DIW Wochenbericht 28 / 2023, S. 394
Markus M. Grabka, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 153 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 3.82 MB - barrierefrei / universal access)
Herr Grabka, seit Beginn des Krieges in der Ukraine sind viele Menschen von dort nach Deutschland geflüchtet. Wie viele Menschen sind das und was wissen Sie über die Bleibeabsichten dieser Geflüchteten? Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 sind rund eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet. Bereits im vergangenen Spätsommer haben wir diese Menschen erstmals im Rahmen unserer Erhebung befragt und zu Beginn des Jahres 2023 dann ein weiteres Mal. Dabei ist der Anteil derjenigen, die sagen, dass sie für immer oder zumindest einige Jahre in Deutschland bleiben wollen, von 39 auf 44 Prozent gestiegen.
Wovon hängt es ab, ob eine geflüchtete Person in Deutschland bleiben oder wieder in die Ukraine zurückkehren will? Familiäre Aspekte sind hier besonders relevant, zum Beispiel, ob ein Kind oder der Partner noch in der Ukraine lebt. Wenn diese Konstellation vorliegt, ist die Bleibetendenz entsprechend geringer. Wichtig ist auch, ob diese Menschen hier schon regelmäßige Kontakte mit Deutschen haben und bereits in der Lage sind, deutsch zu sprechen oder zu lesen, was natürlich die Bleibeperspektive vereinfacht.
Wie ist es denn um die Sprachkenntnisse der Geflüchteten aus der Ukraine bestellt? Hier ist der Befund positiv. Wenn man nach den selbst eingeschätzten Sprachkenntnissen fragt, hatten noch im Spätsommer des vergangenen Jahres 41 Prozent der Geflüchteten angegeben, dass sie der deutschen Sprache gar nicht mächtig sind. Dieser Wert hat sich bis Beginn des Jahres 2023 mehr als halbiert und betrug nur noch 18 Prozent.
Wo sind die Geflüchteten aus der Ukraine bislang untergekommen? Die mit 79 Prozent weitaus große Mehrheit der ukrainischen Geflüchteten ist in einer privaten Unterkunft untergekommen. Nur ein geringer Teil lebt noch in einer Pension, einem Hotel oder in Gemeinschaftsunterkünften.
Wie viele der erwerbsfähigen Geflüchteten gehen einer Erwerbstätigkeit nach? Unter den 18- bis 64-jährigen Geflüchteten liegt der Anteil derjenigen, die derzeit einer Erwerbstätigkeit nachgehen, bei 18 Prozent. Das ist ein recht erfreulicher Wert, da diese Menschen ja bislang erst ein Jahr in Deutschland verbracht haben. Und die Erwerbsabsichten sind sehr hoch, die meisten der Geflüchteten wollen nach Abschluss ihrer Sprachkurse kurzfristig erwerbstätig werden.
Wie gut gelingt die Betreuung der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine? Das ist ein sehr wichtiges Thema, weil die große Mehrheit der ukrainischen Geflüchteten Frauen sind – viele von ihnen haben minderjährige Kinder. Von den Drei- bis Sechsjährigen besuchen immerhin bereits 60 Prozent eine Kinderbetreuungseinrichtung, aber unter den zwei- und dreijährigen Kindern sind die Anteile mit 16 beziehungsweise gut 40 Prozent deutlich niedriger.
Wo sehen Sie den größten Handlungsdruck, um die Situation der geflüchteten Ukrainer*innen in Deutschland zu verbessern? Wichtig wäre ein besseres Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen für geflüchtete Menschen, damit vor allen Dingen die Mütter die Gelegenheit haben, an Integrations- und Sprachkursen teilzunehmen, um in der Folge auch erwerbstätig sein zu können. Zweitens ist die längerfristige Perspektive eine Herausforderung, da die ukrainischen Geflüchteten im Rahmen des sogenannten vorübergehenden Schutzes derzeit nur bis März 2024 Planungssicherheit haben. Was darüber hinaus mit ihnen passiert, ist politisch derzeit noch nicht klar. Daher ist die Politik gefordert, hier so schnell wie möglich Planungssicherheit zu schaffen.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-28-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/273619