DIW Wochenbericht 30/31 / 2023, S. 422
Jan Goebel, Erich Wittenberg
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Herr Göbel, wie haben sich die Erwerbsquoten der nach Deutschland geflüchteten Menschen in den vergangenen Jahren entwickelt? Man kann deutlich sehen, dass die Erwerbsquoten von Geflüchteten im Laufe der Jahre, die sie hier in Deutschland sind, deutlich steigen. In unserer Studie konnten wir auch sehen, dass die Personen, die vorher erwerbstätig waren, auch deutlich häufiger hier in Deutschland erwerbstätig sind. Nach ungefähr drei Jahren Aufenthalt hat fast die Hälfte der Personen, die im Herkunftsland erwerbstätig waren, auch hier wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen.
Welche Rolle spielen lokale Arbeitsmärkte bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten? Lokale Arbeitsmärkte spielen für alle Erwerbstätigen eine wichtige Rolle, denn der lokale Arbeitsmarkt entscheidet auch darüber, welche Möglichkeiten die Menschen haben und welche Alternativen sie möglicherweise finden, wenn sie einen neuen Arbeitsplatz suchen. Das gilt für alle Arbeitssuchenden aber bei Geflüchteten ist das in besonderem Maße wichtig, da sie oftmals einer Wohnsitzauflage unterliegen. Das heißt, sie müssen ihren Wohnsitz innerhalb des entsprechenden Bundeslandes wählen und können nur dann in ein anderes Bundesland wechseln, wenn sie eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Bundesland bereits nachweisen können.
Inwieweit konnten die Geflüchteten in dem Beruf Arbeit finden, den sie schon im Herkunftsland ausgeübt haben? Eine Übereinstimmung zu ihrem Beruf im Herkunftsland hat nur eine Minderheit der in Deutschland wieder berufstätigen Geflüchteten erreicht. In den ersten Jahren nach ihrer Ankunft sind das ungefähr 14 Prozent. Mit der Zeit nimmt der Anteil der berufstätigen Geflüchteten zu. Aber der Anteil derjenigen, die hier einen Beruf gefunden haben, der mit ihrem Beruf im Herkunftsland übereinstimmt, sinkt auf ungefähr elf Prozent. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass wir nicht den exakten Beruf untersuchen, sondern sogenannte Berufsgruppen. Das sind ungefähr 140 Gruppen nach der Klassifikation der Berufe des statistischen Bundesamtes.
In welcher Berufsgruppe findet man am ehesten Menschen, die es auch in Deutschland geschafft haben, wieder in ihrem ursprünglichen Beruf zu arbeiten? Wir haben uns dazu die zehn am häufigsten realisierten Berufe genauer angeschaut. Den in ihrem Heimatland ausgeübten Beruf haben in Deutschland am ehesten diejenigen wieder erreicht, die in den Berufsgruppen der medizinischen und pflegerischen Berufe, sowie in technisch orientierten Berufen arbeiten.
Wie sieht es auf den verschiedenen lokalen Arbeitsmärkten aus? Wo werden welche Tätigkeiten vornehmlich gebraucht und inwiefern wird das in der Verteilung der Geflüchteten berücksichtigt? Die Verteilung der Geflüchteten geschieht nicht über das Qualifikationsniveau oder das Wissen über die Fähigkeiten in dem Beruf im Herkunftsland. Von daher ist die Verteilung nicht gebunden an die Kompetenzen der Geflüchteten und der eventuellen Bedarfe der einzelnen Arbeitsmärkte in bestimmten Berufsbereichen. In unserer Analyse zeigt sich aber, dass die lokalen Arbeitsmärkte einen Einfluss haben auf die Wahrscheinlichkeit, dass ich als Geflüchteter in Deutschland eine Arbeit finde. Die lokale Arbeitsmarktsituation hat auch Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass Geflüchtete ihre Kompetenzen aus dem Herkunftsland in den entsprechenden Berufen hier bei uns umsetzen können. Eine Verteilung, die die Situation am lokalen Arbeitsmarkt berücksichtigen würde, wäre nicht nur von Vorteil für die Erwerbschancen der Geflüchteten, sondern auch von Vorteil für die Arbeitsmarktsituation vor Ort, weil die Kompetenzen der Geflüchteten gezielter eingesetzt werden könnten.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-30-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/278028