Direkt zum Inhalt

Chinesische Kredite nach Afrika unterscheiden sich von westlichen Entwicklungskrediten

DIW Wochenbericht 26 / 2023, S. 353-360

Lorenz Meister, Lukas Menkhoff, Annika Westen

get_appDownload (PDF  0.59 MB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.42 MB - barrierefrei / universal access)

  • Anhand von Regressionen werden Determinanten für chinesische, andere bilaterale und multilaterale Kreditvergaben nach Afrika ermittelt
  • Chinesische Kredite sind teurer, kürzer, volatiler und gehen an relativ rohstoffreiche Länder mit mehr Korruption
  • Mit Chinas Einstieg in die Kreditvergabe an afrikanische Länder entsteht Wettbewerb zu westlicher Entwicklungspolitik
  • Westliche Geber haben gute volkswirtschaftliche Argumente zugunsten ihrer Kredite
  • Um die Entscheidungsträger*innen in Nehmerländern zu überzeugen, könnten Konditionen für Kredite noch selektiver genutzt werden

„China hat in den letzten Jahren maßgeblich zum Kreditboom auf dem afrikanischen Kontinent beigetragen. Chinas Kredite an afrikanische Länder sind teurer als die der Weltbank, aber dafür ohne wirtschaftspolitische Auflagen.“ Lorenz Meister

China hat in den letzten 20 Jahren auffällig viele Kredite an afrikanische Länder vergeben. Neue Kreditdaten zeigen, dass chinesische Kredite im Vergleich zu westlichen, multilateralen Krediten relativ teuer, nicht so langfristig, tendenziell stärker besichert und bezogen auf die Volumina im Zeitverlauf volatiler sind. Damit dürften westliche Kredite im Allgemeinen eher im volkswirtschaftlichen Interesse der Schuldner liegen. Ferner zielen chinesische Kredite auf rohstoffreiche Länder, die weniger gegen Korruption unternehmen, sodass es mehr Bereicherungsmöglichkeiten für lokale Entscheidungsträger*innen gibt. Schließlich punktet China, im Gegensatz zur westlichen Kreditvergabe, mit Krediten ohne wirtschaftspolitische Auflagen. Es scheint für westliche Geber überlegenswert, die Zahl und Eingriffsintensität von Kreditkonditionen zu reduzieren, um so der Souveränität anderer Länder Rechnung zu tragen.

China hat in den letzten 20 Jahren hohe Kreditvolumina nach Afrika vergeben. Diese Kredite stellen den ersten Schritt in der internationalen Expansion Chinas dar, der über Exporte hinausgeht und lange vor der Proklamation einer neuen Seidenstraße stattgefunden hat. Diese 20-jährige Geschichte bietet Einblicke in die Vorgehensweise und mögliche Motive des chinesischen Handelns, was sie zu einer lehrreichen Studie für die internationale Wirtschaftspolitik macht.

Afrika war bereits im 19. Jahrhundert ein begehrtes Ziel imperialer Mächte und befindet sich auch heute noch im Spannungsfeld geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen von Ländern außerhalb des Kontinents. Afrika umfasst rund ein Viertel der Staaten auf der Welt (und hat damit Gewicht, zum Beispiel bei UN-Abstimmungen), in 20 Jahren wird es ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen und zeichnet sich durch weit verbreitete Armut, aber auch ein großes Vorkommen an Rohstoffen aus. Deshalb liegen in Afrika vielleicht die dynamischsten Märkte in der Mitte dieses Jahrhunderts. In der Summe kann Afrika also ein Ziel sein, um bei begrenztem Einsatz internationalen Einfluss zu gewinnen und der eigenen Wirtschaft Vorteile zu verschaffen. So jedenfalls wurde aus westlicher Perspektive die umfangreiche chinesische Kreditvergabe an afrikanische Länder in den letzten 20 Jahren interpretiert.

Hohes chinesisches Kreditvolumen an Afrika

Die Kreditvergabe chinesischer Institutionen an Afrika war noch im Jahr 2000 nahezu vernachlässigbar. Zwar gibt es keine wirklich vollständigen Statistiken zur chinesischen Kreditvergabe im Ausland, aber die verfügbaren Quellen gelten als hinreichend verlässlich, um Tendenzen und Größenordnungen beurteilen zu können. Im Folgenden wird die Africa Debt Database genutzt, die chinesische Kredite an afrikanische Staaten erfasst, sowie Kredite weiterer Geber;infoDavid Mihalyi und Christoph Trebesch (2023): Who Lends to Africa and How? Introducing the Africa Debt Database. Kiel Working Paper No. 2217. dies wird ergänzt durch Daten zu Kreditkonditionen der Weltbank (Kasten).infoDevelopment Policy Operations: Prior Actions. Development Policy Financing, World Bank (online verfügbar, abgerufen am 15.06.2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen in diesem Bericht, sofern nicht anders vermerkt).

Die Daten dieser Studie stammen ganz überwiegend von der Africa Debt Database, die verschiedene Quellen in einheitlicher Weise zusammengeführt hat. Diese Datenbank erfasst für die Jahre 2000 bis 2020 über 7400 Kredite und Anleihen. Die häufigsten Geber sind einzelne Staaten (bilaterale Kredite) mit einem Anteil von rund 47 Prozent, die Weltbank (dominiert die multilateralen Kredite) mit einem Drittel und China mit gut 15 Prozent. Erfasst wird der Staat als Schuldner (keine öffentlichen Unternehmen; keine Zuschüsse), keine heimische Verschuldung, Laufzeiten von mindestens einem Jahr; berücksichtigt werden aber auch Kredite durch öffentliche Unternehmen (insbesondere aus China). Die Datenbank zeigt eine gute Abdeckung chinesischer und multilateraler Kredite im Vergleich mit Weltbankzahlen, aber eine erhebliche Untererfassung anderer Geber. Über diese Datenbank hinaus wurden für die Weltbankkredite Angaben zu Konditionalitäten hinzugefügt. Außerdem wurden wirtschaftliche und politische Indizes auf Land-Jahres-Ebene hinzugefügt, die von der Weltbank und dem V-Dem Dataset stammen.

Die Dynamik in den Jahren 2000 bis 2020 ist offensichtlich. Afrika hat einen Kreditboom erlebt. Bis 2006 betrugen die neu zugesagten Kredite an alle afrikanischen Länder rund zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr, 2008 sprang dieser Wert auf über 20 Milliarden, 2010 betrug er über 30 Milliarden und 2016 sogar knapp 80 Milliarden US-Dollar (Abbildung 1).infoBei dieser Vervierfachung bis Verachtfachung der Kredite machen weder die Berücksichtigung der durchschnittlichen US-Inflationsrate von größenordnungsmäßig zwei Prozent pro Jahr noch das durchschnittliche Bevölkerungswachstum in Afrika von drei Prozent pro Jahr einen qualitativen Unterschied. Die Summe setzt sich aus drei Kreditquellen zusammen: bilaterale Geber (überwiegend westliche Gläubigerländer), multilaterale Geber (insbesondere die Weltbank, die von westlichen Ländern dominiert wird) und chinesische Geber. Die multilateralen Geber dominieren durchgängig.

Aber gerade die Kredite chinesischer Geldgeber haben den Boom befeuert und machen in den Jahren 2007 bis 2017 einen Anteil von fast 40 Prozent aus. Allerdings erkennt man auch, dass die chinesischen Kredite seit 2016 stark rückläufig sind und der Kreditboom trotzdem anhält, so dass die chinesischen Kredite volatiler vergeben werden als die anderer Geber. Für das Jahr 2020 liegen keine Zahlen für China vor und der starke Anstieg multilateraler Geber ist durch die Covid-Pandemie bedingt.

Chinas Aus- und Umstieg in Afrika

Der chinesische Ausstieg aus der Kreditvergabe in Afrika hat vermutlich drei Ursachen: Erstens hat sich der chinesische Leistungsbilanzüberschuss in den hier betrachteten Jahren verringert (Abbildung 2), so dass der Druck nachlässt, Kapital im Ausland anzulegen, wie eben in Krediten an afrikanische Länder.

Zweitens hat China seine wirtschaftspolitische Strategie zuletzt vom außenwirtschaftlichen Fokus hin auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung verlagert. Die Summe aus Exporten und Importen relativ zum Bruttoinlandsprodukt erreichte von 2004 bis 2007 ein Maximum bei über 60 Prozent und ist seitdem auf unter 40 Prozent gesunken, das heißt auf das Niveau der 90er Jahre. Ex- und Importe sind nicht in absoluten Werten zurück gegangen, aber es wird relativ mehr im Inland produziert, was früher importiert werden musste. Dies reflektiert das gestiegene Entwicklungsniveau der chinesischen Volkswirtschaft. In jüngerer Zeit zeigt sich darin aber auch das gezielte Bemühen, vom Ausland unabhängiger zu werden, was man als chinesisches De-Risking verstehen kann.

Drittens gibt es einen spezifischen Afrikaaspekt, indem vermutlich deutlich geworden ist, dass die Kredite recht riskant sind. Es gibt Hinweise, dass das Kalkül chinesischer Entscheider*innen zeitweise deutlich verzerrt war, indem einzelwirtschaftliche Anreize Kredite (und entsprechende Exporte) stimulierten und gleichzeitig die Risiken unberücksichtigt blieben.infoThe Economist (2023): Xi Jinpings Next Overseas Lending Revolution: Welcome to a New Era of Chinese Debt. 25.2.2023 (online verfügbar). Dies ist korrigiert worden. China ist (nicht nur) in Afrika stärker aus der Staatsfinanzierung aus- und in die projektbezogene Unternehmensfinanzierung eingestiegen.

China fordert höhere Zinsen als andere offizielle Gläubiger

Die starke chinesische Kreditvergabe nach Afrika hat anscheinend keine anderen Geber verdrängt, deren Volumina parallel ebenfalls gestiegen sind. Dies legt somit nahe, dass hier eine unbefriedigte Kreditnachfrage vorgelegen hat. Interessanterweise liegen die Zinssätze chinesischer Kredite mit durchschnittlich 2,7 Prozent deutlich höher als die entsprechenden Zinssätze multilateraler Geber (0,9 Prozent) oder anderer bilateraler Geber (1,4 Prozent); Deutschland als Kreditgeber passt da gut ins Bild (1,6 Prozent). Aus der Perspektive der Kapitalmärkte jedoch sind alle staatlichen Geber günstig, denn afrikanische Staatsanleihen liegen im Durchschnitt bei sieben Prozent (Abbildung 3).

Diese Unterschiede zwischen den Kreditgebern liegen in erster Linie an den jeweiligen Motiven. Offizielle Geber verleihen Kapital nicht nur im Eigeninteresse, sondern auch aus entwicklungspolitischen Gründen, möchten das Empfängerland also in seiner Entwicklung oder in einer Notlage unterstützen und fordern deshalb bewusst sehr moderate Zinssätze.infoAlle offiziellen Geber, also China genauso wie zum Beispiel Deutschland, verfolgen ihre wissenschaftlich gut dokumentierten Interessen, sei es wirtschaftlicher oder politischer Art (Geopolitik, gezielte politische Einflussnahme). Vgl. Axel Dreher, Jan-Egbert Sturm und James Raymond Vreeland (2009): Development Aid and International Politics: Does Membership on the UN Security Council Influence World Bank Decisions? Journal of Development Economics, 88 (1), 1–18. Private Geber hingegen, die die staatlichen Anleihen kaufen, haben rein wirtschaftliche Motive.

Diese unterschiedliche Motivation der Kreditvergabe spiegelt sich auch in den Laufzeiten wider. Private Kreditlaufzeiten sind tendenziell kürzer und positiv mit den Zinssätzen korreliert; chinesische Kredite sind kürzer und teurer als multilaterale, aber länger und billiger als private (Abbildung 4).

China vergibt viele Kredite an rohstoffreiche Länder

Ein häufig vermutetes Motiv chinesischer Kreditvergabe ist die Sicherung der Versorgung seiner stark wachsenden Wirtschaft mit knappen Rohstoffen. Tatsächlich ist der Anteil chinesischer Kredite an der gesamten externen staatlichen Kreditaufnahme in den afrikanischen Ländern sehr ungleich (Abbildung 5). Einige Fälle stechen heraus, wie das relativ hohe chinesische Engagement in Libyen, Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, der Republik Kongo oder Angola. Da hier Anteile berechnet werden, sieht das entsprechende Bild für multilaterale Kredite fast komplementär aus, mit einem Schwerpunkt auf der Sahelzone und in Ostafrika (Abbildung 5).

Den bivariaten Zusammenhang zwischen dem Anteil chinesischer Kredite und der Bedeutung von Rohstoffen im jeweiligen Land unterstreicht eine entsprechende lineare Regression (Abbildung 6).

Genau umgekehrt ist der Zusammenhang chinesischer Kreditvergabe mit dem Demokratiegrad der Länder: Kredite fließen – in dieser bivariaten Betrachtung – stärker in weniger demokratische Länder (Abbildung 7), vermutlich weil China – anders als westliche Geber – keine diesbezüglichen Vorbehalte hat. Dies führt zu der Frage, welche weiteren Motive es für die chinesischen Kreditentscheidungen geben mag und welche darunter dominieren.

Kreditdeterminanten sind bei China andere als bei der Weltbank

Die Literatur erfasst häufig vier Gruppen von Determinanten für Länderkredite, die im Folgenden kurz erläutert werden:infoDer Ansatz folgt im Wesentlichen zwei Studien: Axel Dreher et al. (2018): Apples and Dragon Fruits: The Determinants of Aid and other Forms of State Financing from China to Africa. International Studies Quarterly, 62, 182–194; sowie: Anke Hoeffler und Olivier Sterck (2022): Is Chinese Aid Different? World Development, 156, 105908, 1–16. Da in diesen Ansätzen die absolute Kreditvergabe erklärt werden soll, wird erstens vermutet, dass größere Länder (gemessen an der Bevölkerung) mehr Kredite erhalten. Unklarer ist der Einfluss des Pro-Kopf-Einkommens, das private Kredite erleichtern mag, aber zu relativ weniger Entwicklungshilfe führen dürfte. Ähnlich gilt für das Verhältnis von Staatsverschuldung und Bruttoinlandsprodukt, dass dies einerseits ein erhöhtes Risiko und somit eher weniger Kreditvergabe indiziert oder aber, dass es Bedürftigkeit und damit höhere Kreditvergabe nahelegt. Eine zweite Determinantengruppe betrachtet die jeweilige Verflechtung mit China, hier erfasst durch den Anteil der Importe aus China und ob das Land eine Botschaft in Peking unterhält. Verflechtung wird tendenziell Kreditvergabe erleichtern. Drittens werden die oben erwähnten Motive, das heißt das Verhältnis von Einnahmen aus heimischen Rohstoffen zum Bruttoinlandsprodukt sowie der Demokratiegrad, berücksichtigt; ergänzt wird dies durch die Berücksichtigung der Kontrolle von Korruption. Dazu kommen politische Motive der Stimmabgabe in internationalen Gremien, wie den Vereinten Nationen. Dies wird erfasst durch das kohärente Wahlverhalten mit China in der Generalversammlung, durch die Mitgliedschaft des entsprechenden Landes im relativ wichtigen UN-Sicherheitsrat sowie die mögliche Anerkennung von Taiwan als Staat. Viertens kommen schließlich zwei Kontrollgrößen hinzu, deren Koeffizienten hier nicht berichtet werden: Englisch als Sprache (was eine bessere Quellenlage bedeutet) und die Anzahl der Katastrophengeschädigten (um Notfallhilfe zu erfassen).

Diese möglichen Determinanten werden in einer gepoolten OLS-Regression mit Jahres-Fixed-Effects geschätzt (Tabelle). Das Ergebnis dieses Standardansatzes zeigt für China, dass fünf Koeffizienten statistisch signifikant sind: Das chinesische Kreditvolumen ist höher für größere und wohlhabendere Länder, für Länder mit vielen Rohstoffen und geringer Korruptionsbekämpfung und für Länder, die Taiwan nicht anerkennen (Tabelle, Spalte 1). Darüber hinaus haben die beiden Koeffizienten für Verflechtungen, die den Anteil chinesischer Importe an allen Importen abbilden und ob das jeweilige Land eine Botschaft in Peking unterhält, die erwarteten positiven Vorzeichen. Insgesamt werden damit die Erwartungen aus der Literatur für den vorliegenden Datensatz im Kern bestätigt.

Tabelle: Kreditvergabe an afrikanische Länder

(1)

Chinesisches Kreditvolumen

(2)

Bilaterales Kreditvolumen

(3)

Multilaterales Kreditvolumen

Bevölkerung (log) 0,464*** 0,834*** 0,772***
BIP pro Kopf (log) 0,655*** 0,822*** −0,347***
Staatsverschuldung (Prozent des BIP) 0,000644 0,00200 0,00154
Anteil chinesischer Importe 0,0622 −0,104 0,370**
Botschaft in China 0,0599 −0,0921 −0,0560
Einnahmen durch nat. Ressourcen (Prozent des BIP) 0,0232* −0,0145 −0,00259
Demokratie −0,124 −0,550 −0,197
Kontrolle über Korruption −53,86* 84,56*** 93,60***
UN-Stimmabgabe mit China −0,336 0,478 −1,111
UNSC-Mitglied 0,0484 −0,0431 −0,191
Anerkennung Taiwans −0,983** −0,0408 0,125
Auflagen für Umwelt und nat. Ressourcen 0,945** 0,644** −0,234
Konstante −11,19*** −16,53*** −4,850***
Beobachtungen 819 819 819

Anmerkung: Multivariates Regressionsmodel mit Fixed-Effects-Schätzung. Berücksichtigt werden Auflagen in anderen Bereichen und einzelne Jahre. Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem Ein-, Fünf- und Zehn-Prozent-Niveau an.

Lesebeispiel: Ein Anstieg der Bevölkerung um ein Prozent (Zeile 1) ist mit einem Anstieg des chinesischen Kreditvolumens um 0,46 Prozent assoziiert (Spalte 1). Die Erhöhung des Anteils chinesischer Importe (Zeile 4) um einen Prozentpunkt ist mit einem 6,2-prozentigen Anstieg des chinesischen Kreditvolumens assoziiert (Spalte 1). Das Unterhalten einer Botschaft in China (Zeile 5) ist mit einem um sechs Prozent gestiegenen chinesischen Kreditvolumen assoziiert (Spalte 1).

Quelle: Eigene Berechnung.

In Spalte (2) ist das Regressionsergebnis mit denselben Determinanten für andere bilaterale und in Spalte (3) für multilaterale Geber zu sehen. Wiederum ist beide Male die Bevölkerungsgröße eine dominierende Variable. Ferner ist ein höheres Einkommen für die bilateralen Kredite relevant, für die multilateralen hingegen ein niedrigeres Einkommen, was deren Unterstützungscharakter unterstreicht. Westliche Kredite sind mit mehr Korruptionsbekämpfung verbunden, während weder Rohstoffe noch politische Gründe eine statistisch signifikante Rolle in diesem Ansatz spielen. Damit ergeben sich klare Unterschiede zu den Determinanten chinesischer Kredite.

Konditionalität der Kredite ist umstritten

Zusätzlich zu den üblichen Determinanten wird in der Analyse untersucht, ob eventuell frühere Auflagen bei Weltbankkrediten die Kreditaufnahme bei China mit motiviert haben. Solche Konditionen stellen Auflagen dar, die die jeweiligen Länder erfüllen müssen, damit der Kredit ausgezahlt wird. Dies werden die Entscheidungsträger*innen meist als Einengung empfinden und entsprechend reagieren.infoIn anderen Fällen mag es auch opportun sein, den Gebern die Schuld an notwendigen Anpassungsmaßnahmen geben zu können. Zum einen können sie versuchen auszuweichen, indem sie Auflagen nur scheinbar oder temporär umsetzen, oder durch Gegenmaßnahmen an anderer Stelle kompensieren. Eine Alternative besteht auch darin, in Zukunft möglicherweise auf chinesische Kredite auszuweichen, die in der Regel ohne solche Auflagen vergeben werden.

Um letzteres zu untersuchen, werden die von der Weltbank für ihre Kredite (die die multilateralen Kredite bei weitem dominieren) ausgewiesenen Auflagen für acht Politikfelder als Dummy-Variablen in der Regression mit geschätzt.infoDie Ergebnisse für die übrigen Koeffizienten sind qualitativ unverändert, sofern man diese Dummy-Variablen unberücksichtigt lässt. Für Auflagen im Bereich Umwelt und natürliche Ressourcen ergibt sich ein signifikanter, inhaltlich nachvollziehbarer Zusammenhang: Weltbankauflagen in diesem Bereich begünstigen die Aufnahme chinesischer Kredite im Folgejahr (Tabelle).infoÄhnliches gilt für bilaterale Kredite aus anderen Ländern (Spalte 2). Der Zusammenhang mit Auflagen zum Umgang mit Umwelt und natürlichen Ressourcen ist auch hier positiv und signifikant, wenn auch weniger ausgeprägt. Die Koeffizienten zu Auflagen aus anderen Bereichen werden in der Regression zwar beachtet, in der Tabelle aber nicht ausgewiesen, da sie meist nicht signifikant sind.

Chinesische Kredite waren am Ende teurer

Die Geschichte der chinesischen Kredite an afrikanische Länder in den beiden letzten Jahrzehnten muss zwischen der kurzen und der langen Frist unterscheiden. In der kürzeren Frist, das heißt in den ersten Jahren der umfangreichen Kreditvergabe, haben chinesische Kredite zum einen offensichtlich die Nachfrage befriedigt und zum anderen haben sie auch messbare Wachstumseffekte erzeugt.infoZu den Wachstumseffekten siehe Axel Dreher et al. (2021): Aid, China, and Growth: Evidence from a New Global Development Finance Dataset. American Economic Journal: Economic Policy, 13 (2), 135–174. In der längeren Frist jedoch, also beim heutigen Rückblick auf den Boom von vor zehn Jahren, erkennt man erhebliche Probleme. Der Schwenk in der chinesischen Vergabepolitik reflektiert vermutlich wenigstens zum Teil die sich abzeichnenden Bedienungsprobleme. Der erkennbar gewordene Umschuldungsdruck verdeutlicht, dass viele Kredite nicht hinreichend umsichtig vergeben oder verwendet wurden.infoThe Economist (2023), a.a.O.; Sebastian Horn et al. (2023): Debt Distress on China’s Belt and Road. AEA Papers and Proceedings, 113, 131–134. So gesehen waren die chinesischen Kredite für die betroffenen Länder scheinbar günstig, aber faktisch oft teurer als die anderer Kreditgeber.

Fazit: Argumente für attraktive westliche Entwicklungskredite hervorheben

Die Analyse zeigt verschiedene Ansatzpunkte für westliche Geber, hier approximiert über bi- und multilaterale Geber, ihren Vorstellungen besser Gehör zu verschaffen. Insbesondere drei Argumente sind vorstellbar: Erstens kann man den großen Preisunterschied zwischen üblichen bilateralen oder multilateralen Krediten und chinesischen Krediten herausstellen. Vordergründig fällt sofort der relativ hohe Zinssatz chinesischer Kredite ins Auge (mit der Einschränkung, dass manche chinesische Kredite keine Entwicklungshilfe darstellen). Hinzu kommt die Laufzeit, denn bei 40 Jahren, wie bei westlichen Gebern oft üblich, entwertet sich die Kreditbelastung durch Wachstum und Inflation nochmals viel stärker als bei 20 Jahren (von China bevorzugt). So entwertet sich beispielsweise eine Kreditsumme von einer Milliarde US-Dollar, bei einer durchschnittlichen Inflation von zwei Prozent und einem jährlichen Wachstum von drei Prozent, nach 20 Jahren auf 368 Millionen US-Dollar, während sie nach 40 Jahren lediglich noch 142 Millionen US-Dollar beträgt.

Neben dem Preisunterschied sind zweitens auch andere Kosten der Kreditvergabe unterschiedlich hoch. Nicht, dass westliche oder multilaterale Kredite immer voll im Interesse des afrikanischen Landes wären, aber drei Dinge fallen auf: Die Projekte sind tendenziell seltener überdimensionierte Prestigeprojekte und rechnen sich damit eher,infoEin Element der Verzerrung ist die bevorzugte chinesische Kreditvergabe in die Heimatregionen afrikanischer Staatschefs, anders als bei der Weltbank. Vgl. Axel Dreher et al. (2019): African Leaders and the Geography of China's Foreign Assistance. Journal of Development Economics, 140, 44–71. die Verluste durch Korruption scheinen niedrigerinfoEs spricht viel dafür, dass auch Weltbankkredite zur unerwünschten Bereicherung von Entscheidungsträger*innen führen, wie die kurz darauf steigenden Einlagen in Steueroasen nahelegen. Vgl. Jørgen Juel Andersen, Niels Johannesen und Bob Rijkers (2022): Elite Capture of Foreign Aid: Evidence from Offshore Bank Accounts. Journal of Political Economy, 130 (2), 388–425. und schließlich sind chinesische Kredite häufig mit dem Stellen erheblicher Sicherheiten verbunden, die die Gläubiger belasten.infoDie systematische Evidenz zu diesen Punkten ist begrenzt, illustrativ mag ein jüngeres Beispiel aus Nepal sein, bei dem der Flughafen völlig überdimensioniert, überteuert und im (zu erwartenden) Misserfolgsfall mit den Einnahmen eines anderen Projekts besichert ist. Vgl. Christoph Hein (2023): Ausbeutung in Asien: Wie China seine Nachbarn schröpft. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.5.2023.

Ein drittes Argument zugunsten westlicher Geber ist deren Umschuldungsbereitschaft. Entwicklungs- und Schwellenländer geraten immer wieder einmal in krisenhafte Situationen, in denen sie ihre Kredite nicht mehr planmäßig bedienen können. Dann besteht eine etablierte Lösung darin, dass die öffentlichen Gläubiger im sogenannten Pariser Club über Umschuldungen verhandeln, also eventuell teilweisen Schuldenverzicht, Schuldenstreckung und gegebenenfalls neue Kredite gewähren. China beteiligt sich nicht an diesem Format, sondern scheint vor allem zwei Strategien zu verfolgen: Ärmere Länder werden tendenziell von Neukrediten abgeschnitten, leistungsfähigere Länder erhalten Neukredite (so dass die Schuldenlast steigt), doch Umschuldungen, die Lasten reduzieren, scheinen bisher eher untypisch zu sein.infoHor et al. (2023), a.a.O.; Christoph Hein (2023a): Länder in der Schuldenfalle: Aufräumen ohne China. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.5.2023.

Damit bleiben zwei wesentliche Unterschiede westlicher Geber gegenüber China: zum einen die potentiell geringeren Bereicherungsmöglichkeiten für lokale Entscheidungsträger*innen, und zum anderen die Konditionen, die erfüllt sein müssen, damit die Kredite ausgezahlt werden. Beim zweiten Unterschied könnte überlegt werden, ob die Gläubiger nicht auf manche Einzelregelungen verzichten, um dem Eindruck einer Bevormundung entgegenzuwirken.infoDies ist im Detail zu diskutieren, aber beinhaltet sicher nicht, auf Korruptionsbekämpfung zu verzichten, schließlich sollen westliche Kredite nicht auf Konten in Steueroasen landen. Aus Perspektive der kreditnehmenden Länder greifen solche Auflagen in die Souveränität der Länder ein.

In der Summe sprechen viele Argumente für westliche Kredite, ob bilateral oder multilateral, so dass die Länder in Afrika abwägen können, worauf es ihnen ankommt. Eine gewisse Diversifikation der Kreditgeber dürfte aus ihrer Sicht oft rational sein, doch die Positionierung zugunsten chinesischer versus westlicher Kredite deutet eine aufschlussreiche Selbstselektion an.

Lorenz Meister

Doktorand in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

Lukas Menkhoff

Senior Research Associate in der Abteilung Makroökonomie



JEL-Classification: G15
Keywords: International lending, conditionality, China, Africa
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-26-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/273612

keyboard_arrow_up