DIW Wochenbericht 39 / 2023, S. 540
Merve Küçük, Erich Wittenberg
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Frau Küçük, der Wärmemonitor des DIW Berlin erfasst den Energiebedarf in Zwei- und Mehrfamilienhäusern über die Heizenergieabrechnungen. Wie haben sich der Heizenergieverbrauch und die temperaturbereinigten CO2-Emissionen im vergangenen Jahr entwickelt? Wir sehen, dass die temperaturbereinigten Heizenergiebedarfe der Zwei- und Mehrfamilienhäuser ebenso wie die Emissionen im Jahr 2022 um fünf Prozent gesunken sind, aber trotzdem wurden die Klimaziele leider leicht verfehlt.
Wie stark wurden die Klimaziele verfehlt? Das Klimaziel liegt eigentlich bei 107 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr und wir lagen im Jahr 2022 bei 112 Millionen Tonnen CO2, also wirklich nur knapp unter der Zielmarke.
Worauf ist der Rückgang des Heizenergiebedarfs zurückzuführen? Es gab ja einen sehr großen Preisanstieg bei den Heizenergiepreisen. Diese Preisanstiege, auch wenn sie in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich hoch waren, haben dazu geführt, dass sehr viel Heizenergie eingespart wurde. Das hatte natürlich auch mit der Gasmangellage und der Politik rund um diese Situation zu tun.
Wie groß sind die regionalen Unterschiede im Heizenergiebedarf? Wir sehen deutlich, dass im Norden Deutschlands mehr eingespart wurde als im Süden. Zum Beispiel waren die Einsparungen in Schleswig-Holstein am größten und in Baden-Württemberg und Bayern am niedrigsten. Dennoch war der Heizenergiebedarf in Westdeutschland immer noch viel höher als in Ostdeutschland.
Wie sind die regionalen Unterschiede zu erklären? Dafür kann es mehrere Gründe geben, aber eine große Rolle spielen das Alter der Heizungssysteme und der energetische Zustand der Gebäude. Wir wissen, dass in Ostdeutschland in den neunziger Jahren viel mehr in die energetische Sanierung der Gebäude investiert wurde. Das hat dazu geführt, dass diese Gebäude, im Vergleich zu denen, die nicht auf diesem energetischen Niveau sind, einen niedrigeren Heizenergiebedarf haben. Zudem liegt das durchschnittliche Alter der Heizungssysteme beispielsweise im Saarland bei 23 Jahren und im Vergleich dazu in Mecklenburg-Vorpommern bei 16 Jahren. Dieser Unterschied kann auch dazu beitragen, dass sich der Heizenergiebedarf deutlich unterscheidet.
Glauben Sie, dass der Verbrauch wieder ansteigen wird? Wir denken schon, dass der Heizenergiebedarf wieder ein bisschen steigen wird, wenn der Preisdruck nachlässt. Wir wissen zwar nicht, um wie viel oder ob er wieder zum alten Niveau zurückkehrt. Aber wir erwarten nicht mehr so hohe Einsparungen und ein so hohes Engagement der Haushalte, Energie zu sparen, wie es die hohen Preise und die Politik rund um die Gasmangellage 2022 bewirkt hatten. Sobald der Preisdruck weg ist, wird diese Motivation nicht mehr so groß sein.
Was muss getan werden, um die Klimaziele zu erreichen? Die Bundesregierung hat bereits sehr viel getan, um die Klimaziele zu erreichen, aber es muss noch mehr passieren. Erstens sind die Einsparmöglichkeiten bei der Heizenergie durch eine Verhaltensänderung der privaten Haushalte begrenzt, also müssen die Investitionen in die energetische Sanierung erhöht werden. Zudem zeigt eine andere DIW-Studie, dass die realen Investitionen im Vergleich zu 2011 im vergangenen Jahr gesunken sind. Es ist also sehr wichtig, dass die Bundesregierung hier mehr Anreize schafft. Zusätzlich zu den Investitionen in die energetische Sanierung müssen auch die Heizungssysteme von fossilen Energien auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Zum Beispiel sehen wir bei Wärmepumpen sehr effiziente Systeme, aber wir müssen dafür sorgen, dass die Elektrizität für den Betrieb der Wärmepumpen von erneuerbaren Energien stammt.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-39-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/279498