langfristig |
---|---|---|---|---|---|---|
Endverbrauchspreise | ||||||
Super E10 | Euro pro Liter | 1,41 | 1,44 | 1,77 | 1,69 | 1,94 |
Diesel | Euro pro Liter | 1,23 | 1,29 | 1,57 | 1,53 | 1,81 |
Heizöl leicht | Euro pro Liter | 0,61 | 0,68 | 0,91 | 0,89 | 1,17 |
Erdgas (Neukund*innen) | Euro pro kWh | 0,068 | 0,068 | 0,099 | 0,106 | 0,126 |
Veränderung Endverbrauchspreise gegenüber 2019 in Prozent | ||||||
Super E10 | Prozent | −2,2 | 0,0 | 23,1 | 17,4 | 35,1 |
Diesel | Prozent | −4,8 | 0,0 | 21,4 | 18,0 | 40,0 |
Heizöl leicht | Prozent | −10,5 | 0,0 | 34,6 | 31,2 | 73,1 |
Erdgas (Neukund*innen) | Prozent | 0,6 | 0,0 | 45,7 | 56,8 | 85,4 |
Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Verbraucherportale im Internet.
Kraftstoff | Einheit | 2023 | Annahme 2026 | Annahme langfristig |
---|---|---|---|---|
CO2-Preis | Euro pro Tonne CO2 | 30 | 60 | 150 |
Wirkung auf die Endverbrauchspreise, einschließlich Mehrwertsteuer | ||||
Super E10 | Euro pro Liter | 0,085 | 0,169 | 0,423 |
Diesel | Euro pro Liter | 0,095 | 0,190 | 0,474 |
Heizöl leicht | Euro pro Liter | 0,094 | 0,189 | 0,472 |
Erdgas (Neukund*innen) | Euro pro kWh | 0,006 | 0,013 | 0,032 |
Wirkung auf die Endverbrauchspreise in Prozent der Preise 2019 | ||||
Super E10 | Prozent | 5,9 | 11,8 | 29,4 |
Diesel | Prozent | 7,3 | 14,7 | 36,6 |
Heizöl leicht | Prozent | 14,0 | 27,9 | 69,8 |
Erdgas (Neukund*innen) | Prozent | 9,5 | 19,1 | 47,7 |
Quelle: Eigene Berechnungen.
Im Folgenden wird angenommen, dass ohne die künftig steigende CO2-Bepreisung Kraftstoffe und Heizöl wieder billiger werden, da die Knappheiten auf den internationalen Märkten nachlassen dürften.Dazu wird angenommen, dass der Preisanstieg bei Kraftstoffen und Heizöl seit 2019 auf die Hälfte zurückgehen wird. Vgl. auch Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (ewi) (2022): Szenarien für die Preisentwicklung von Energieträgern. August 2022 (online verfügbar, abgerufen am 16. Mai 2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt). Erdgas dürfte durch die veränderte Versorgungslage mit zehn Cent je Kilowattstunde aber deutlich teurer bleiben als vor 2021.
Ab 2026 beginnt die Handelsphase des nationalen Emissionshandels, wobei eine Preisspanne von 55 bis 65 Euro je Tonne CO2 festgelegt ist. Wird ein CO2-Preis von 60 Euro je Tonne angesetzt, bleiben die Endverbrauchspreise für Kraftstoffe und Heizöl trotz des damit verbundenen Preisanstieges durch den angenommenen Rückgang der internationalen Energiepreise noch unter dem aktuellen Niveau, beim Erdgas steigen die Preise (Tabelle 1 und Tabelle 2).
Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive spricht einiges für eine stärkere Preissteuerung beim Klimaschutz und vor allem bei der Verkehrs- und Wärmewende.Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2019): Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik. Sondergutachten (online verfügbar). Andreas Burger et al. (2022): CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudebereich sozialverträglich gestalten. Herausforderungen, Strategien, Instrumente. Umweltbundesamt, CLIMATE CHANGE 47/2022 (online verfügbar). Damit werden breite Anreize für Einsparungen und den Ersatz der fossilen Energieträger gesetzt und die Emissionen verringert. Dazu sollte der CO2-Preis des bisherigen nationalen Emissionshandels in den Sektoren nach 2026 weiter steigen und mit dem künftigen europäischen Emissionshandel koordiniert werden.Der nationale Emissionshandel für Wärme und Verkehr ist bisher nicht mit dem europäischen Emissionshandel für Kraftwerke und Industrie verbunden, bei dem derzeit Emissionszertifikate mit einem CO2-Preis von etwa 90 Euro je Tonne gehandelt werden. Die EU plant derzeit einen zweiten europäischen Emissionshandel für Wärme und Verkehr (ETS II) ab 2027, siehe dazu Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023): Europäisches Parlament bestätigt Einigung zur Reform des EU-Emissionshandels. Pressemitteilung vom 18. April 2023 (online verfügbar).
In dieser Studie wird angenommen, dass der CO2-Preis für Kraft- und Heizstoffe durch die weitere Verknappung der Emissionsrechte langfristig – zum Beispiel bis spätestens 2035 – auf 150 Euro je Tonne steigt. Die damit verbundenen Preiswirkungen wären spürbar (Tabelle 1 und Tabelle 2). Zwar lägen sie noch unter den Preisspitzen, die im Jahr 2022 während der Energiekrise erreicht wurden. Jedoch würden diese Preise dauerhaft gelten. Dies dürfte die Anreize für die Dekarbonisierung bei Gebäudewärme und Verkehrskraftstoffen deutlich verstärken.
Die Verteilungswirkungen der höheren Energiepreise und der Entlastungen durch ein Klimageld werden auf Grundlage von Haushaltsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) simuliert (Kasten 1). Zunächst werden die Wirkungen der höheren Energiepreise im Jahr 2026 bei einem CO2-Preis von 60 Euro gegenüber dem Preisniveau des Jahres 2019 dargestellt (Abbildung 1). Die Be- und Entlastungswirkungen werden auf die aktuellen Einkommensverhältnisse von 2023 bezogen – unterstellt wird damit, dass die höheren Energiepreise bereits heute wirken.Da die Einkommen der privaten Haushalte in den nächsten Jahren real steigen dürften, wird die tatsächliche Belastung etwas geringer ausfallen. Dies könnte durch eine entsprechende Erhöhung der CO2-Bepreisung ausgeglichen werden. Verbrauchsänderungen werden vernachlässigt, zugrunde liegt der beobachtete Energieverbrauch des Jahres 2019.
In dieser Studie werden die Verteilungswirkungen der höheren Energiepreise und von Entlastungen durch ein einheitliches Pro-Kopf-Klimageld auf Grundlage von Haushaltsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) 2020 simuliert.In der SOEP-Erhebungswelle des Jahres 2020 wurden detaillierte Informationen zum Energieverbrauch erhoben. Vgl. zu den Methoden Stefan Bach und Jakob Knautz (2022): Hohe Energiepreise: Ärmere Haushalte werden trotz Entlastungspaketen stärker belastet als reichere Haushalte. DIW Wochenbericht Nr. 17/2022 (online verfügbar); Isabel Schrems et al. (2022): Wirkung des nationalen Brennstoffemissionshandels – Auswertungen und Analysen. Grundlagen für den ersten Erfahrungsbericht der Bundesregierung gemäß § 23 BEHG im Jahr 2022. Umweltbundesamt, CLIMATE CHANGE 45/2022, Kapitel 4 (online verfügbar). Dabei werden die Belastungswirkungen des Energiepreisanstiegs seit 2019 betrachtet – also dem Preisniveau vor den Krisen. Die Einkommen werden auf das Jahr 2023 fortgeschrieben. Die Be- und Entlastungswirkungen werden in Prozent des Haushaltsnettoeinkommens 2023 angegeben, gegliedert nach Dezilen des äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommens.Um die Einkommenssituation von Haushalten unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung vergleichbar zu machen, wird für die Haushaltmitglieder ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Nettoeinkommen (Äquivalenzeinkommen) nach der international üblichen Bedarfsskala („neue OECD-Skala“) ermittelt (siehe „Äquivalenzeinkommen“ im DIW Glossar, online verfügbar). Anschließend wird die Bevölkerung nach der Höhe dieses Einkommens in zehn gleich große Gruppen geordnet (Dezile). Es handelt sich also um die relativen Einkommenseffekte bezogen auf das verfügbare Einkommen nach Abzug von Einkommensteuer und Sozialbeiträgen. Dabei werden nur Haushalte mit Gas- und Ölheizung betrachtet, die etwa 75 Prozent der privaten Haushalte ausmachen. Diese Haushalte sind vor allem von den höheren Energiepreisen und der CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmebereich betroffen. Haushalte mit Fernwärme sowie mit Stromheizungen werden hier vernachlässigt – diese werden vom nationalen Emissionshandel unmittelbar nur bei den Kraftstoffen belastet.Bei deren Heizkosten hängen die Belastungswirkungen der höheren Energiepreise stark vom Energiemix der Wärmequellen oder der Stromproduktion ab, was schwer zu prognostizieren ist.
Im Durchschnitt über alle Haushalte mit Gas- und Ölheizungen bedeuten die hier angenommenen Energiepreise des Jahres 2026 gegenüber 2019 Realeinkommensverluste von 1,5 Prozent des Nettoeinkommens. Auf die CO2-Bepreisung entfallen 0,85 Prozentpunkte, die restliche Belastung von 0,65 Prozentpunkten ergibt sich durch den berücksichtigten Preisanstieg auf den Energiemärkten.Bei stärkerer oder schwächerer Preisentwicklung auf den internationalen Energiemärkten würde sich diese Belastungskomponente entsprechend erhöhen oder reduzieren. Die Belastungen der Haushalte sind ungleich verteilt und wirken regressiv: Die armen Haushalte werden in Relation zum Nettoeinkommen deutlich stärker belastet als die reichen Haushalte. Im untersten Dezil – also bei den ärmsten zehn Prozent der Einkommensverteilung – machen die Energiepreissteigerungen 3,5 Prozent des Nettoeinkommens aus, während die reichsten zehn Prozent – also das oberste Einkommensdezil – nur mit unter einem Prozent belastet werden. Die regressive Belastungswirkung ist bei den Heizstoffen besonders stark ausgeprägt. Die Belastungen bei den Kraftstoffen sind dagegen bei den unteren und mittleren Einkommen nahezu proportional und werden erst in den oberen beiden Einkommensdezilen spürbar regressiv. Zugleich wird bei der Simulation entlastend berücksichtigt, dass bei den Haushalten in der Grundsicherung die höheren Heizkosten durch den Staat übernommen werden.
Als Entlastungsmodell wird hier ein Klimageld berücksichtigt, das als längerfristiges Kompensationsinstrument für die privaten Haushalte geplant ist. Das Aufkommen der CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmebereich einschließlich Mehrwertsteuer, soweit es auf die privaten Haushalte entfällt, wird einheitlich pro Kopf der Bevölkerung ausgezahlt.Allerdings ist bisher unklar, wie das Klimageld technisch umgesetzt wird und ob das Aufkommen aus der CO2-Bepreisung dafür verwendet werden kann. Tatsächlich fließt das Aufkommen bisher in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) und wird für die Abschaffung der EEG-Umlage sowie für Förderprogramme verwendet. Der nationale Emissionshandel soll im Jahr 2027 in einen zweiten europäischen Emissionshandel übergehen. Noch ist unklar, ob dabei die vollständigen Einnahmen als direkte Einkommenstransfers ausgezahlt werden können. Vgl. General Secretariat of the Council of the European Union. (2023): Interinstitutional Files: 2021/0206(COD) (online verfügbar). Daraus ergibt sich bei einem CO2-Preis von 60 Euro je Tonne ein Betrag in Höhe von 170 Euro im Jahr pro Person, insgesamt knapp 14 Milliarden Euro. Da das Klimageld unabhängig vom Energieverbrauch gezahlt wird, bleiben die Anreize zur Energieeinsparung durch die höheren Preise erhalten.
Das Klimageld bedeutet für die Haushalte eine Entlastung von durchschnittlich 0,7 Prozent des Nettoeinkommens. Bei den mittleren und unteren Einkommensdezilen ist die relative Entlastung bezogen auf die Nettoeinkommen deutlich größer, so dass das Klimageld der regressiven Belastung durch höhere Energiepreise entgegenwirkt. Ferner wird hier angenommen, dass Haushalte in der Grundsicherung das Klimageld ungekürzt erhalten.Im Hinblick auf die CO2-Bepreisung werden dann die Haushalte in der Grundsicherung insoweit doppelt entlastet, als die höheren Energiepreise bei den Heizkosten übernommen werden und zugleich das volle Klimageld gezahlt wird. Insoweit könnte man das Klimageld kürzen, etwa um eine durchschnittliche Belastung durch die CO2-Bepreisung bei Grundsicherungshaushalten.
Per saldo – Be- und Entlastungen zusammengenommen – werden die Haushalte mit Gas- und Ölheizungen insgesamt mit 0,8 Prozent des Nettoeinkommens belastet. Diese Nettobelastung trotz Klimageld entsteht durch den Preisanstieg auf den Energiemärkten, der sich unabhängig von der CO2-Bepreisung ergibt. Nach Einkommensdezilen ist die Nettobelastung weitgehend proportional, sie liegt in den mittleren Dezilen etwas höher, im untersten und obersten Dezil niedriger.
Die Nettobelastung der Haushalte variiert allerdings. Im Einzelfall hängt sie von der Höhe des Energieverbrauchs ab. Größere Haushalte und Familien mit Kindern profitieren vom Klimageld, da sie für alle Haushaltsangehörigen eine Entlastung bekommen. Es gibt eine Reihe von Haushalten, die weniger als der Durchschnitt belastet werden, manche werden sogar entlastet. Zugleich gibt es viele Haushalte, die deutlich überdurchschnittlich belastet werden. Dies ist vor allem bei Haushalten mit niedrigen Einkommen ein sozialpolitisches Problem. Für diese Härtefälle könnten neben dem pauschal ausgezahlten Klimageld weitere zielgenaue Hilfen notwendig sein.
Bei den langfristigen Energiepreisen mit einem CO2-Preis von 150 Euro je Tonne steigen die Belastungen deutlich (Abbildung 2). Hierbei sind weiterhin keine Verbrauchsanpassungen berücksichtigt. Gegenüber 2019 ergeben sich Belastungen von 2,8 Prozent des Einkommens im Durchschnitt über die Haushalte mit Gas- und Ölheizungen. Die CO2-Bepreisung macht daran durchschnittlich 2,1 Prozentpunkte oder 75 Prozent aus. Bei den unteren Einkommensgruppen sind die Belastungen größer als bei den oberen Gruppen. Zugleich steigen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung, so dass deutlich mehr Entlastungsvolumen für das Klimageld zur Verfügung steht. Dieses wird hier mit 422 Euro pro Jahr und Person berücksichtigt.
Durch das Klimageld können die Belastungen für die Haushalte deutlich reduziert werden. Insgesamt ergeben sich Nettobelastungen von 0,9 Prozent des Nettoeinkommens. In Kombination mit der Übernahme der Heizkosten im Rahmen der Grundsicherung werden die Haushalte im untersten Dezil sogar im Durchschnitt entlastet, wobei weiterhin Härtefälle deutlich stärker durch die Belastungen getroffen werden. Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung des Klimagelds, mit dem die Belastungen breit reduziert werden. Die Nettobelastungen steigen aber bis zum dritten Einkommensdezil auf gut ein Prozent des Nettoeinkommens und verlaufen über die höheren Einkommensdezile weitgehend proportional. Ferner erhöht sich die Streuung der Be- und Entlastungen. Dadurch steigt die Zahl der Fälle mit nur geringen Nettobelastungen oder Entlastungen, zugleich werden aber auch mehr Fälle deutlich überdurchschnittlich belastet, es gibt also mehr Härtefälle.
Deutlich höhere Energiepreise veranlassen die privaten Haushalte zu Einsparungen. In welchem Umfang diese Einsparungen ausfallen ist aus heutiger Sicht schwer zu quantifizieren. Um dazu mögliche Wirkungen aufzuzeigen, werden Schätzungen verwendet (Kasten 2). Diese basieren jedoch auf Daten der Vergangenheit. Die Wirkungen von grundlegenderen Änderungen bei den verwendeten Technologien können damit nicht abgebildet werden – etwa der Übergang zu Elektroautos oder Wärmepumpen und die damit verbundenen Investitions- und Betriebskosten. Hierzu müssen zusätzliche Annahmen getroffen werden, die mit großer Unsicherheit verbunden sind.
Für die Abschätzung der Nachfrageeffekte werden in dieser Analyse die simulierten Preisveränderungen für die Haushalte mit Preiselastizitäten kombiniert.Bei diesen Berechnungen wird angenommen, dass Elastizitäten nicht nur Nachfrageveränderungen von kleinen Preiserhöhungen (zum Beispiel ein Prozent) abbilden können, sondern auch von großen Preissprüngen, wie sie in den Simulationen verwendet werden. Die Veränderung der Nachfrage ergibt sich durch folgende Gleichung:
Dabei sind N die Nachfragemenge nach einem Gut, P der Preis dieses Gutes und µ die Nachfrageelastizität. dP gibt eine bestimmte prozentuale Änderung des Preises an, beispielsweise um fünf Prozent. Die prozentuale Mengenänderung der Nachfrage (dN) ergibt sich dann als Produkt der Elastizität (zum Beispiel −0,4) und der konkreten Preisänderung – im Beispiel ein Mengenrückgang von zwei Prozent.
Für die zeitliche Verteilung der Nachfrageänderungen wird häufig zwischen kurz- und langfristigen Elastizitäten unterschieden. Für die hier interessierenden eher langfristigen Preiselastizitäten der Nachfrage nach Brenn- und Kraftstoffen für das Heizen und den Verkehr finden sich eine Reihe von Schätzungen in der Literatur.Vgl. Stefan Bach et al. (2019): CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor: Diskussion von Wirkungen und alternativen Entlastungsoptionen. DIW Politikberatung kompakt Nr. 140 (online verfügbar). Eine Zusammenstellung von Schätzergebnissen unter Einbeziehung neuer Studien wurde erstellt von Hermann Buslei (2023): Schätzungen der langfristigen Preiselastizitäten der Energienachfrage für Heizung und Verkehr, eine Übersicht mit Schwerpunkt Deutschland. DIW Politikberatung kompakt Nr. 194 (online verfügbar). Dabei wird deutlich, dass sich die Schätzergebnisse je nach Annahmen und Kontext unterscheiden und sich die Verhaltenseffekte nur unter Unsicherheit bestimmen lassen. Um diese Unsicherheit zu berücksichtigen, werden für diese Untersuchung unterschiedliche Szenarien abgebildet: Ein Szenario mit eher geringen Anpassungen und ein Szenario mit hohen Anpassungen (Tabelle). Dabei werden auch unterschiedliche Anpassungen je nach Einkommen der Haushalte berücksichtigt. Auch hier zeigt sich kein einheitliches Bild. Für Kraftstoffe für den Verkehr finden die Studien überwiegend, dass sich Haushalte mit geringen Einkommen weniger anpassen können und daher geringere Elastizitäten haben. Bei Brennstoffen für die Heizung sind die Differenzen in der Höhe der Elastizitäten im untersten und obersten Einkommensquartil (bei teilweise unterschiedlichem Vorzeichen) in den verfügbaren Studien meist gering, so dass auf eine entsprechende Unterscheidung verzichtet wird.
Szenarien | |||||
---|---|---|---|---|---|
Heizung | Gesamt | Niedrig | Hoch | ||
−0,3 | −0,5 | ||||
Verkehr | Gesamt | Niedrig | Hoch | ||
−0,4 | −0,6 | ||||
Quartile | Erstes | Viertes | Erstes | Viertes | |
−0,32 | −0,48 | −0,48 | −0,72 |
Quelle: Hermann Buslei (2023), a.a.O.
Bei der Interpretation der Elastizitäten ist zu berücksichtigen, dass der Einfluss neuer Technologien nicht abgeschätzt werden kann. Die Schätzungen für die Elastizitäten nutzen eine konkrete Variation von Preisen und Nachfragemengen in der Vergangenheit. Die gemessenen Reaktionen sind dabei sicherlich zum Teil auch durch die Substitutionsmöglichkeiten mitbestimmt worden. Letztere dürften sich bei der künftigen Nachfrage durch die (zunehmende) Verfügbarkeit elektrisch betriebener Heizungen und Kraftfahrzeuge stark verändern. Daher könnten die Elastizitäten tatsächlich auch höher ausfallen als sie oben vor dem Hintergrund verfügbarer empirischer Ergebnisse eingeschätzt wurden.Vgl. für eine Nutzung von Preiselastizitäten zur Abschätzung der Wirkungen von Preisänderungen bei der Energienachfrage in Modellrechnungen Sachverständigenrat (2019), a.a.O., 109ff. Dort werden auch weitere Einschränkungen dieser Vorgehensweise diskutiert.
Um diese Unsicherheit einzugrenzen, werden zwei Szenarien mit hohen und niedrigen Anpassungsreaktionen untersucht. Beim Kraftstoffverbrauch wird grob nach Einkommensgruppen differenziert, indem für Haushalte mit hohen Einkommen stärkere Anpassungsreaktionen angenommen werden als bei niedrigen Einkommen.
Die langfristig höheren Energiepreise könnten bei den hier angenommenen Anpassungsreaktionen die CO2-Emissionen der privaten Haushalte spürbar senken (Abbildung 3). Der Gas- und Heizölverbrauch geht etwas stärker zurück als der Kraftstoffverbrauch. Insgesamt sinken die CO2-Emissionen der hier betrachteten privaten Haushalte mit Gas- und Ölheizungen um 21 Prozent im Szenario mit geringen Anpassungsreaktionen und um 33 Prozent im Szenario mit hohen Anpassungsreaktionen. Insoweit können langfristig höhere Energiepreise, die vor allem durch die steigende CO2-Bepreisung verursacht werden, die CO2-Emissionen der privaten Haushalte spürbar vermindern.Insoweit der Stromverbrauch durch Elektroautos und Wärmepumpen künftig steigt, wären allerdings höhere Emissionen der Stromproduktion gegenzurechnen, soweit dabei noch fossile Brennstoffe eingesetzt werden.
Die Anpassungsreaktionen senken die Belastungswirkungen der höheren Energiepreise für sich genommen beträchtlich. Allerdings werden die Anpassungen Kosten auslösen. Insbesondere müssen neue Technologien eingesetzt werden, um Raumwärme und Verkehr klimaneutral zu gewährleisten. Dies bedeutet Investitionskosten für energetische Gebäudesanierung, neue Heizsysteme oder neue Fahrzeuge sowie Betriebskosten für Strom oder E-Fuels.Siehe dazu Matthias Kalkuhl et al. (2023): CO2-Bepreisung zur Erreichung der Klimaneutralität im Verkehrs- und Gebäudesektor: Investitionsanreize und Verteilungswirkungen. Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) (online verfügbar). Aus heutiger Sicht dürften die Anpassungskosten in den meisten Fällen nur teilweise unter den eingesparten Energiekosten für fossile Heiz- und Kraftstoffe liegen. Die Verteilungswirkung der höheren Energiepreise einschließlich der Kosten der Anpassungsreaktionen würden dann nahe den Ergebnissen ohne Anpassungsreaktionen liegen (Abbildung 2). Förderprogramme für Investitionen oder künftige Kostensenkungen für klimaschonende Technologien senken allerdings die Anpassungskosten und ermöglichen stärkere Minderungen der CO2-Emissionen.
Höhere Preise für fossile Energien, insbesondere eine nachhaltig steigende CO2-Bepreisung, unterstützen die Verkehrs- und Wärmewende. Die damit verbundenen Belastungen der Haushalte sind allerdings ungleich verteilt und wirken regressiv, da die armen Haushalte in Relation zum Nettoeinkommen deutlich stärker belastet werden als die reichen Haushalte.
Dieser Effekt kann durch ein Klimageld ausgeglichen werden, bei dem alle Personen den gleichen Pro-Kopf-Betrag ausgezahlt bekommen. Davon profitieren vor allem Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen. Selbst bei hohen CO2-Preisen – wie den hier angenommenen 150 Euro je Tonne – können die Nettobelastungen auf einem moderaten Niveau gehalten werden. Daher sollte ein Klimageld, das sich aus den Einnahmen der Co2-Bepreisung finanzieren lässt, als allgemeines und breites Entlastungsinstrument frühzeitig eingeführt werden. Besonders betroffene Haushalte mit hohem Energieverbrauch und mit geringen Einkommen sollten aber zusätzlich entlastet oder stärker bei der Energieeinsparung unterstützt werden. Im Gegenzug könnte das Klimageld bei höheren Einkommen reduziert werden.
Langfristig steigende Preise für fossile Energien einschließlich der Anhebung des CO2-Preises auf bis zu 150 Euro je Tonne können die CO2-Emissionen spürbar verringern. Bei den hier angenommenen Anpassungsreaktionen gehen die CO2-Emissionen der privaten Haushalte um bis zu 33 Prozent zurück. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zum Erreichen der Klimaziele. Eine weitgehende Dekarbonisierung bei Verkehr und Wärme der Privathaushalte wird dadurch aber nicht erreicht.
Durch die Anpassung entstehen den Haushalten neue Kosten, vor allem Investitionskosten für energetische Gebäudesanierung, neue Heizsysteme oder neue Fahrzeuge sowie Betriebskosten für Strom oder E-Fuels. Diese Mehrkosten dürften die Einsparungen bei den bestehenden Energiekosten teilweise kompensieren, so dass sich letztlich ähnliche Verteilungswirkungen ergeben wie bei den höheren Energiepreisen. Förderprogramme können die Anpassungskosten verringern, bedeuten aber zusätzliche Ausgaben für die öffentlichen Haushalte.
Kosten für die Anpassung an klimaneutrale Technologien bei Wärme und Verkehr belasten die Akzeptanz der Klimawende, wie die aktuelle Diskussion über das Gebäudeenergiegesetz zeigt. Eine nachhaltig sukzessive steigende CO2-Bepreisung setzt Signale für langfristige Investitionsentscheidungen. Zugleich sind weitere Instrumente wie ordnungsrechtliche Ge- und Verbote oder Anpassungen bei der Infrastruktur erforderlich, um die Klimaziele zu erreichen. Wenn die klimaschonenden Technologien künftig günstiger werden, sinken die Anpassungskosten und die CO2-Emissionen gehen schneller zurück.
Themen: Verteilung, Verkehr, Umweltmärkte, Klimapolitik, Energiewirtschaft
JEL-Classification: Q41;D31;H23
Keywords: Energy prices, distribution, transfer reform
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-23-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/273601