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Für Unternehmen ist entscheidend, wie die Verwaltung Regulierungen umsetzt: Interview

DIW Wochenbericht 42 / 2023, S. 593

Alexander S. Kritikos, Erich Wittenberg

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Herr Kritikos, Sie und Ihre Kolleg*innen haben erstmals untersucht, wie die Qualität einer regionalen Verwaltung den Zusammenhang zwischen der Regulierungsdichte eines Landes und der Entwicklung schnell wachsender Unternehmen beeinflusst. Was hat Sie bewogen, sich dieser Fragestellung zu widmen? Es gibt einen etablierten, wissenschaftlich belegten Zusammenhang, der besagt, je weniger Regulierung, desto mehr Unternehmen siedeln sich in einer Region an und wachsen dort. Es finden sich aber in den nordischen Ländern prägnante Ausnahmen von dieser Regel, in Finnland zum Beispiel: Obwohl die nordischen Länder eine hohe Regulierungsdichte haben, siedeln sich dort viele schnell wachsende Unternehmen an. Nun könnte man sagen, das ist einfach eine Ausnahme von der Regel. Wir wollten es aber genauer wissen und verstehen, warum es dort anders läuft.

Und warum läuft es dort anders? Unsere Analysen zeigen, dass die Ansiedlung von Unternehmen auch von der Qualität der Verwaltung vor Ort abhängt. Wir beobachten den etablierten Zusammenhang, wonach bei hoher Regulierungsdichte weniger schnell wachsende Unternehmen zu finden sind, nur in Regionen, in denen die Verwaltung Regulierungsvorschriften nicht gut umsetzt. Aber, und das ist die neue Erkenntnis, in Regionen mit einer hohen Verwaltungsqualität, wie sie in den nordischen Ländern vorherrscht, spielt es für die Unternehmen keine Rolle, ob sie auf eine niedrige oder eine hohe Regulierungsdichte treffen.

Wenn ein Unternehmen die Wahl zwischen mehreren Regionen mit jeweils hochqualitativer Verwaltung hat, entscheidet dann nicht doch wieder die Regulierungsdichte über die Ansiedlung? Wir haben herausgefunden, dass genau das nicht der Fall ist. Bei einer hohen Verwaltungsqualität ist es für die Standortentscheidung der Unternehmen irrelevant, ob sie eine hohe oder niedrige Regulierungsdichte vorfinden. Für sie ist entscheidend, wie die Regulierungen von der Verwaltung umgesetzt werden. Bei guter Umsetzung der Regulierung durch die Verwaltung nehmen Unternehmen eine höhere Regulierungsdichte offensichtlich nicht mehr wahr.

Wie groß sind in Europa die Unterschiede in der Qualität der Verwaltung? Ich fürchte, die Unterschiede in der Verwaltungsqualität sind in den europäischen Regionen sehr groß. In den nordischen Regionen verstehen sich die Verwaltungen als Service für Unternehmen und versuchen, diese in ihren Aktivitäten zu unterstützen – ein Paradebeispiel für eine gute Verwaltung. In manch südeuropäischem Land sehen die Verwaltungen ihre Aufgabe wohl eher darin, eine Option zu finden, wie sie an der Wertschöpfung der Unternehmen aktiv partizipieren können.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse für die Politik? Sollte sie eher bei der Qualität der Verwaltung ansetzen oder bei den jeweiligen Regulierungen? Wir haben in den vergangenen 20 Jahre die Forderung gehört, Regulierung müsse abgebaut werden, und wir haben in dieser Zeit beobachten müssen, wie die Regulierungsdichte eher zugenommen hat. Diese Studie macht deutlich, dass wir an diese Frage auch anders herangehen können. Regionen, die eine schlechte Verwaltungsqualität haben, müssen Instrumente in die Hand bekommen, mit denen sie ihre Verwaltung verbessern können. Für diese Regionen lohnt ein Blick in die Länder, in denen eine sehr gute Verwaltungsqualität vorherrscht. Dort lässt sich beobachten, wie sich eine Verwaltung so verbessern lässt, dass sie Unternehmen einen Service bietet und sie nicht in ihrer unternehmerischen Entwicklung behindert. Übrigens gibt es von Seiten der EU Unterstützung, um Verwaltungsreformen in diese Richtung durchzuführen, sie wird allerdings kaum angenommen und genutzt.

O-Ton von Alexander S. Kritikos
Für Unternehmen ist es entscheidend, wie die Verwaltung Regulierungen umsetzt - Interview mit Alexander Kritikos

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