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Verfügbare Datenmengen können ein Unternehmen uneinholbar machen: Interview

DIW Wochenbericht 27 / 2023, S. 374

Hannes Ullrich, Erich Wittenberg

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Herr Ullrich, in den letzten 25 Jahren ist ein Markt für personalisierte Werbung im Internet entstanden, der auf Tracking von Nutzer*innen und der Verwendung von Identifikatoren basiert. Sie haben sich mit diesem Markt auseinandergesetzt. Was stand dabei im Fokus Ihrer Untersuchung? Wir wollten verstehen, welche Rolle die Verknüpfung von Daten für den Wettbewerb bedeuten kann, insbesondere, ob diese Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellen zu den in der Vergangenheit beobachteten Monopolisierungstendenzen beigetragen haben könnte.

Was sind die gängigsten Methoden, mit denen dabei gearbeitet wird? Um Daten im Internet zu sammeln werden zum Beispiel bestimmte Codeschnipsel verwendet, die es zulassen, Personen über Websites hinweg zu verknüpfen. Dann werden, anhand dieser Daten Vorhersagen gebildet, zum Beispiel über die Präferenzen von Nutzer*innen. Das wird mit Hilfe statistischer Verfahren wie maschinellem Lernen gemacht.

Wie hängen Qualität und Quantität der Daten zusammen? Bedeutet „mehr“ immer gleich „besser“? „Mehr“ heißt schon im Grunde genommen immer „besser“, aber es heißt immer weniger „besser“. Wenn wir 1000 Datenpunkte haben und ich nehme 100 Datenpunkte dazu, dann ist das in der Regel besser. Wenn ich aber eine Million Datenpunkte habe und ich nehme 100 Datenpunkte dazu, dann ist das zwar ein bisschen besser, aber es ist im Endeffekt wahrscheinlich nicht mehr relevant für das Ziel, das ich verfolge. Diesen Zusammenhang nennt man „abnehmende Skalenerträge“. Es gibt bereits Studien, die dokumentieren, dass es diese abnehmenden Skalenerträge auch in der Qualität der Daten gibt. Aber was passiert, wenn ein Unternehmen sowohl die Menge als auch die Qualität der Daten erhöhen kann? Da hat uns interessiert, ob man in der Interaktion dieser beiden Arten von Skalen vielleicht Unterschiede finden kann, die dazu führen, dass bestimmte Unternehmen bessergestellt sind.

Inwieweit haben die großen Player, wie Google, Amazon oder Facebook allein durch ihre schiere Größe Vorteile auf dem Datenmarkt? Eine unserer Hypothesen war, dass es in diesem Markt sogenannte Datennetzwerkeffekte geben könnte. Datennetzwerkeffekte können entstehen, wenn ein Unternehmen Daten auf einer Website sammelt und dadurch den Nutzer*innen ein hochwertiges personalisiertes Produkt anbieten kann. Dafür sind dann Nutzer*innen bereit, mehr Zeit auf der Seite zu verbringen und vielleicht mehr Geld auszugeben. Dieses Geld geht an das Unternehmen, dass diese Website veröffentlicht und ein Teil davon geht an das Unternehmen, das Daten sammelt. Da es jetzt mehr Geld gibt, erhöht sich vielleicht die inhaltliche Qualität dieser Website und Nutzer*innen sind mehr willens, diese Website zu besuchen. Dadurch können wiederum mehr Daten gesammelt werden, wodurch die Werbung wieder besser personalisiert wird. Damit schließt sich der Kreis und für andere Unternehmen wird es sehr schwer, dieses Unternehmen in der Qualität der Personalisierung einzuholen.

Sollte der Datenmarkt reguliert werden und wenn ja, wie? Es gibt ja schon einige Regulierungen, die auf dem Weg sind. In mindestens zweien davon ist vorgesehen, dass Unternehmen ihre Daten mit Wettbewerbern und mit Endnutzer*innen teilen sollen. Dieses Teilen von Daten kann es Unternehmen, die gar keine Chance haben, diese Daten zu sammeln, ermöglichen, doch in Konkurrenz zu treten, neue Produkte zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen. Von daher kann eine Regulierung, die das Datenteilen erwirkt, durchaus zu mehr Wettbewerb, zu mehr Innovation und auch zu einer höheren Konsument*innenwohlfahrt führen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Hannes Ullrich
Verfügbare Datenmengen können ein Unternehmen uneinholbar machen - Interview mit Hannes Ullrich

Hannes Ullrich

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte

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