„Écologie à la Macron“: Handeln darf nicht nur ein Wort sein: Kommentar

DIW Wochenbericht 40 / 2023, S. 558

Adeline Guéret

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In der vergangenen Woche kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron öffentlichkeitswirksam eine „écologie à la française“ an. Konkrete Ziele, eine schnelle Umsetzung und ausreichende Finanzierung: Dies war der Eindruck, den er bei der Vorstellung des „Besser Handeln“ betitelten Programms zur Erreichung der nationalen Umweltziele vermitteln wollte. Zwar versucht Macron mit den vorgestellten Plänen eine gesamtgesellschaftlich tragfähige Klimapolitik zu formulieren, aber die konkreten Maßnahmen überzeugen nur teilweise. Daher riskiert Macron, hinter den selbst gesteckten Erwartungen zurückzubleiben.

Zu den zentralen Plänen gehört, bis 2027 eine Million Elektrofahrzeuge und eine Million Wärmepumpen in Frankreich zu produzieren, bis zum 1. Januar 2027 aus der Kohle auszusteigen, den Bau von urbanen Schnellzugnetzen („RER métropolitains“) voranzutreiben und ein „soziales Leasing“ für einkommensschwache Haushalte einzuführen, um diese mit 100 Euro pro Monat bei Nutzung und Kauf eines Elektrofahrzeugs zu unterstützen.

Das klingt zwar auf den ersten Blick beeindruckend, enttäuscht aber in mehreren Punkten. Bereits in seiner ersten Amtszeit versprach Macron den Kohleausstieg bis 2022, nun kommt er erst 2027. Zudem ist Kohle für den französischen Energiemix eher unbedeutend. Auch der Bau eines Netzes von urbanen Schnellbahnen wurde bereits im Februar von Ministerpräsidentin Elisabeth Borne angekündigt. Allerdings gehen einige in der Rede nicht erwähnte Vorhaben der „Ökologischen Planung“ – eines Begriffes, den Macron im Präsidentschaftswahlkampf 2022 aus dem Programm der linken Partei „La France insoumise“ übernommen hatte – weiter: Im Verkehrssektor beispielsweise sollen die Zahl der Fahrten pro Tag, die in Fahrgemeinschaften durchgeführt werden, bis 2030 um das Achtfache steigen, die Radwegkilometer nahezu verdreifacht werden und mehr als drei Millionen Autofahrer*innen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bewegt werden. Dafür müssen jedoch ehrgeizige Maßnahmen ergriffen werden.

Der Präsident zeigte sich in seiner Rede zuversichtlich, seine Ziele durch neue Maßnahmen zu erreichen und diese auch umsetzen zu können. Zudem betonte er die Notwendigkeit, eine Alternative zu sowohl „Verleugnung” der Veränderung als auch „Kur” im Sinne von Askese, als Referenz zu Degrowth, zu finden. Er hob vor allem hervor, den ökologischen Wandel als Chance zu begreifen, Frankreich zu reindustrialisieren und die Souveränität des Landes zu stärken und stellte Frankreich als Vorreiter der ökologischen Transformation dar.

Zwar ließ es sich Macron nicht nehmen, seine klimapolitische Bilanz und Reformen seiner zweiten Amtszeit zu loben, unerwähnt ließ er aber den Rückstand seiner Regierung bei der Gesetzgebung in diesem Bereich. Das „Energie- und Klimaprogrammgesetz“, welches ursprünglich bereits bis zum 1. Juli 2023 verkündet werden sollte, wurde der Nationalversammlung noch nicht einmal vorgelegt. Dies erweckt den Eindruck, dass Klimaschutz und nachhaltige Transformation nicht zu den Prioritäten des Präsidenten gehören, wie er sonst gerne behauptet.

Macron betonte die Notwendigkeit, alle Akteur*innen, Bürger*innen, Unternehmen und den Staat für eine erfolgreiche Politik einzubeziehen. In seiner (vielleicht zu sehr?) beruhigenden und zuversichtlichen Art schien er jedoch nicht die Dringlichkeit des Handelns hervorheben zu wollen. Tatsächlich sind die Ziele insgesamt ehrgeizig und der Zeitraum zur Erreichung sehr kurz. Die zusätzlich bereitgestellten sieben Milliarden Euro sind zwar ein deutliches Signal für den Handlungswillen der Regierung. Angesichts des Plans, Anreize zu schaffen ohne Zwang auszuüben, in einem Land, das von der Krise der Gelbwesten, der Rentenreform und dem Aufstieg der extremen Rechten geprägt ist, erscheinen diese Mittel jedoch im Verhältnis zu den ambitionierten Zielen unterdimensioniert. Dies birgt die Gefahr, dass die „écologie à la française“ am Ende zu einer bloßen Willensbekundung wird, ohne Aussicht auf Erfolg.

Adeline Guéret

Wissenschaftliche Mitarbeiterin & Doktorandin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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