DIW Wochenbericht 32 / 2023, S. 438
get_appDownload (PDF 82 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.32 MB - barrierefrei / universal access)
Die Bundesregierung will die heimische Wasserstoff-Produktionskapazität von fünf auf zehn Gigawatt bis 2030 verdoppeln. Das klingt gut, ist aber nur ein kleiner Baustein in der Energiewende und birgt auch Risiken.
Zunächst einmal ist es richtig, wenn die Bundesregierung auf die heimische Wasserstoffproduktion setzt. Aktuelle Studien belegen, dass der Import von Wasserstoff enorm teuer ist. Sowohl der Bau neuer als auch der Umbau existierender Erdgas-Pipelines ist kostenaufwendig. Der Transport mittels Schiffe ist erst ab 4000 Kilometer günstiger als Pipelines. Diese hohen Kosten machen den ohnehin schon teuren Wasserstoff nochmals teurer. Es spricht also alles dafür, Wasserstoff in Deutschland herzustellen. Eine mögliche Wasserstoffproduktion in Kooperation mit anderen Ländern und Regionen wie Nordafrika ist nicht falsch und kann auch im Rahmen von EU-Kooperationen unterstützt werden. Dennoch sollte ein Schritt nach dem anderen erfolgen und der Schwerpunkt auf der Herstellung von Wasserstoff in Deutschland liegen. Dies schafft zudem Wertschöpfung und Arbeitsplätze.
Aber auch eine Produktion in Deutschland ändert nichts an der Tatsache, dass die Herstellung von Wasserstoff teuer und energieaufwendig ist. Sie erfordert drei- bis fünfmal so viel Energie, als wenn erneuerbare Energien direkt genutzt würden. Man wird Wasserstoff deshalb vernünftigerweise nur dort einsetzen, wo es keine andere – vor allem elektrische – Möglichkeit gibt.
Der verstärkte Einsatz von Wasserstoff ist aus ökologischen und ökonomischen Gründen aber nur sinnvoll, wenn er nicht aus Öl, Gas oder Kohle, also grauem, blauem oder türkisem Wasserstoff hergestellt wird. Denn dann ist er nicht emissionsfrei, verlängert fossile Geschäftsmodelle und ist für die Energiewende eher schädlich. Zudem birgt die Einlagerung von CO2 im Meeresgrund unvorhersehbare Umweltrisiken. Stattdessen sollte grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen. Ansonsten erreichen wir die Pariser Klimaziele und weitere Umweltziele nicht, was in jeder Hinsicht teuer wird. Wer also von Wasserstoff träumt, muss in erneuerbare Energien investieren und diese deutlich schneller ausbauen als bisher.
Die Herstellung von Wasserstoff wird sich nur rechnen, wenn man überschüssigen und abgeschriebenen Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung hat. Dabei ist echter umweltfreundlicher Wasserstoff durchaus ein wichtiger Baustein der Energiewende, aber eben nur ein kleiner. Wasserstoff kann zwei Funktionen im Rahmen einer Energiewende spielen: Zum einen ist er als Langfristspeicher nutzbar. Zum anderen wird grüner Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Industrie nötig sein.
Nicht geeignet ist der kostbare Wasserstoff hingegen für die Betankung von Pkw. Champagner in den SUV-Tank hilft weder dem Klima noch der Wirtschaft, sondern ist bloße Verschwendung oder eine simple Verlagerung der klimaschädlichen Emissionen von der Straße in die Blaue-Wasserstoff-Industrie. Eine Verkehrswende Richtung Elektromobilität mit Ausbau der Ladeinfrastruktur, des öffentlichen Personennahverkehrs und des Schienenverkehrs wäre weitaus zielführender. Der ebenfalls verschwenderische oder klimaschädliche Einsatz von Wasserstoff im Gebäudebereich kann verhindert werden, etwa indem die energetische Gebäudesanierung gefördert wird und auch in Gebäuden konsequent erneuerbare Energien eingesetzt werden. So kann der kostbare Wasserstoff am Ende vor allem im Industriebereich zum Einsatz kommen, etwa bei der Herstellung von Stahl, oder im Bereich Schwerlast- und Schiffsverkehr. Das wäre Wasserstoffnutzung mit Vernunft, also grün und effizient.
Statt unbeliebte Übertragungsnetze auszubauen oder Windanlagen abzuregeln, wäre es daher sinnvoller, man würde die Produktion von Wasserstoff aus Windenergie ermöglichen. Erst wenn die Marktbarrieren abgeschafft werden, kann es zum erhöhten Einsatz von Wasserstoff kommen. Ob und wann sich die Produktion von Wasserstoff rechnet, hängt entscheidend davon ab, wie schnell erneuerbare Energien in Deutschland ausgebaut werden und die Rahmenbedingungen angepasst werden.
Themen: Energiewirtschaft
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-32-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/278032