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Die deutsche Wirtschaft geht nicht den Bach herunter: Interview

DIW Wochenbericht 36/37 / 2023, S. 504

Geraldine Dany-Knedlik, Erich Wittenberg

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Frau Dany-Knedlik, in den Medien ist immer häufiger von der Angst vor dem Absturz der deutschen Wirtschaft die Rede. Geht es mit der deutschen Wirtschaft tatsächlich den Bach herunter? Nein, das wäre zu drastisch. Wir gehen davon aus, dass es nach einer Stagnation nun zu einer sehr leichten und allmählichen Erholung der deutschen Wirtschaft kommen wird. Allerdings ist der private Verbrauch weiterhin belastet. Es wurden zwar in einigen Branchen bereits hohe Lohnabschlüsse vereinbart, diese sind im zweiten Quartal aber noch nicht vollumfänglich wirksam geworden. Bei einer gleichzeitig hohen Inflation drückt das auf die Kaufkraft der Haushalte und dämpft den privaten Verbrauch, der die größte Komponente des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland ist. Diese dürfte sich jetzt zur zweiten Jahreshälfte wieder leicht erholen, mit nochmals kräftiger werdenden Bruttoverdiensten je Arbeitnehmenden. Das resultiert aus Sonderzahlungen, die bereits verhandelt wurden, aber auch aus neu abgeschlossenen Tarifverträgen.

Welche Gruppen profitieren am meisten von den Lohnzuwächsen? Wahrscheinlich haben die oberen bis mittleren Einkommensgruppen bislang mehr von den Lohnzuwächsen profitiert als sehr gering verdienende Menschen. Das von uns entwickelte Inequality-Nowcast-Modell, das die Arbeitseinkommensverteilung für dieses Jahr prognostiziert, deutet an, dass es auch in diesem Jahr wieder zu einer leichten Steigerung der Arbeitseinkommensungleichheit kommen wird.

Wie entwickeln sich die Verbraucherpreise in Deutschland? Die Verbraucherpreise sind weiterhin deutlich erhöht, obwohl wir schon gesehen haben, dass die Komponenten Energie- und Nahrungsmittelpreise deutlich zurückgegangen sind. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Teuerung in der nächsten Jahreshälfte weiter abnehmen wird.

Wie beurteilen Sie das weltwirtschaftliche Umfeld? Das weltwirtschaftliche Umfeld hat zuletzt wieder etwas an Schwung gewonnen. Insbesondere die USA haben mit einem überraschend positiven zweiten Quartal die fortgeschrittenen Volkswirtschaften gestützt. Hingegen gab es in China eine große Enttäuschung. Nach dem Ende der Null-Covid-Politik im ersten Quartal hatte man sich für die erste Jahreshälfte viel mehr versprochen. Das ist nicht eingetreten. Das liegt vor allen Dingen daran, dass es in China, neben Verwerfungen, die wohl durch die Null-Covid-Politik entstanden sind, jetzt auch noch große Probleme in der Immobilienbranche gibt, die die binnenwirtschaftliche Nachfrage dämpfen.

Hierzulande gibt es viele Stimmen, die befürchten, dass Deutschland international den Anschluss verliert. Wie beurteilen Sie das? Was man dabei im Hinterkopf hat, ist die deutsche Industrie, was man aber vernachlässigt, ist, dass der Dienstleistungsanteil in Deutschland eigentlich der größere Anteil ist. Zwar konnten wir in der Industrie seit 2018, die Krisen rausgerechnet, einen abnehmenden Trend beobachten, dennoch haben sich die Industrie und auch das Verarbeitende Gewerbe trotz der trüben Stimmung recht robust entwickelt. Allerdings deutet sich jetzt am aktuellen Rand an, dass es zu einer Schwächephase des Verarbeitenden Gewerbes kommt und dass sich diese Stimmung tatsächlich in eine realwirtschaftliche Schwäche übersetzen wird.

Mit welchen Wachstumszahlen rechnen Sie für die deutsche Wirtschaft? Wir rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,4 Prozent schrumpfen wird. Man muss allerdings beachten, dass das vor allen Dingen durch das negative erste Quartal getrieben ist und durch die schwache Entwicklung in den weiteren drei Quartalen. Für das nächste Jahr sehen wir dann wieder einen Aufschwung mit einer Wachstumsrate von 1,2 Prozent.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Geraldine Dany-Knedlik
Die deutsche Wirtschaft geht nicht den Bach herunter - Interview mit Geraldine Dany-Knedlik

Geraldine Dany-Knedlik

Leitung Prognose und Konjunkturpolitik in der Abteilung Makroökonomie

Themen: Konjunktur

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