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Investitionen in die energetische Gebäudesanierung auf Talfahrt

DIW Wochenbericht 33 / 2023, S. 441-448

Martin Gornig, Katrin Klarhöfer

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  • Gebäudesektor bietet hohes Einsparpotenzial bei Treibhausgasemission, verfehlt aber regelmäßig die Ziele
  • Kombination von DIW-Bauvolumenrechnung und Heinze-Modernisierungsvolumen zeigt Entwicklung von Investitionen zur Hebung des Einsparpotentials im Gebäudesektor
  • Erstmalige Berechnungen zur realen Entwicklung zeigen: statt Aufholprozess sind energetische Investitionen auf rapider Talfahrt
  • Trotz erster Politikmaßnahmen: Fördersumme angesichts Preisentwicklung zu niedrig bemessen

„Nicht nur, dass der Gebäudesektor – und hier gibt es wirklich große Potenziale, Treibhausgasemissionen einzusparen – die politischen Ziele regelmäßig verfehlt, in realer Betrachtung zeigen sich nicht einmal Fortschritte. Im Gegenteil: Die energetischen Investitionen befinden sich seit Jahren auf rapider Talfahrt.“ Martin Gornig

Nach dem aktuellen Bericht des Expertenrates für Klimafragen hat der Gebäudesektor in Deutschland auch im vergangenen Jahr seine Zielmarke zur Einsparung bei Treibhausgasemissionen gerissen. Dies liegt auch daran, dass in den vergangenen zehn Jahren die Investitionssummen in energetische Gebäudesanierung zwar – gefördert von allerlei Politikmaßnamen – nicht niedrig waren, allerdings auch keinen durchgängig positiven Trend aufwiesen. Eine Kombination der DIW-Bauvolumenrechnung und des Heinze-Modernisierungsvolumens zeigt darüber hinaus nun erstmals auch die preisbereinigte Entwicklung der energetischen Investitionen in Gebäude. Sowohl bei Dämmung, Maßnahmen für Fenster und Außentüren als auch bei Heizungsanlagen ergeben sich in vielen Jahren deutliche Rückgänge. Derzeit stellt die Politik zwar Mittel bereit, solche Investitionen wieder stärker zu fördern, angesichts der aktuellen und voraussichtlich auch weiteren Preisentwicklung dürfte das Fördervolumen aber zu gering bemessen sein. Will man verhindern, dass weitere zusätzliche Förderung in Preiseffekten verpufft, ist allerdings ein koordinierter Ausbau der Produktions- und Installationskapazitäten erforderlich.

Der aktuelle, jährlich vom Expertenrat für Klimafragen vorzulegende, Prüfbericht zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland stellt für den Gebäudesektor die Nichteinhaltung der Reduktionsziele 2022 fest.infoExpertenrat für Klimafragen (2023): Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2022 (online verfügbar, abgerufen am 28. Juli 2023. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Zudem lassen die Energiepreissprünge in Folge des Krieges gegen die Ukraine Energieeinsparungen auf der politischen Agenda immer weiter nach oben wandern.

Dabei bietet die Senkung des Heizenergieverbrauchs im Gebäudebestand ein großes Einsparpotenzial für Treibhausgasemissionen. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird gefordert, den energetischen Zustand der Gebäude durch erhöhte Dämmung der Gebäudehülle (Wände, Fenster, Dach) und effizientere Heizungssysteme zu verbessern.infoJürgen Blazejczak, Dietmar Edler und Wolf-Peter Schill (2014): Steigerung der Energieeffizienz: ein Muss für die Energiewende, ein Wachstumsimpuls für die Wirtschaft. DIW Wochenbericht Nr. 4, 47–60 (online verfügbar). Die Politik hatte daraufhin versucht, durch Regulierungen, wie den Energieausweisen oder verschärften Immissionsschutzverordnungen, aber auch, unterschiedliche Förderprogramme, Anreize für die energetische Sanierung zu setzen. So wurde allein im Programm „Energieeffizient Sanieren“ von 2011 bis 2021 durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau ein Fördervolumen von insgesamt rund 43 Milliarden Euro verausgabt.infoKreditanstalt für Wiederaufbau (verschiedene Jg.): Neuzusagen Inlandsfinanzierung. KfW Förderreport.

Im Folgenden wird die Dynamik des SanierungsmarktsinfoDie vorgestellten Ergebnisse basieren auf Analysen, die aus Mitteln der Forschungsförderung Zukunft Bau (Aktenzeichen: 10.08.17.7-20.11) des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie des Ressortforschungsplans (Forschungskennzahl: 3718 14 100 0) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz unterstützt wurden. sowie der (Miss-)Erfolg der bisherigen politischen Maßnahmen dargestellt. In welchem Ausmaß durch die entsprechenden Maßnahmen Fortschritte beim energetischen Zustand erzielt werden konnten, ist allerdings nur schwer zu bewerten. Detaillierte Untersuchungen zum energetischen Zustand der Gebäude sind ausgesprochen aufwendig und liegen nur für einzelne Jahre vor.infoHolger Cischinsky und Nikolaus Diefenbach (2018): Datenerhebung Wohngebäudebestand 2016. Forschungsbericht, Institut Wohnen und Umwelt (online verfügbar); Michael Hörner, Markus Rodenfels und Holger Cischinsky (2021): Der Bestand der Nichtwohngebäude in Deutschland ist vermessen. Projektinformationen, Institut Wohnen und Umwelt (online verfügbar). Lediglich beim Bestand an Wohngebäuden lassen sich basierend auf kleineren Stichproben grobe Tendenzen der Entwicklung von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung identifizieren. Danach hat sich die energetische Sanierungsquote – also der Anteil der Gebäudeoberfläche, der im betreffenden Jahr energetisch saniert wurde – seit der Jahrtausendwende kaum verändert und liegt geschätzt für 2017 bei weniger als ein Prozent.infoPuja Singhal und Jan Stede (2019): Wärmemonitor 2018: Steigender Heizenergiebedarf, Sanierungsrate sollte höher sein. DIW Wochenbericht Nr. 36, 519–628 (online verfügbar).

Energetische Sanierung auch anders messbar

Ein alternativer Ansatz für das Monitoring der energetischen Gebäudesanierung beruht nicht auf physischen Indikatoren, sondern auf den Ausgaben für die entsprechenden Investitionen. Wieviel Geld in die energetische Gebäudesanierung geflossen ist, kann anhand der Beobachtung der Bauaktivitäten geschätzt werden. Dabei lassen sich allerdings nicht die konkreten Mehraufwendungen zur energetischen Verbesserung bestimmen, die beispielsweise durch den Einbau eines Dreischeibenglases gegenüber eines Doppelglasfensters entstehen. Wohl aber lassen sich die Gesamtaufwendungen für den Fenstereinbau einschließlich Vor- und Nacharbeiten bestimmen. Diese Bruttokosten liegen weit höher als die spezifischen energetisch bedingten Mehraufwendungen.infoSolche allgemeinen Kosten, wie für die Gebäudeeinrüstung, können allerdings nur anteilig der energetischen Sanierung zugerechnet werden, wenn gleichzeitig andere Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Ältere Studien für den Wohnungsbau weisen darauf hin, dass die Investitionskosten insgesamt doppelt so hoch liegen wie die spezifischen Mehrkosten.infoInstitut der deutschen Wirtschaft (2012): Energetische Modernisierung des Gebäudebestandes: Herausforderungen für private Eigentümer. Untersuchung im Auftrag von Haus & Grund Deutschland (online verfügbar); prognos (2013): Ermittlung der Wachstumswirkungen der KfW-Programme zum Energieeffizienten Bauen und Sanieren. Untersuchung im Auftrag der KfW-Bankengruppe.

Die Gesamtinvestitionssummen für die energetische Gebäudesanierung können dabei durch eine Kombination des Herunterbrechens aggregatstatistischer amtlicher Auswertungen im Rahmen der Bauvolumenrechnung des DIW Berlin und den Hochrechnungen von Befragungsergebnissen im Rahmen des Modernisierungsvolumens des Baudienstleisters Heinze GmbH geschätzt werden (Kasten). Diese Ergebnisse werden für die wertmäßigen Investitionen in die energetische Sanierung von Wohn- und Nichtwohngebäuden insgesamt regelmäßig durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und RaumforschunginfoEinschließlich Photovoltaik: Martin Gornig, Claus Michelsen und Hanna Révész (2021): Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe – Berechnungen für das Jahr 2020. BBSR-Online-Publikationen, Nr. 32 (online verfügbar). und das UmweltbundesamtinfoOhne Photovoltaik: Jürgen Blazejczak et al. (2021): Ökonomische Indikatoren von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Umweltbundesamt. Umwelt, Innovation, Beschäftigung, Materialien Berichtsjahr 2019. DIW Politikberatung kompakt, Nr. 174 (online verfügbar). veröffentlicht. Nachfolgend wird darüberhinausgehend eine differenzierte Auswertung nach drei Einzelbereichen der energetischen Sanierung vorgelegt.

Die Schätzung der Gesamtinvestitionssummen für die energetische Gebäudesanierung erfolgt durch die Kombination des Herunterbrechens aggregatstatistischer amtlicher Auswertungen im Rahmen der Bauvolumenrechnung des DIW Berlin mit Hochrechnungen von Befragungsergebnissen im Rahmen des Modernisierungsvolumens des Baudienstleisters Heinze GmbH (Abbildung).

Das DIW-Bauvolumen erfasst die Summe aller Leistungen, die auf die Herstellung oder Erhaltung von Gebäuden und Bauwerken gerichtet sind. Insofern geht der Nachweis über die vom Statistischen Bundesamt berechneten Bauinvestitionen hinaus, denn bei den Investitionen bleiben konsumtive Bauleistungen unberücksichtigt – dies sind vor allem nicht werterhöhende Reparaturen (also Instandsetzungsleistungen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes). Anders als in der amtlichen Statistik unterscheidet das DIW-Bauvolumen zudem zwischen Bauleistungen an vorhandenen Gebäuden und beim Neubau.

Die Abschätzung der Bestandsmaßnahmen beziehungsweise des Bestandsbauvolumens aus der Makroperspektive beruht im Wesentlichen auf einer Differenzenbetrachtung zwischen der Gesamtbauleistung nach Baufachstatistik und der aus der Bautätigkeitsstatistik abgeleiteten Neubauleistung.infoGornig, Michelsen und Révész (2021): a.a.O.. Dies hat insbesondere den Vorteil, dass sich im Zeitverlauf konsistente Vergleiche durchführen lassen. Den Modellrechnungen auf Basis des Differenzenansatzes fehlen aber Strukturinformationen.

Zur Identifikation von Strukturinformationen werden die Hochrechnungsergebnisse zum Modernisierungsvolumen auf Grundlage von Befragungsergebnissen genutzt. Die Hochrechnungsergebnisse basieren auf gesonderten umfassenden Untersuchungen der Heinze GmbH für die Jahre 2010, 2014, 2018 und 2020.infoChristian Blanke und Katrin Klarhöfer (2022): Bestandsinvestitionen 2020. Struktur der Investitionstätigkeit in den Wohnungs- und Nichtwohnungsbeständen. BBSR-Online-Publikationen, Nr. 39 (online verfügbar).

In den Untersuchungen der Heinze GmbH wird das Modernisierungsvolumen über die Verknüpfung von sekundärstatistischen Marktdaten mit Befragungsergebnissen bei für den Modernisierungsmarkt relevanten Zielgruppen berechnet. Zentrale Informationsbasis im Wohnungsmarkt ist eine Befragung von repräsentativ ausgewählten Mieter*innen- und Eigentümer*innenhaushalten. Zudem wurden gewerbliche Wohnungsbauunternehmen befragt. Die Ergebnisse für den Nichtwohnungsbau beruhen auf Auswertungen von Fragebögen zu von Architekt*innen betreuten Modernisierungsmaßnahmen. Zudem wurden Befragungen bei Handwerker*innenn genutzt. Auf dieser Grundlage lassen sich die Bestandsmaßnahmen nach Produktbereichen differenzieren. Zur energetischen Sanierung werden Maßnahmen aus den Produktbereichen Wärmedämmung (an Dach, Fassade und anderem), Austausch von Fenstern und Außentüren, sowie die Erneuerung der Heizung und der Klima- und Lüftungsanlagen gezählt.

Die Strukturinformationen zur Bedeutung der oben genannten Produktbereiche aus dem Mikroansatz werden konsistent in die Bauvolumenrechnung des DIW Berlin eingepasst.infoZur Methode vergleiche Gornig, Michelsen und Révész (2021): a.a.O. Voraussetzung für die Integration der Ergebnisse des Mikroansatzes in die Bauvolumenrechnung ist, dass die Ergebnisse der beiden Methoden miteinander korrespondieren. Dies gilt sowohl für das quantitative Gesamtergebnis als auch die spezifischen Abgrenzungen der Bauleistungen. So stehen bei den Befragungsergebnissen der Heinze GmbH investive Bauleistungen im Vordergrund. Dies gilt wegen der Bindung an die Architekt*innenumfrage insbesondere für den Bereich des Nichtwohnungsbaus. Beim Wohnungsbau wiederum werden die Eigenleistungen einschließlich Nachbarschaftshilfe und Schwarzarbeit anders als in der Bauvolumenrechnung nicht bewertet.

Die aus den Umfragen der Heinze GmbH gewonnenen Strukturinformationen werden daher nicht unmittelbar auf das Bauvolumen insgesamt, sondern nur auf den investiven Teil des Bauvolumens bezogen. Um eine derartige Integration der Werte des Heinze-Strukturergebnisses zu ermöglichen, ist im Bauvolumen eine Modellrechnung zur Trennung der Bauleistungen nach investiven und nichtinvestiven Maßnahmen erforderlich. Das DIW Berlin hat dazu speziell die Strukturinformationen zu den Reparaturmaßnahmen aus den Heinze-Befragungen ausgewertet und entsprechende Hochrechnungen für die durchschnittlichen Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Die zeitliche Differenzierung der Maßnahmen erfolgte über die Anbindung an die Entwicklung des Bruttoanlagevermögens im Hochbau, wozu das DIW Berlin spezielle Modellrechnungen entwickelt hat.infoSusanne Hotze et al. (2016): Struktur der Bestandsinvestitionen 2014. Investitionstätigkeit in den Wohnungs- und Nichtwohnungsbeständen, BBSR-Online-Publikationen, Nr. 03 (online verfügbar).

Als Reaktion auf die starken Preissteigerungen der letzten Jahre wird zudem an dieser Stelle erstmals die reale Entwicklung der Investitionen in die energetische Sanierung dargestellt. In den amtlichen Preisstatistiken lassen sich allerdings die Einzelbereiche der energetischen Sanierung nicht unmittelbar wiederfinden. Den drei Bereichen Dach-/Wanddämmung, Fenster/Türen und Heizung/Klima werden daher entsprechend Preisindizes für passende Produktbereiche und Wirtschaftsklassen zugeordnet. Die Berechnung der realen Werte erfolgt als Volumenindex zu konstanten Preisen des Referenzjahres 2015.

Investitionen in die energetische Sanierung 2011 bis 2022 in realer Rechnung gesunken

Wand- und Dachdämmung nach Abschwung nur leicht erholt

Ein wesentlicher Teil der energetischen Sanierung besteht in der Verbesserung der Dämmung der Gebäudehülle. In die Dämmung von Dach, Kellerdecke und Fassade von Wohngebäuden wurden zu laufenden Preisen 2011 fast zwölf Milliarden Euro investiert. Gut fünf Milliarden Euro wurden zudem für die Dämmung von gewerblichen und öffentlichen Nichtwohngebäuden verausgabt (Abbildung 1). Wertmäßig war die Dämmung damit bei Wohn- und Nichtwohngebäuden der wichtigste Bereich innerhalb der energetischen Sanierung.

Nach 2011 gingen die nominalen Investitionssummen in die Dämmung insbesondere bei Wohngebäuden stark zurück. 2016 wurden nur noch gut sieben Milliarden Euro für die Fassaden- und Dachdämmung von Wohngebäuden verausgabt. Ein Grund für den Einbruch der Investitionssummen dürfte die zu dieser Zeit aufkommende Diskussion über die Brandgefahr der Dämmstoffe gewesen sein. Seit 2017 ziehen die Werte wieder an und liegen 2022 nominal um knapp 2,5 Milliarden Euro höher als 2011. Berücksichtigt man allerdings die Preissteigerungen, die gerade in den letzten Jahren enorm waren, liegt der reale Wert der Investitionen in die Dämmung von Wohngebäuden 2022 um mehr als 20 Prozent unter denen von 2011.

Bei Nichtwohngebäuden verlief die Entwicklung der Dämmung nur wenig günstiger. Bis 2018 gingen die Ausgaben für die Dämmung von Dach, Keller und Fassade auf unter vier Milliarden Euro zurück und lagen damit 25 Prozent unter den Werten von 2011. Seit 2019 sind allerdings deutliche nominale Zuwächse zu beobachten. Preisbereinigt liegen die Investitionen in die Dämmung von Nichtwohngebäuden aber 2022 ebenfalls unter denen des Ausgangsjahres. Hier beträgt das Minus knapp 15 Prozent.

Austausch von Fenstern und Außentüren mit wenig Dynamik

Im Bereich der Erneuerung von Fenstern und Außentüren von Wohngebäuden ist die Entwicklung deutlich stabiler als bei der energetischen Sanierung durch Dach- und Fassadendämmung (Abbildung 2). Die Ausgaben in jeweiligen Preisen stiegen nahezu durchgängig von fast zwölf Milliarden Euro 2011 auf 17 Milliarden Euro 2022. Lediglich im Jahr 2015 war eine kurze Unterbrechung des Aufwärtstrends zu beobachten. Dennoch sind, über den gesamten Beobachtungszeitraum betrachtet, die realen Investitionszuwächse im Bereich Fenster/Außentüren rückläufig. Der gesamte nominale Zuwachs 2011 bis 2022 wurde durch Preissteigerungen mehr als aufgezehrt. Real lagen die Investitionen in die Erneuerung von Fenstern und Außentüren von Wohngebäuden zeitweise sogar deutlich höher als heute. Gegenüber 2017 ergibt sich beispielsweise ein Minus von 15 Prozent.

Der Umfang der Erneuerung von Fenstern und Außentüren bei gewerblichen und öffentlichen Nichtwohngebäuden nahm preisbereinigt im Beobachtungszeitraum noch deutlich stärker ab. Die realen Investitionen lagen 2022 um 30 Prozent unter denen von 2011. In nominaler Rechnung werden heute wie damals gut vier Milliarden Euro für die Erneuerung der Fenster und Außentüren von gewerblichen und öffentlichen Bauherr*innen ausgegeben.

Erneuerung der Heizungsanlagen weiter unter den Spitzenwerten vergangener Jahre

Im Gegensatz zur energetischen Ertüchtigung der Gebäudehülle durch Dämmung oder Fenster- und Türenaustausch legten die Ausgaben für die Erneuerung der Heizungsanlagen zumindest bei Wohngebäuden kräftig zu (Abbildung 3). 2011 wurden für die Erneuerung von Heizungsanlagen in diesem Bereich knapp zehn Milliarden Euro aufgewendet. 2022 waren es dagegen weit mehr als 17 Milliarden Euro. Auch wenn die Preise im Heizungsbau nochmals stärker stiegen als bei den Energiesparmaßnahmen an der Gebäudehülle, reichten die Ausgabenzuwächse dennoch aus, die realen Investitionen in die Erneuerung der Heizungen in Wohngebäuden zu erhöhen. 2022 lag die Investitionssumme preisbereinigt um rund zehn Prozent über der von 2011. Im Vergleich zu den investitionsstarken Jahren 2016 bis 2018 ist die Investitionsaktivität allerdings gesunken. So wurde 2022 real fast 20 Prozent weniger in die Erneuerung der Heizungsanlagen in Wohngebäuden investiert als 2017.

Im Bereich Heizungs- und Klimatechnik bei Nichtwohngebäuden konnte über lange Jahre hinweg ebenfalls eine positive Tendenz der Investitionen verzeichnet werden. Von 2011 bis 2017 legten die Ausgaben für die Heizungs- und Klimatechnik Jahr für Jahr zu: von gut sechs Milliarden Euro 2011 auf fast neun Milliarden Euro 2017. Die Ausgabenzuwächse lagen zudem über den Preissteigerungen in diesem Bereich, so dass auch die realen Investitionen stiegen. Seit 2018 allerdings schrumpfen die Ausgaben der gewerblichen und öffentlichen Bauherr*innen und liegen 2022 kaum über denen von 2011. Da gleichzeitig die Preise im Bereich Heizungs- und Klimatechnik besonders zulegten, schrumpften die realen Investitionen gegenüber 2011 sogar um nahezu 40 Prozent.

Energetische Sanierung insgesamt kommt seit Jahren nicht vom Fleck

Führt man die Resultate zu den Investitionen für die einzelnen Bereiche der energetischen Gebäudesanierung zusammen, zeigt sich ein ernüchterndes Bild. Von 2011 bis 2022 sind die jährlichen Ausgaben für die energetische Sanierung zwar um fast 40 Prozent auf 67 Milliarden Euro gestiegen. Berücksichtigt man die gerade zuletzt deutlichen Preissteigerungen, liegen die realen Investitionen insgesamt aber deutlich unter dem Niveau Anfang der 2010er Jahre (Abbildung 4). Der erste Tiefpunkt der realen Investitionen in die energetische Gebäudesanierung war 2015. Es folgte eine zwischenzeitlich deutliche Erholung der Investitionstätigkeit. Seit 2018 verharren die jährlichen realen Investitionssummen aber weit unter dem Niveau des Ausgangsjahres. Mit den zuletzt starken Preissteigerungen wurde 2022 ein neuer Tiefpunkt erreicht. Das reale Investitionsvolumen liegt nun gut 13 Prozent niedriger als 2011.

Die Investitionstätigkeit in der energetischen Gebäudesanierung entwickelte sich damit deutlich schlechter als in anderen Bereichen des Hochbaus. Insbesondere der Neubau von Wohnungen und die Errichtung von Nichtwohngebäuden legte trotz der aktuellen Schwächephase stark zu. Die Neubauinvestitionen stiegen von 2011 bis 2022 preisbereinigt um mehr als 43 Prozent. Auch die anderen Maßnahmen an bestehenden Gebäuden jenseits der energetischen Sanierung wie die Modernisierung der Sanitäreinrichtungen oder allgemeine Instandhaltungen konnten über den Gesamtzeitraum zumindest leichte reale Zuwächse erzielen. Nach einer Schwächephase Anfang der 2010er Jahre nahmen die Investitionen hier wieder spürbar zu. So lagen sie 2022 um sieben Prozent über ihrem Wert von 2017.

In den letzten Jahren ist viel über die Notwendigkeit der Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand diskutiert worden. Die Politik hat auch immer wieder versucht, durch entsprechende Förderprogramme die Investitionstätigkeit anzuregen. In der Summe aber ist die energetische Gebäudesanierung in der letzten Dekade nicht vom Fleck gekommen. Welche Ursachen dafür im Einzelfall bei der Entscheidung für oder gegen eine Investition in die energetische Sanierung ausschlaggebend waren, lässt sich mit den hier vorliegenden Daten nicht nachweisen. Wohl aber lassen sich insbesondere aus dem zeitlichen Verlauf Hinweise auf mögliche auschlaggebende Determinanten finden.

Ein häufig als Grund für die geringe Dynamik bei der energetischen Gebäudesanierung genanntes Problem sind die vielfältigen Regulierungen im Mietwohnungsbau.infoBlazejczak und Schill (2014), a.a.O.; Institut der deutschen Wirtschaft (2012), a.a.O. Bei vermietetem Wohnungseigentum entstehen die Kosten bei der*dem Eigentümer*in, die Erträge jedoch bei der*dem Nutzer*in der Wohnung (Nutzer-Investor-Dilemma). Die Kosten der energetischen Gebäudesanierung müssen in diesem Fall aus Steigerungen der Kaltmiete erwirtschaftet werden. Ob der notwendige Anstieg der Kaltmiete erzielt werden kann, hängt unter anderem auch von den Bedingungen des jeweiligen lokalen Mietmarktes und den Mietregulierungen ab. Entsprechend werden auch immer wieder neue Modelle für eine von der*dem Mieter*in zu tragenden Heizkosten- beziehungsweise einer CO2-Umlage diskutiert.infoRalph Henger et al. (2022): CO2-Kosten-Stufenmodell: Richtige Logik, aber falsche Bemessung. Institut der deutschen Wirtschaft, IW-Kurzbericht, Nr. 43 (online verfügbar). Betrachtet man jedoch die Verteilung der Investorenanteile von Selbstnutzer*innen und Vermieter*innen in den letzten zehn Jahren, so hat sich diese kaum verändert (Abbildung 5). Dies spricht eher dagegen, dass das Nutzer-Investor-Dilemma allein für die Schwankungen im Investitionsvolumen verantwortlich und damit entscheidend die Entwicklung der Investitionen in die energetische Wohngebäudesanierung blockiert hat.

Die Schwankungen der Energiepreise hingegen scheinen teilweise deutlich mit den Änderungen der Investitionen in die energetische Gebäudesanierung zu korrelieren. So waren in den Jahren 2014 bis 2017 die gewichteten Energiepreise von Gas und Öl spürbar rückläufig.infoSinghal und Stede (2019), a.a.O. Insbesondere im Nichtwohnungsbau gingen die Investitionen in die Sanierung der Gebäudehülle mit nachlassenden Energiepreisen zeitgleich stark zurück. Mit den bereits 2021 einsetzenden Energiepreissteigerungen nahmen die Ausgaben für die energetische Gebäudesanierung auf breiter Front wieder zu.

Diese Ausgabenzuwächse wurden in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Teil allerdings durch die Preissteigerungen aufgezehrt. Preisbereinigt nahmen die gesamten Investitionen in die energetische Sanierung von 2019 bis 2021 nur mäßig zu. 2022 war die Entwicklung sogar negativ. Ein entscheidender Grund dafür, dass die Mehrausgaben in Preissteigerungen verpufften, lag an der hohen Auslastung der Gewerke im Hochbau. Insbesondere der Wohnungsneubau hat in den Jahren bis 2021 immer mehr Kapazitäten der Bauwirtschaft gebunden. 2022 führten zudem partielle Materialknappheiten und Preisexplosionen zu Produktionsausfällen.infoMartin Gornig und Laura Pagenhardt (2023): Bauboom geht zu Ende – politischer Strategiewechsel erforderlich. DIW Wochenbericht, Nr. 1+2, 3–14 (online verfügbar).

Fazit: Energetische Sanierung muss wieder in Schwung gebracht werden

Als Reaktion auf den Prüfbericht des Expertenrates für Klimafragen hat die Bundesregierung Ansätze für eine beschleunigte Verringerung der Treibhausgasemissionen im deutschen Gebäudesektor entwickelt.infoBMWK (2023): Entwurf eines Klimaschutzprogramms 2023 der Bundesregierung, Stand 13.06.2023. Das Klimaschutzsofortprogramm des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sieht einen Schwerpunkt in der energetischen Sanierung kommunaler Gebäude.infoBMWSB (2023): Klimaschutzsofortprogramm des Bundesbauministeriums ist Teil der Klimaschutzprogramms der Bundesregierung. Pressemitteilung vom 18. Juli (online verfügbar). Gleichzeitig ist eine starke Aufstockung der Fördermittel für die energetische Gebäudesanierung im Wohnungssektor geplant. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sieht dafür den Einsatz von jährlichen Fördermitteln in Höhe von rund 13 Milliarden Euro vor.infoBundesregierung (2022): Förderprogramm hilft bei der energetischen Sanierung.Gebäudeförderung für Sanierungen. Pressekonferenz (online verfügbar). Das wären mehr als dreimal so viel wie im Durchschnitt der letzten zwölf Jahre. Zudem dürften auch die Planungen zum Wechsel auf erneuerbare Energien bei der Heiztechnik die Investitionstätigkeit anregen.infoDeutscher Bundestag (2023): Gesetzentwurf zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes. Bundestags-Drucksache 20/6875 vom 17. Mai 2023 (online verfügbar).

Die Rahmenbedingungen für eine Steigerung der Investitionen in die Verbesserung der Energieeffizienz der Bestandsgebäude scheinen zudem teilweise eher günstig zu sein. Die Energiepreise dürften auf mittlere Frist weiter hoch bleiben. Das motiviert gerade auch private Bauherr*innen in die energetische Gebäudesanierung zu investieren. Der Neubau von Wohnungen und Nichtwohngebäuden ist rückläufig und dürfte so schnell nicht wieder das Niveau von Anfang der 2020er Jahre erreichen.infoMartin Gornig und Claus Michelsen (2022): Wohnungsbaupolitik auf dem Drahtseil. MAKRONOM, 17. November (online verfügbar). Dort freiwerdende Kapazitäten könnten vermehrt für die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden genutzt werden.

Die Herausforderung bleibt dennoch gewaltig. Angesichts der schwachen realen Investitionstätigkeit der letzten Jahre scheint eine Vervielfachung der Aktivitäten zur energetischen Gebäudesanierung notwendig. So wird als Zielmarke eine Steigerung der Sanierungsrate von durchschnittlich rund einem Prozent im letzten Jahrzehnt auf künftig vier Prozent als notwendig erachtet.infoSophie M. Behr, Merve Kücük und Karsten Neuhoff (2023): Energetische Modernisierung von Gebäuden sollte durch Mindeststandards und verbindliche Sanierungsziele beschleunigt werden. DIW aktuell, Nr. 87 (online verfügbar). Wird eine Vervierfachung der Sanierungsrate angestrebt, müssten die nominalen Zuwächse noch größer sein, da auch steigende Bau- und Finanzierungskosten kompensiert werden müssten. Die Bauzinsen haben sich nahezu verdreifacht. Die Baupreise stiegen seit 2020 um rund 20 Prozent.infoMartin Gornig und Laura Pagenhardt (2023): Abwärtstrend im Wohnungsbau: Kein Grund zur Panik, aber Handlungsdruck auf die Politik wächst. Ifo Schnelldienst, Zur Diskussion gestellt, Heft 1, 25–28 (online verfügbar). Entsprechend könnte es notwendig sein, noch deutlich höhere Fördersummen einzusetzen als derzeit geplant.

Auch Kapazitätsengpässe stellen trotz der Flaute im Wohnungsneubau nach wie vor ein Problem dar. Soll verhindert werden, dass weitere zusätzliche Förderung in Preiseffekten verpufft, ist ein koordinierter Ausbau der Produktions- und Installationskapazitäten erforderlich. Im Sinne einer konzertierten Aktion wäre eine Abstimmung zwischen Produzenten der Vorleistungsgüter wie Dämmstoffen oder Fenstern, den bauausführenden Firmen und den öffentlichen und privaten Investoren anzustreben. Hier könnte daran gedacht werden, eine Koordinierungsstelle einzurichten, um Fördermittel beim Aufbau der Material- und Handwerkerkapazitäten effizient einzusetzen. Beispielhaft könnte dafür das Vorgehen der USA beim Aufbau von Impfkapazitäten im Zuge der Coronakrise sein.infoHeike Belitz und Martin Gornig (2021): Industriepolitik: Technologieorientierte öffentliche Investitionsfonds als neues Element. DIW aktuell, Nr. 71 (online verfügbar).

Martin Gornig

Forschungsdirektor für Industriepolitik in der Abteilung Unternehmen und Märkte



JEL-Classification: E22;Q40
Keywords: Energy-efficient building renovation, construction industry, building investment
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-33-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/278033

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