DIW Wochenbericht 33 / 2023, S. 449
Martin Gornig, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 77 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.29 MB - barrierefrei / universal access)
Herr Gornig, nach dem aktuellen Bericht des Expertenrates für Klimafragen hat der Gebäudesektor wieder seine Zielmarke zur Einsparung bei Treibhausgasemissionen gerissen. Ist bei den energetischen Sanierungen im Gebäudesektor zu wenig getan worden? Ganz offensichtlich. Wir wissen schon lange, dass das Niveau der energetischen Sanierungen nicht ausreicht, um das volle Potenzial der Energieeinsparungen im Gebäudesektor auszuschöpfen. Dennoch ist es in den letzten zehn Jahren nicht zu einem nachhaltigen Zuwachs der Investitionen in die energetische Sanierung gekommen..
Wie viel Geld ist in den letzten Jahren in die energetische Sanierung geflossen? Das sind etwa 50 Milliarden Euro jährlich. Über zehn Jahre gerechnet wären das 500 Milliarden Euro, also eine ordentliche Summe. Es ist ja auch etwas passiert in der energetischen Sanierung, allerdings könnte und müsste viel mehr passieren, wenn der Gebäudesektor künftig seinen Beitrag zur CO₂-Reduzierung leisten möchte.
Die energetische Sanierung von Gebäuden wurde und wird vom Staat gefördert. Reichen die Fördersummen nicht aus? Ganz offensichtlich nicht. Das, was der Staat bisher an Fördersummen hineingesteckt hat, hat sicherlich den einen oder die andere motiviert, energetisch zu sanieren, aber nicht in ausreichendem Maße. Hier muss auch über ein neues Förderkonzept nachgedacht werden.
Wie stellt sich die Entwicklung der Investitionen dar, wenn man die Preissteigerungen der letzten Jahre berücksichtigt? Das ist das Dilemma. Teilweise sehen wir ja doch einen Aufwuchs der Ausgaben für energetische Sanierung, aber real hat man dafür immer weniger bekommen, zum Beispiel immer weniger dämmernde Gläser und immer weniger Wärmepumpen. Obwohl man mehr ausgegeben hat, hat man real weniger investieren können.
In welchem Bereich sind die Probleme am größten? Die bisherigen Förderprogramme waren sehr stark auf Wohnbauten ausgerichtet, dementsprechend waren die energetischen Investitionen dort relativ stabil. Die stärksten realen Rückgänge sehen wir gerade im Nichtwohnungsbau. Dabei macht es gar nicht so viel aus, ob das öffentliche oder private Bauherren sind. Was die Technik angeht, wurde zum Beispiel im Jahr 2010 relativ stark in die Dämmung von Fenstern und Wänden investiert, doch diese Beträge sind stark rückläufig. Leider sehen wir auch, dass wir bei der Sanierung von Heizungen große Steigerungen hatten, die aber in den letzten Jahren durch die hohen Preissteigerungen alle wieder aufgefressen worden sind.
Wie könnte man dieser Problematik begegnen? Wo könnte oder sollte man da ihrer Meinung nach ansetzen? Ein Ansatzpunkt ergibt sich von ganz alleine, denn das sind die steigenden Energiepreise. Natürlich lohnt sich die energetische Sanierung umso mehr, je höher die Energiepreise sind. Auch, wenn die steigenden Energiepreise für die Haushalte natürlich eine hohe Last sind, sind sie gleichzeitig die zentrale Motivation, vermehrt in die energetische Sanierung von vorhandenen Gebäuden zu investieren. Das heißt also, eine Deckelung von Energiepreisen ist im Prinzip der größte Feind der energetischen Sanierung. Umgekehrt ist es so, dass wir natürlich auch Anreize schaffen müssen, genau das zu tun. Es sind also dringend Förderprogramme erforderlich und sie müssen auch so gestaltet sein, dass sie nicht dazu führen, dass wir noch weiter steigende Preise bekommen, weil wir die Nachfrage erhöhen. Wir müssen also eine Gesamtstrategie entwickeln, durch die sowohl die Nachfrage nach energetischer Sanierung, aber auch das Angebot an entsprechenden Waren und Installateuren deutlich zunimmt.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-33-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/278034