Direkt zum Inhalt

Elterngeld: Finger weg von den Partnermonaten! Kommentar

DIW Wochenbericht 43 / 2023, S. 606

Katharina Wrohlich

get_appDownload (PDF  79 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.45 MB)

Die Einführung des Elterngeldes war eine der größten familienpolitischen Reformen der letzten zwei Jahrzehnte. Es kann als weitgehend erfolgreiches Instrument der Familienpolitik bezeichnet werden. Die Politik erreicht mit dem Elterngeld – einer Lohnersatzleistung für Eltern in den bis zu 14 Monaten nach der Geburt des Kindes – zentrale familienpolitische Ziele: Dazu zählt die Schaffung eines finanziellen Schonraums für das erste Jahr, in dem sich ein Elternteil – oder beide Elternteile abwechselnd – vorrangig um die Betreuung des Kindes kümmern kann, die Förderung der ökonomischen Eigenständigkeit beider Elternteile sowie die höhere Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung.

Und dennoch ist jetzt auch auf diesem Feld Streit in der Bundesregierung entbrannt: Bundesfamilienministerin Lisa Paus von den Grünen muss in ihrem Ministeriumshaushalt sparen und sieht Potenzial dafür beim Elterngeld. Paare mit einem gemeinsam zu versteuernden Einkommen ab 150000 Euro sollen es künftig gar nicht mehr erhalten – das beträfe die vier Prozent reichsten Paare. Von der FDP kam vergangene Woche ein Gegenvorschlag: Lieber nicht einigen wenigen Familien das komplette Elterngeld wegnehmen, sondern allen ein wenig. Konkret möchten die Liberalen das Elterngeld durchgehend von maximal 14 auf nur noch zwölf Monate zusammenstreichen. Außerdem sieht der Vorschlag vor, die sogenannten Partnermonate abzuschaffen. Derzeit wird das Elterngeld nur dann 14 Monate lang gewährt, wenn beide Elternteile jeweils mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen. Nimmt nur ein Elternteil Elternzeit, verfallen diese zwei Monate. Diese Quotierung möchte die FDP abschaffen.

Welche der beiden Optionen – also entweder den Reichen alles wegenehmen oder allen Eltern ein Siebtel der Leistung – man für gerechter hält, hängt von den individuellen Gerechtigkeitsvorstellungen ab. Diese auszutarieren, ist letztlich Aufgabe der Politik. Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich darauf hinweisen: Es ist angesichts der Erfolgsbilanz des Elterngeldes keine besonders gute Idee, daran überhaupt den Rotstift anzusetzen. Durch die Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 hat sich die Erwerbsbeteiligung von Müttern erhöht, ebenfalls die Beteiligung von Vätern an der Kinderbetreuung. Dass viele Menschen in Deutschland das Elterngeld als sehr wichtig erachten, zeigt nicht zuletzt einen Petition gegen die Kürzungspläne für Spitzenverdiener*innen, die rund 600000 Menschen unterzeichnet haben – also auch viele, die von den Plänen des Familienministeriums gar nicht betroffen wären.

Anstatt beim Elterngeld zu sparen, müsste die Leistung eigentlich ausgeweitet oder zumindest an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst werden: Der Mindestbetrag von 300 Euro und der Maximalbetrag von 1 800 Euro pro Jahr wurden seit Einführung im Jahr 2007 nicht erhöht, sind real also derzeit deutlich weniger wert als vor fast 17 Jahren. Wenn die Bundesregierung dennoch die Entscheidung trifft, dass beim Elterngeld gespart werden muss, dann sollte dies nicht ausgerechnet bei den Partnermonaten geschehen. Die Partnermonate haben nachweislich dazu geführt, dass der Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen, stark gestiegen ist. Wenn der Anreiz der Partnermonate wegfällt, ist die Gefahr groß, dass viele Familien allein schon aus finanziellen Gründen auf eine Aufteilung der Elternzeit verzichten. Leidtragende wären in den allermeisten Fällen die Mütter, die mit weniger Unterstützung ihrer Partner auskommen müssten und es somit auch schwieriger hätten, nach der Elternzeit wieder in ihren Beruf zurückzukehren. Aus gleichstellungspolitischer Sicht wäre das ein Rückschritt.

Die Partnermonate, die mit dazu beigetragen haben, dass sich mehr Väter an der Kinderbetreuung beteiligen, waren zum Start des Elterngeldes eine ziemlich revolutionäre Sache. Die damalige CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen bekam heftigen Gegenwind aus der eigenen Partei, setzte sich aber letztlich durch. Und ziemlich schnell verstummten die Kritiker*innen. Diese Errungenschaft sollte jetzt auf keinen Fall abgeschafft werden. Im Gegenteil: Will die Ampelkoalition ihre im Koalitionsvertrag festgelegten gleichstellungspolitischen Ziele erreichen, wäre vielmehr eine Ausweitung der Partnermonate angebracht.

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics

keyboard_arrow_up