China vergibt vor allem Kredite an rohstoffreiche Länder, die wenig gegen Korruption unternehmen: Interview

DIW Wochenbericht 26 / 2023, S. 361

Lorenz Meister, Erich Wittenberg

get_appDownload (PDF  82 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.42 MB - barrierefrei / universal access)

Herr Meister, wie hat sich die Vergabe chinesischer Kredite an Afrika in den letzten 20 Jahren entwickelt? Im Jahr 2000 hat China auf dem afrikanischen Kontinent als Kreditgeber noch keine wichtige Rolle gespielt. Das hat sich ab 2005 geändert. Ab da hatten afrikanische Länder immer öfter die Wahl zwischen chinesischen Krediten und anderen bilateralen oder multilateralen Krediten. Im Jahr 2016 wurden dann nahezu 80 Milliarden US-Dollar an afrikanische Länder in Form von Krediten vergeben.

Vergibt China insgesamt mehr Kredite an Afrika als westliche Staaten? Multilaterale westliche Kreditgeber haben auf dem afrikanischen Kontinent schon immer dominiert und das ist auch so geblieben. Allerdings vergibt China höhere Kreditvolumina als alle anderen bilateralen Kreditgeber zusammen.

Welches Kalkül steckt hinter Chinas Kreditboom? Anfang der 2000er Jahre ist in China der Leistungsbilanzüberschuss sehr stark angestiegen. Das heißt, die inländischen Ersparnisse waren deutlich höher als die inländischen Investitionen. Somit stiegen das Nettoauslandsvermögen und auch das chinesische Interesse, Vermögen im Ausland anzulegen. Dazu kommt, dass sich China in dieser Zeit stärker auf die Außenwirtschaft fokussiert hat, und natürlich spielen auch geopolitische und wirtschaftliche Interessen eine Rolle.

An welche afrikanischen Länder vergibt China am häufigsten Kredite? Das sind Länder, die in der Regel sehr rohstoffreich sind und relativ wenig gegen Korruption unternehmen. Beispiele sind Simbabwe, Libyen, Südsudan, die Demokratische Republik Kongo, Kongo und Angola. Westliche Kredite dominieren eher in der Sahelzone und in Ostafrika, wo die Armut sehr hoch ist. Länder, die Taiwan anerkennen, bekommen in der Regel keine chinesischen Kredite. Weniger entscheidend sind die Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat oder das Stimmverhalten von afrikanischen Ländern in der UN-Generalversammlung.

Wie unterscheiden sich die chinesischen von westlichen Krediten? Chinesische Kredite sind mit einem Zinssatz, der durchschnittlich bei 2,7 Prozent liegt, deutlich teurer. Bei multilateralen Krediten liegt der Zins durchschnittlich nur bei 0,9 Prozent, bei anderen bilateralen Krediten bei 1,4 Prozent. Auch die Laufzeit ist deutlich kürzer, was chinesische Kredite wiederum teurer macht. Ein weiterer Unterschied ist, dass Weltbankkredite oftmals mit politischen Auflagen, wie Rechtsstaatlichkeitsauflagen, Umweltauflagen oder Auflagen in Bezug auf die Fiskalpolitik einhergehen.

Welche Auflagen spielen dabei eine besondere Rolle? Wir schauen uns Auflagen aus acht unterschiedlichen Themenbereichen an. Uns fällt auf, dass Auflagen im Bereich Umwelt und natürliche Ressourcen dazu führen, dass im Folgejahr die Kreditaufnahme in China ansteigt.

Sind chinesische Kredite eher zum Nachteil der betroffenen Länder als westliche Kredite? Das kann man so pauschal nicht sagen. Westliche Kredite sind volkswirtschaftlich in der Regel günstiger, allerdings beziehen sie sich meist direkt auf Entwicklungsprojekte und geben den Kreditnehmern nicht sehr viel Handlungsspielraum in Bezug darauf, wie sie den Kredit verwenden. Außerdem werden die Auflagen teilweise auch als Bevormundung wahrgenommen.

Inwieweit hat die starke chinesische Kreditvergabe andere Geber verdrängt? Das ist eine interessante Frage, die wir so nicht beantworten können. Wir beobachten, dass westliche und chinesische Kreditvolumina in Afrika geographisch anders verteilt sind. Wir wissen allerdings nicht, ob China dort ein Vakuum aufgefüllt hat oder ob der Westen dort nicht doch Kredite vergeben würde, wenn China als Kreditgeber weniger präsent wäre.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Lorenz Meister
China vergibt vor allem Kredite an rohstoffreiche Länder, die wenig gegen Korruption unternehmen - Interview mit Lorenz Meister

Lorenz Meister

Doktorand in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

keyboard_arrow_up