DIW Wochenbericht 24 / 2023, S. 322
Timm Bönke, Geraldine Dany-Knedlik, Erich Wittenberg
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Frau Dany-Knedlik, die Corona-Pandemie ist vorerst in den Hintergrund getreten, im Vordergrund steht jetzt der Krieg in der Ukraine. Wie behauptet sich die deutsche Wirtschaft angesichts der daraus resultierenden Probleme? Dany-Knedlik: Die deutsche Wirtschaft ist etwas angeschlagen, angesichts der noch im Herbst drohenden Szenarien aber doch mit einem blauen Auge aus der Energiekrise herausgekommen. Die Wirtschaft ist im Winterhalbjahr leicht geschrumpft und damit in eine technische Rezession gerutscht.
Herr Bönke, mit welchen Wachstumszahlen rechnen Sie? Bönke: Wir gehen davon aus, dass die zweite Jahreshälfte erheblich besser laufen wird. Insgesamt rechnen wir für das Gesamtjahr trotzdem damit, dass die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent sinken wird. Für nächstes Jahr prognostizieren wir ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent.
Wie entwickeln sich die Verbraucherpreise in Deutschland und wie ist die Lage beim privaten Konsum? Dany-Knedlik: Die Verbraucherpreise sind aufgrund des starken Anstiegs der Energiepreise ebenfalls gestiegen, mit Höchstständen von bis zu knapp neun Prozent im Jahresvergleich. Das hat den privaten Konsum deutlich belastet, weil die Löhne nicht ebenso stark angestiegen sind. Dadurch sind die realen Einkommen weiter gesunken.
Wie sieht es bei der Inflation aus? Dany-Knedlik: Die Inflation dürfte im weiteren Jahresverlauf sinken. Die Energiepreise sind schon gesunken, das dürfte sich jetzt mit etwas Verzögerung auch auf die Inflation insgesamt auswirken. Gleichzeitig beginnen allerdings die Löhne deutlich stärker zu steigen, als das noch im Herbst der Fall war. Das dürfte den Rückgang der Inflationsrate etwas verzögern, sodass wir dieses Jahr im Durchschnitt noch bei einer Inflation von 5,9 Prozent, aber nächstes Jahr im Durchschnitt schon bei nur noch 2,5 Prozent liegen werden.
Das DIW Berlin hat ein neues Modell zur Bestimmung der Ungleichheit der Arbeitseinkommen, den sogenannten Inequality Nowcast, vorgestellt. Was ist das Besondere daran und warum wurde dieses neue Berechnungsmodell zusammen mit der Konjunkturprognose vorgestellt? Bönke: Das Besondere daran ist, dass wir jetzt in der Lage sind, die Einkommensungleichheit am aktuellen Rand zu modellieren, und das ist für die Konjunkturprognose in vielerlei Hinsicht wichtig. Bislang standen uns die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), für das Haushalte befragt werden, immer mit einer Verzögerung von ungefähr anderthalb bis zwei Jahren zur Verfügung. Die Konjunkturprognose jedoch betrifft den aktuellen Rand und die Zukunft. In unserem Nowcast kombinieren wir die SOEP-Daten mit gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarktvariablen und können uns so ansehen, wie sich die aktuelle und künftige wirtschaftliche Entwicklung in der Einkommensverteilung niederschlägt.
Und wie hat sich die Ungleichheit der Arbeitseinkommen entwickelt? Bönke: Unsere Basis ist das Jahr 2020 und wir prognostizieren, dass die Arbeitseinkommensungleichheit über den Prognosezeitraum leicht steigen wird.
Wie beurteilen Sie das weltwirtschaftliche Umfeld? Dany-Knedlik: Das weltwirtschaftliche Umfeld dürfte sich in diesem und im nächsten Jahr erholen, wenngleich auch schleppend. Die Abkehr von der Null-Covid-Politik in China wird der Weltwirtschaft wieder etwas Schwung verleihen, aber natürlich lastet die hohe Inflation in sehr vielen Volkswirtschaften, zum Beispiel den USA oder im Vereinigten Königreich, auch dort auf der Wirtschaft, sodass sich die fortgeschrittenen Volkswirtschaften eher schleppend entwickeln werden, wohingegen die Schwellenländer solide wachsen dürften.
Themen: Konjunktur
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-24-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/273606