DIW Wochenbericht 34/35 / 2023, S. 462
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Die Entscheidung von fünf europäischen Regierungen – jüngst auch der italienischen –, eine Übergewinnsteuer für Banken einzuführen, hat in Deutschland die Diskussion darüber wieder aufleben lassen. Viele Banken in Europa machen zurzeit Rekordgewinne. Sie profitieren von den deutlich steigenden Zinsen, die sie jedoch kaum an die Sparer*innen weitergeben. Die Banken erhalten von diesen kurzfristige Einlagen und legen im Gegenzug einen Teil des Geldes in langfristigen Anleihen an, für die sie höhere Zinsen erhalten, als sie ihren Kund*innen zahlen. Oder sie vergeben langfristige Kredite, die durch den Zinsanstieg nun eine deutlich höhere Rendite abwerfen.
Diese hohen Gewinne haben Länder wie Spanien, Ungarn, Tschechien, Litauen und nun Italien dazu bewogen, diese Erträge zusätzlich zu besteuern. Die italienische Regierung hat die Steuer spezifisch auf Nettozinserträge auf 40 Prozent erhöht und rechnet mit drei Milliarden Euro zusätzlichen Steuereinnahmen pro Jahr. Kritiker*innen der Steuer sagen zum einen, man könne leistungslose Gewinne, also Übergewinne, nicht genau definieren. Denn welcher Teil des Gewinns ist leistungslos und welcher geht auf aktive Entscheidungen des Finanzinstituts zurück? Fakt ist: Die Gewinne vieler Banken durch ihre Zinserträge liegen weit über dem historischen Vergleich. Und auch die Tatsache, dass nur ein sehr geringer Anteil der Zinserhöhungen an die Sparer*innen weitergegeben wird, ist nicht zu bestreiten.
Unter anderem der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums führt an, eine Übergewinnsteuer schüfe Verzerrungen und hätte falsche Lenkungswirkungen. Das Problem der hohen Gewinne würde so nicht durch den Markteintritt neuer Wettbewerber gelöst, sondern in der Zukunft weiter bestehen bleiben. In der Theorie ist dieses Argument plausibel, in der Praxis jedoch nicht. Denn viele Finanzinstitute haben erhebliche Marktmacht, was sich daran zeigt, dass viele Kund*innen ihre Bank nicht wechseln, obwohl diese sie kaum an den höheren Zinsen beteiligt. Die Gegner*innen kritisieren außerdem – nicht zu Unrecht –, dass es in der Theorie bessere Instrumente gibt, um die Marktmacht der Banken zu begrenzen und den Wettbewerb zu verbessern. So könnten beispielsweise mehr Transparenz und bessere Kontrollen durch Wettbewerbshüter und Regulierung helfen. Natürlich sollte die Politik diese Instrumente stärker nutzen. Allein reichen sie aber nicht aus, um Marktmacht und Übergewinne ausreichend zu reduzieren. Ein viertes Argument der Kritiker*innen ist, hohe Gewinne seien notwendig, damit Unternehmen Investitionen tätigten und Innovation schüfen. Auch dieses Argument ist nicht falsch. Es macht aber einen großen Unterschied, ob wir über die hohen Gewinne von BioNTech sprechen – die auf Innovation und Leistung beruhen – oder eben über die Zinserträge von Banken.
Für eine begrenzte Übergewinnsteuer spricht aber ein gewichtiges Argument, das in der Logik unserer sozialen Marktwirtschaft begründet liegt: Banken sind systemrelevant und genießen implizite oder explizite staatliche Garantien. Eine Volkswirtschaft mag gut ohne Automobilbranche oder Digitalkonzerne existieren können, aber nicht ohne Banken. Daher sind Regierungen in Krisenzeiten gezwungen, Banken – so wie beispielsweise auch Energiekonzerne – zu retten. Der Staat hat sich als Rettungsanker für Unternehmen der Grundversorgung bewährt. Er fungiert damit wie eine Versicherung letzter Instanz. Aber: Eine Versicherung erhöht die Prämien für diejenigen Mitglieder, die einen Schaden verursachen und dadurch Versicherungsleistungen erhalten. Wieso sollte der deutsche Staat nicht ebenfalls Branchen durch temporär höhere Prämien zur Kasse bitten, wenn sie von einer solchen Versicherung letzter Instanz profitieren? Eine Übergewinnsteuer sollte allerdings bestimmte Kriterien erfüllen: So sollte sie strikt nur für solche Branchen genutzt werden, die von einer staatlichen Garantie profitieren und in denen der Wettbewerb begrenzt ist. Eine Übergewinnsteuer muss zudem temporär begrenzt und darf nicht exzessiv sein, um die von den Kritiker*innen genannten Verzerrungen und Fehlanreize zu begrenzen. Und sie sollte durch kluge Regulierung und Transparenz begleitet werden, damit Marktmechanismen wirken können und der Wettbewerb bestmöglich funktionieren kann.
Dieser Kommentar ist in einer längeren Version am 11. August 2023 bei ZEIT Online erschienen.
Themen: Steuern, Finanzmärkte
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-34-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/280702